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Schmerzmittel

CBG Redaktion

12. Dezember 2011

Rund 2000 Menschen sterben in Deutschland pro Jahr an Magenblutungen nach Einnahme von Schmerzmitteln. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert daher seit Jahren eine Rezeptpflicht und kleinere Packungsgrößen, was die Hersteller vehement ablehnen.
Hierzu erschien heute ein interessanter Beitrag im Spiegel, den wir in Auszügen dokumentieren. Weitere Infos der CBG finden Sie hier.

Verblüffende Sorglosigkeit

Schmerzmittel wie Aspirin, Paracetamol oder Ibuprofen gelten als harmlos. Doch Vergiftungen und Missbrauch sind verbreitet. Um den Patienten die Gefahr bewusst zu machen, sollen jetzt die Packungen kleiner werden.

(…) Im Umgang mit rezeptfreien Schmerzmitteln herrscht eine verblüffende Sorglosigkeit vor. Obwohl Paracetamol schon in vergleichsweise geringer Überdosierung lebertoxisch wirkt und obwohl es unter dem Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) bei mindestens jedem 10.000sten Patienten zu einer lebensbedrohlichen Magenblutung kommt, gelten diese Mittel gemeinhin als harmlos. Die Risiken von Ibuprofen oder Diclofenac – neben Magenblutungen auch Herzinfarkte – werden allen Beipackzetteln zum Trotz ebenfalls systematisch unterschätzt.

„Bei rezeptfreien Schmerzmitteln verhalten sich die Menschen irrational“
Eigentlich vernünftige Menschen schwören auf Kombi-Tabletten aus Paracetamol und ASS, auf Paracetamol-haltige Erkältungssäfte oder Tabletten in doppelter Dosierung – obwohl all diese Mittel und Verabreichungsformen nach Ansicht vieler Experten nicht nur gefährlich, sondern auch überflüssig sind.
„Bei den rezeptfreien Schmerzmitteln verhalten sich die Menschen total irrational“, klagt Kay Brune, Pharmakologe und Sachverständiger des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). „Die Leute denken, wenn man das einfach so kaufen kann, dann wird es schon nicht gefährlich sein“, sagt Canbay. „Es muss in der Bevölkerung bekannt werden, dass diese Schmerzmittel nicht harmlos sind.“

Genau dies ist das Ziel einer aktuellen Initiative des BfArM: Es will die rezeptfrei verkäufliche Packungsgröße für die Schmerzmittel ASS, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Phenazon und Propyphenazon auf eine Viertagesdosis beschränken. Im neuen Jahr soll über den Vorschlag abgestimmt werden.
Paracetamol wird schon heute in kleineren Schachteln verpackt: Seit 2009 ist es verboten, mehr als 20 Tabletten à 500 Milligramm rezeptfrei zu verkaufen. Jetzt möchte der BfArM-Sachverständige Brune noch weiter gehen: Er würde den Wirkstoff am liebsten ganz der Verschreibungspflicht unterstellen.

Pharmaindustrie wehrt sich gegen die Verschreibungspflicht
Die Pharmaindustrie hingegen plädiert dafür, alles beim Alten zu lassen: „Paracetamol ist nach übereinstimmender Auffassung nahezu aller Experten ein sicherer und wirksamer Arzneistoff“, beteuert Elmar Kroth, Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller. „Bei bestimmungsgemäßer Anwendung ist Aspirin ein sicheres und gut verträgliches Arzneimittel“, versichert auch der Hersteller Bayer über sein Produkt.

„Für uns steht außer Frage, dass eine übermäßige Anwendung von Schmerzmitteln im Einzelfall schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben kann“, sagt hingegen BfArM-Leiter Walter Schwerdtfeger. Mit einer Begrenzung der Packungsgrößen wolle seine Behörde „die Patienten für die Risiken sensibilisieren und deutlich machen, dass Schmerzmittel mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein können“.
(…)
Dr. Becker-Brüser will deshalb die zulässige Packungsgröße noch einmal verkleinern, am besten auf maximal acht Tabletten à 500 Milligramm. „Bei kleineren Packungsgrößen“, sagt er, „sind dann oft einfach nicht genug Tabletten da, um sich zu vergiften.“ (…)

Doch auch die anderen Schmerzmedikamente sind keineswegs ohne Risiko. Die bekannteste Nebenwirkung von ASS, Ibuprofen und Diclofenac sind Magenblutungen. Schätzungsweise 2000 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr daran. Bei langfristiger Anwendung steigern Ibuprofen und Diclofenac möglicherweise auch das Herzinfarktrisiko. Zudem sind Vergiftungen gefürchtet – Ibuprofen- und ASS-Alarm ist bei deutschen Giftzentralen zusammen etwa genauso häufig wie im Fall von Paracetamol.
„Bei ASS und Ibuprofen ist die Dosis, die man nehmen muss, um sich zu vergiften, zwar deutlich höher als bei Paracetamol“, sagt Carola Seidel, stellvertretende Leiterin der Bonner Giftnotrufzentrale, „aber die Symptome sind nicht weniger schrecklich.“ Bei einer Überdosis von ASS oder Ibuprofen übersäuert der Körper, das Herz stottert, der Patient krampft oder fällt gar ins Koma. Auch massive Blutgerinnungsstörungen und Nierenschäden sind möglich – all dies Gründe, warum das BfArM jetzt die Packungsgröße begrenzen möchte. (…)
Von Veronika Hackenbroch und Laura Höflinger

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,802955,00.html