Rede Axel Köhler-Schnura auf der Bayer-Hauptversammlung am 17.11.2004
Meine Damen und Herren, guten Tag,
mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Ich bin Mitglied des Vorstands des internationalen Selbsthilfenetzwerks der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Regelmäßigen BesucherInnen von BAYER-Hauptversammlungen bin ich ja bekannt.
Meine Damen und Herren,
auch wenn wir Jahr für Jahr miterleben, wie abwertend der Vorstand mit kritischen Gegenanträgen umgeht, ist es doch eine Mißachtung der Aktionärsdemokratie, wenn der Vorstand – wie heute geschehen – auf der Hauptversammlung die AktionärInnen nicht über den vorliegenden Gegenantrag informiert und dazu keine Stellungnahme abgibt.
Herr Wenning, Sie werden sicherlich unseren Gegenantrag in gleicher Weise unsachlich und realitätswidrig abqualifizieren wie in den Vorjahren, aber ich bitte Sie doch, die Grundregeln des Umgangs mit AktionärInnen einzuhalten.
Und an dieser Stelle noch ein Wort an meinen Vorredner, Herrn Buhlmann (Name wie akustisch verstanden?): So spaßig Ihre Bemerkung zu unserem Gegenantrag war, so falsch war sie auch. Selbstverständlich haben wir Agumente, und zwar gute!, für die Ablehnung der Abspaltung und sie wurden von uns in der Begründung des Gegenantrags auch mitgeteilt und entsprechend veröffentlicht. Dass unsere Argumente aber von Ihnen nicht wahr- und ernstgenommen werden, hängt einfach damit zusammen, sie passen einfach nicht in ihr einzig am Profit ausgerichtetes Wertgefüge.
Meine Damen und Herren,
Sie alle kennen den ehemaligen Bundesminister und Generalsekretär der CDU, Dr. Heiner Geisler. Im Vorfeld dieser Hauptversammlung erreichte uns ein Beitrag von ihm. Gerade weil das Management immer versucht, meine Redebeiträge mit Hinweis auf meine Mitgliedschaft in der Coordination gegen BAYER-Gefahren vom Tisch zu wischen, ist es mir eine besondere Freude, Ihnen jetzt das Statement von Dr. Geisler zur Kenntnis bringen zu dürfen. Und ich schreibe diesen Beitrag nachdrücklich allen ins Stammbuch, die vorhin bei Vorstand und Befürwortern der Abspaltung so zustimmungsfreudig applaudiert haben: „Unter Berufung auf angebliche Gesetze des Marktes reden die ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten einer anarchischen Wirtschaftsordnung, die über Leichen geht, das Wort.
100 Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und 3 Milliarden Arme, die zusammen ein geringeres Einkommen haben als die 400 reichsten Familien der Erde, klagen an: die Adepten einer Shareholder-Value-Ökonomie, die keine Werte kennt jenseits von Angebot und Nachfrage, Spekulanten begünstigt und langfristige Investoren behindert. … Die Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken an der Wand stehen, fühlen sich anonymen Mächten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst.
Die Menschen leben und arbeiten in einer globalisierten Ökonomie, die eine Welt der Anarchie ist – ohne Regeln, ohne Gesetze, ohne soziale Übereinkünfte,
eine Welt, in der Unternehmen, Großbanken und der ganze “private Sektor„ unreguliert agieren können.
Wo bleibt der Aufschrei gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleinere Firmen mit Inventar und Menschen aufkaufen, als wären es Sklavenschiffe aus dem 18.Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Börsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von Tausenden mitsamt ihren Familien vernichten? Den Menschen zeigt sich die hässliche Fratze eines unsittlichen und auch ökonomisch falschen Kapitalismus, wenn der Börsenwert und die Managergehälter – an den Aktienkurs gekoppelt – umso höher steigen, je mehr Menschen wegrationalisiert werden. …“
Soweit das Statement des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Dr. Geisler.
Meine Damen und Herren,
ich kann diesem Statement persönlich beim besten Willen nichts mehr hinzufügen – es trifft einfach zu.
Meine Damen und Herren,
Sie alle wissen – es war ja nun sogar schon in der BILD-Zeitung zu lesen – BAYER überträgt auf Lanxess Schulden in Milliardenhöhe. Das ist Coup, mit dem sich BAYER über die vom BAYER-Mann Heribert Zitzelsberger lancierte Steuergesetzgebung gnadenlos am Steuersäckel bereichert. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes asozial.
Zugleich bedeutet diese Schuldenlast knallharte Erpressung der Beschäftigten. Diese werden damit dauerhaft genötigt, Kosteneinsparungen durch Mehrarbeit und Lohnverzicht, aber auch durch Verlust ihres Arbeitsplatzes, zu leisten. Trotz aller schöner Worte droht Tausenden Beschäftigten der Abstieg in prekäre Arbeitsverhältnisse und in die Arbeitslosigkeit. LanXess-Vorstandsmitglied Ulrich Koemm hat bereits Schließungen von Betriebsteilen und Verkäufe ankündigt.
