26. Mai 2009
Verbände fordern: Kooperationsvertrag zwischen Uniklinik Köln und Bayer AG veröffentlichen
NRW-Beauftragte für Informationsfreiheit gibt Beschwerde wegen Nicht-Offenlegung statt
Acht Verbände aus dem Gesundheitsbereich, darunter die BUKO Pharma-Kampagne, medico international, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordern die Universität Köln auf, den im vergangenen Jahr geschlossenen Kooperationsvertrag mit der Bayer HealthCare AG offen zu legen. Die Organisationen fürchten die Ausrichtung pharmakologischer Forschung an rein wirtschaftlichen Kriterien sowie die Nicht-Veröffentlichung negativer Studienergebnisse. Außerdem fordern die Verbände, dass staatliche Einrichtungen an den Ergebnissen gemeinsamer Forschung angemessen partizipieren. Hintergrund ist die Kooperation des Bayer-Konzerns mit der Kölner Universitätsklinik auf dem Gebiet der Pharma-Forschung, in deren Rahmen in den Bereichen Onkologie, Kardiologie und Erkrankungen des Zentralnervensystems gemeinsame Studien durchgeführt werden sollen.
Unterdessen teilte die NRW Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit in der vergangenen Woche mit, dass der Auffassung der Universität, wonach der Vertrag in einen vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommenen Bereich falle, widersprochen werde (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2977.html).
Das heutige Schreiben der acht Organisationen im Wortlaut:
An das Justitiariat der Universität zu Köln
50923 Köln
Sehr geehrter Herr May,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. März, in dem Sie auf die Fragen unseres Offenen Briefes vom 18. November 2008 eingegangen sind. Mit diesem Brief hatten mehrere Organisationen gemeinsam um Auskünfte über die Kooperation der Universität zu Köln und der Bayer HealthCare AG gebeten.
Wir freuen uns, dass Sie in Ihrem Schreiben weitergehende Informationen über die Kooperation geben, als bisher öffentlich zugänglich waren. Dennoch werden unsere Fragen in wichtigen Punkten nicht vollständig beantwortet. Auch die Bayer AG war in ihrer Hauptversammlung am 12. Mai nicht bereit, Fragen zu den Vertragsbedingungen zu beantworten. Gleichzeitig teilte uns die NRW Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit, dass „der Auffassung der Universität, der Kooperationsvertrag falle in den vom Informationsfreiheitsgesetz NRW ausgenommenen Bereich von Forschung und Lehre, nicht gefolgt wird.“
Wir möchten Sie daher erneut um die Beantwortung der folgenden Fragen bitten:
1. Eigentumsverhältnisse:
Wem gehören die Erfindungen, die im Rahmen der Kooperation geschaffen werden? Welchen Anteil erhält die Universität aus Gewinnen, die Bayer Healthcare mit Produkten aus der Kooperation erzielt?
Die Angabe „erhalten die Beteiligten .. eine angemessene Vergütung nach den Vorgaben des Arbeitnehmererfindungsgesetzes“ lässt keine näheren Rückschlüsse zu. Die Universität ist nicht „Arbeitnehmer“ von Bayer, sondern Partner in einer Forschungskooperation. Deshalb ist davon auszugehen, dass auch die Universität eigene Mittel beisteuert, es wird Know-how und Infrastruktur der Universität genutzt. Deshalb sollte sie auch einen entsprechend definierten Eigentumsanteil haben. Hierzu führen Sie in Ihrem Brief aus: „Die Eigentumsverhältnisse richten sich nach der Sponsoreneigenschaft im Sinne von § 4 Abs. 24 AMG.“ Dort wird definiert „Sponsor ist eine natürliche oder juristische Person, die die Verantwortung für die Veranlassung, Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen übernimmt.“ Wir befürchten, dass dieser Paragraph im Sinne der Bayer HealthCare AG als alleinigem Sponsor ausgelegt wird.
