Nachbarländer verbieten Bisphenol A
Risiko-Chemikalie in Trinkflaschen
Dänemark, Frankreich und Kanada setzen eine Forderung der Umweltbewegung um und verbieten die Verwendung von Bisphenol A in Babyflaschen und anderen Risiko-Anwendungen. Auch das Umweltbundesamt plädiert für gesetzliche Regelungen. Der BAYER-Konzern gehört zu den größten Herstellern weltweit und kämpft hinter den Kulissen gegen drohende Verbote.
von Philipp Mimkes
Seit über 20 Jahren fordern Umweltverbände ein Verbot von Bisphenol A (BPA) in risikoreichen Anwendungen. Die Chemikalie wird bei der Herstellung von Polycarbonat, einem transparentem Kunststoff, eingesetzt und wird in einer Vielzahl von Produkten verwendet – u.a. in CDs, Zahnfüllungen, Trinkflaschen, der Innenbeschichtung von Dosen und in Plastikgeschirr (STICHWORT BAYER berichtete mehrfach). Die Substanz kann in geringen Mengen aus Plastikflaschen und anderen Kunststoffprodukten freigesetzt werden und in Lebensmittel übergehen.
Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Bisphenol A im Körper ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen wirkt. Schon geringe Dosen können das Nervensystem schädigen und bei Säuglingen zu Entwicklungs-Störungen führen. Zahlreiche Studien bringen die Chemikalie zudem mit Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen in Verbindung. Besonders umstritten ist daher die Verwendung in Lebensmittel-Verpackungen, Babyflaschen und Kinderspielzeug.
In Kanada wurde Bisphenol A vor zwei Jahren erstmals als „gefährliche Substanz“ deklariert, eine Verwendung in Babyflaschen wurde untersagt. In den USA nahmen die meisten Hersteller BPA-haltige Fläschchen freiwillig vom Markt. Ab dem 1. Juli gelten nun auch in Dänemark und Frankreich Verbote für alle Produkte, die mit Kindernahrung in Berührung kommen. Schweden will nachziehen: Umweltminister Andreas Carlgren teilte mit, man werde ein nationales Verbot erlassen, falls es zu keiner EU-weiten Regelung komme.
Verbot in Deutschland gefordert
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) forderte daraufhin die Bundesregierung auf, dem Vorbild der Nachbarländer zu folgen: „Bisphenol A und andere hormonaktive Substanzen haben in Produkten des täglichen Bedarfs absolut nichts verloren“, so Prof. Jürgen Rochlitz, Mitglied des Beirats der CBG. „Bisphenol A muss nun endlich aus Trinkflaschen, Spielzeug und Lebensmittel-Verpackungen verschwinden. Die Leugnung der Risiken durch BAYER, DOW und Co. darf nicht weiter zur Gefährdung der Verbraucher führen“, ergänzt Jan Pehrke vom Vorstand der CBG.
Jährlich werden von der Substanz rund 3,8 Millionen Tonnen produziert, der Stoff gehört damit zu den am meisten produzierten Chemikalien überhaupt. Neben den US-Firmen Dow Chemicals und Hexion sowie den taiwanesischen Unternehmen Nan Ya Plastics und Chang Chun Plastics ist der BAYER-Konzern einer der größten Hersteller. Die BAYER-Tochter MATERIAL SCIENCE produziert Bisphenol A in Krefeld, Antwerpen, Baytown/Texas, Map Ta Phut/Thailand und Shanghai/China. Im Verbund mit den Lobby-Verbänden der Kunststoff-Industrie wehrt sich BAYER seit Jahren mit Händen und Füßen gegen ein drohendes Verbot – obwohl dieses nur einen kleinen Teil des Marktes für Polycarbonate umfassen würde.
Neue Studien
Eine Reihe neuer Studien belegt die Risiken von BPA auch für Erwachsene. So stellte eine Untersuchung der englischen Peninsula Medical School einen möglichen Zusammenhang zwischen BPA und Herzkreislauferkrankungen fest. Hierfür waren 1493 Amerikaner im Alter zwischen 18 und 74 Jahren untersucht worden. Versuchsteilnehmer, die höhere Konzentrationen von Bisphenol A im Urin hatten, berichteten signifikant häufiger von Herzleiden als jene mit geringer Belastung. Wie genau die Chemikalie auf Herz und Gefäße wirkt, müsse nach Aussage der Studienleiter noch erforscht werden.
Mitte Juli wurde eine weitere Studie veröffentlicht, laut der eine BPA-Belastung den Hormonhaushalt von Frauen stören und zu Erkrankungen der Eierstöcke führen könne. Frauen die unter einem polyzystischen Ovariensyndrom leiden, weisen demnach einen höheren Gehalt an Bisphenol-A in ihrem Blut auf als gesunde Frauen. Die Krankheit wird durch eine Störung des Hormonhaushalt verursacht und führt zur Unfruchtbarkeit.
Bereits zu Beginn des Jahres gab es eine ähnliche Studie der Universität Harvard, laut der Bisphenol A nicht nur die Reifung von Eizellen beeinträchtigt, sondern auch den Verlauf einer Schwangerschaft gefährdet. 2005 hatten japanische Forscher ähnliche Beobachtungen gemacht, nachdem bei Frauen, die wiederholte Fehlgeburten erlitten hatten, ungewöhnlich hohe BPA-Werte nachgewiesen wurden.
Bundesregierung wartet ab
Die europäische Aufsichtsbehörde EFSA hatte den Grenzwert für Bisphenol A noch vor zwei Jahren gelockert. Dabei berief sich die Behörde skandalöserweise auf eine einzige, von der Industrie finanzierte Studie, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal publiziert war. Die Vielzahl von unabhängigen Studien, die zum größten Teil ein Gefährdungspotential fanden, wurde dabei bewusst ignoriert. Mehrere europäische Regierungen forderten daher eine Überprüfung der Position der EFSA. Eine ursprünglich für Ende Mai geplante Stellungnahme der EFSA soll nun im Herbst veröffentlicht werden.
So lange will auch die Bundesregierung abwarten, ein rasches Verbot wird derzeit nicht erwogen. „Wir warten die Stellungnahme der EFSA ab“, so Robert Schaller, Sprecher des Verbraucherministeriums gegenüber der taz. Dabei hatte sich sogar das Umweltbundesamt Mitte Juni unmissverständlich für gesetzliche Regelungen stark gemacht: „Die vorliegenden Kenntnisse sollten ausreichen, die Verwendung bestimmter Bisphenol A-haltiger Produkte aus Vorsorgegründen zu beschränken“, so UBA-Präsident Jochen Flasbarth.