Und da die Arbeit in der Regel nicht wegfällt, steigt der hohe Arbeitsdruck auf die Belegschaft weiter an. Neu eingestellte MitarbeiterInnen werden tariflich schlechter gestellt. Auch die Möglichkeit der Belegschaft, auf den Kurs des Unternehmens Einfluss auszuüben, ist langfristig gefährdet: bei Aufsplitterung in immer kleinere Einheiten fällt die tarifliche Mitbestimmung weg.
Meine Damen und Herren,
in der LanXess-Belegschaft wird das, was hier läuft, so auf den Punkt gebracht: „verraten und verkauft“ – das ist der bittere Kommentar aus den Werken. Das Gerede der Konzernleitung von Standortsicherung und Beschäftigungsgarantien erweist sich als fadenscheinig und verlogen.
Meine Damen und Herren,
auch für den Umwelt- und Verbraucherschutz ist LanXess eine neue Gefahr. LanXess wird – da als Profitbringer einzig auf die harte, weltweit verfemte, die Existenz des Planeten gefährdende Chlorchemie als Produkt angewiesen – gegen jeden gesunden Menschenverstand all das weiter vermarkten, wogegen alle Welt Sturm läuft: Hormonaktive bzw. hochtoxische Produkte wie Weichmacher, Phosgen, Chlorbenzole, Isocyanate und Nitrotoluole.
Das umfangreiche Wortgeklingel im Abspaltungs- und Übernahmevertrag zu Haftungsfragen und Umweltschäden weist bereits darauf hin: Für Regierungen, Kommunen, Organisationen und Personen wird es künftig noch schwieriger, Ansprüche für entdeckte und unendeckte Altlasten und Umwelt- und Gesundheitsschäden durchzusetzen.
Meine Damen und Herren,
wir alle hier im Saal werden heute, wenn der Vorschlag des Vorstands zur Abspaltung nicht abgelehnt wird, Zeugen wie das so funktioniert, was der Stern in Millionenauflage in seiner Ausgabe v. 24.10.2004 den „Putsch von ganz oben nennt“: Bei der Abspaltung von LanXess geht es um eine groß angelegte Umverteilung von unten nach oben. Mehr als 73 Millionen Aktien sollen hier heute verschenkt werden. 95 Prozent dieser Aktien wird sich eine kleine Elite von institutionellen und anderen GroßaktionärInnen aneignen. Aber auch die Masse der Klein- und KleinstaktionärInnen werden mit je einer Neu-Aktie auf 10 Altaktien bedacht. Je nach Kurswertentwicklung geht es hier um einen Betrag von schätzungsweise immerhin ca. 300 Millionen bis ca. 1 Milliarde Euro, der ohne jede Gegenleistung der AktionärInnen deren Vermögen steigert.
Meine Damen und Herren,
dieser Umbau geht nicht nur voll zum Nachteil der Belegschaften, er geht auch auf Kosten des Sozialstaates und der arbeitenden Menschen im Land insgesamt.
Meine Damen und Herren,
Sie hier im Saal sind überwiegend Kleinaktionärinnen und Kleinaktionäre. Sie sind vielfach einfache Belegschaftsangehörige oder ehemalige Betriebsbeschäftigte. Doch den Ton hier geben die Großaktionäre und Banken mit ihrem Depotstimmrecht an. Und diese Großaktionäre und Banken bzw. Investmentgesellschaften haben im Gegensatz zu den Beschäftigten und den KleinaktionärInnen kein ethisches, kein soziales und auch kein ökologisches Gewissen.
Aber Sie, meine Damen und Herren KleinaktionärInnen, Sie, die Sie als Gewerkschaftskollegen und -kolleginnen wissen, wie es an den Arbeitsplätzen und hinsichtlich der Familienbudgets aussieht, Sie haben ein soziales und ökologische Gewissen. Sie wissen noch, wie Moral und Ethik buchstabiert werden.
Deshalb fordere ich Sie auf, zeigen Sie den Großaktionären, Vorständen und Aufsichtsräten, was Sie von ihnen halten. Auf jeder Hauptversammlung stimmen mehre Tausend KleinaktionärInnen mit uns. Trotz dieser Zahlen macht dies aufgrund der Besitzverhältnisse der Großaktionäre trotzdem rein mathematisch keinerlei Mehrheiten aus. Stimmen Sie aber bitte trotzdem – oder gerade deshalb – mit NEIN. Setzen Sie mit Ihren Aktien ein Zeichen für soziale Sicherheit, Umweltschutz und Menschenrechte. Gegen Profitgier und Menschenverachtung.
Entsprechend unser Gegenantrag: Stimmen Sie dem Abspaltungsvertrag nicht zu.
Meine Damen und Herren,
ich stehe hier beauftragt von Hunderten von Kleinaktionären und Kleinaktionärinnen mit Gewissen, die bereits im Vorfeld dieser Hauptversammlung der Coordination gegen BAYER-Gefahren und dem Dachverband der Kritischen Aktionäre und Aktionärinnen ihre Aktien übertragen haben. Tun Sie Ihre Aktien dazu, stärken Sie das Signal für Soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte.
Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so lassen Sie sich von uns vertreten. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links.
Vielen Dank.