Ihr Antwortschreiben vermittelt den Eindruck, dass alle Verwertungsrechte vollständig an Bayer HealthCare übergehen. Einer Mitsprache bei späteren Entscheidungen über die Verwertung der gemeinsam entwickelten Produkte wird damit von vorneherein die Basis entzogen. Da der Anteil der Universität an der Kooperation mit öffentlichen Geldern finanziert wird, dürfen die Produkte nicht völlig aus der öffentlichen Kontrolle entlassen werden.
2. Zeitpunkt der Zahlungen
Nach Ihren Angaben ist mit Zahlungen von Lizenzgebühren durch die Bayer HealthCare AG an die Universität „ab Vermarktungsbeginn“ zu rechnen. Das erscheint uns ungewöhnlich. Üblicherweise werden so genannte Milestone-Vereinbarungen getroffen: für bestimmte vorher festzulegende Ereignisse werden Zahlungen vereinbart, übliche Meilensteine in der Arzneimittelentwicklung sind zum Beispiel Abschluss der präklinischen Phase und Abschluss der klinischer Phase I bis III.
3. Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten
Es wird an der Universität Köln kaum vermeidbar sein, dass von Bayer geförderte Forschungsbereiche mit solchen Bereichen zusammen arbeiten, die nicht von Bayer gefördert sind. Wie wird sichergestellt, das „Geheimhaltungs- und Nichtverwendungspflichten“ nicht die weitere Forschung am Institut einschränken? Wer hat das letzte Wort bzgl. der Veröffentlichungen? Darf Bayer „marktschädliche“ Äußerungen redigieren?
4. Klinische Studien
Die Feststellung, durch eine Ethikkommission sei ein ordentlicher Ablauf klinischer Studien gesichert, ist irreführend. Ethikkommissionen sind gesetzlich vorgeschrieben und müssen prüfen, ob eine geplante Studie gegen ethische Regeln verstößt. Sie haben keine Kontrollfunktion für den Ablauf der Studie.
Wir halten es für notwendig, dass eine Bewertungsinstanz prüft, ob die in klinischen Studien am Menschen zu testenden Produkte notwendig sind und einen therapeutischen Mehrwert gegenüber existierenden Behandlungen erwarten lassen. Es muss vermieden werden, dass aus kommerziellen Gründen unnötige Studien durchgeführt werden. Ebenso muss sichergestellt werden, dass alle Ergebnisse der Studien veröffentlicht werden. Damit soll ein publication bias vermieden werden, der (z.B. aus kommerziellen Gründen) dazu führt, dass nur positive Studienergebnisse publiziert werden, negative Ergebnisse jedoch nicht.
Außerdem bitten wir Sie darzulegen, ob Uni-Forscher frei über den Abbruch einer Studie entscheiden dürfen, wenn sie die Gesundheit der Proband/innen gefährdet sehen, oder ob der Kooperationspartner Bayer das letzte Wort hat.
Wir, die unterzeichnenden Organisationen, halten aufgrund der vorliegenden Informationen eine Nachbesserung der Verträge in den benannten Punkten für notwendig. Medizinische Forschung darf nicht durch Kapitalinteressen gesteuert werden. Ihre Ausführungen vom 30. März lassen befürchten, dass die öffentlichen Interessen bei den Eigentumsverhältnissen an gemeinsamen Erfindungen nicht ausreichend berücksichtigt sind. Wir fordern, dass die Universität Miteigentümerin an den Erfindungen bleibt. Eine umfassende Klärung der aufgeworfenen Fragen liegt im öffentliche Interesse und ist nur mit Kenntnis der Originalverträge möglich. Deshalb fordern wir nochmals eine vollständige Offenlegung der Verträge.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Christian Wagner-Ahlfs, BUKO Pharma-Kampagne
Dr. Thomas Schulz, Vorstand Verband demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten
Philipp Mimkes, Vorstand Coordination gegen BAYER-Gefahren
Prof. Dr. Wulf Dietrich, Vorsitzender Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte (VdÄÄ)
Dr. Werner Rügemer, Vorstand Business Crime Control
Bernd Eichner, medico international
Kritische Medizinstudierende an der Universität Köln
Gesundheitsladen Köln