Chemikalien in Zigaretten
Blauer BAYER-Dunst
„Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert“, denken sich die Zigaretten-Hersteller und machen aus den Glimmstengeln wahre Gift-Cocktails. Auch an BAYER-Pestiziden dürfen die RaucherInnen ziehen.
Von John Jonik (USA)
Zigaretten enthalten Dutzende von Zusatzstoffen. So umfasst eine vom deutschen Verbraucherschutzministerium herausgegebene Aufstellung unter anderem Rum, Lakritze, Zucker, Glycerin, Zellulose, Alkohol, Milchsäure, Vanille und getrocknete Früchte. Um besonders Jugendlichen das Rauchen schmackhaft machen, werden Zigaretten mit Kakao, Honig und Aromen versüßt. Zusätze wie Menthol und Ammoniak verstärken die Sucht, indem sie den Hustenreiz lindern und die Nikotinaufnahme erhöhen. In den USA muss eine Zigarette nicht einmal mehr Tabak enthalten – der Geschmack lässt sich mit Zellulose und Aromastoffen vollständig simulieren.
Wenig bekannt ist, dass sich im Zigarettenrauch auch radioaktive Elemente wie Polonium finden. Denn Tabakpflanzen nehmen über Düngemittel radioaktives Blei auf, das zu dem hochgefährlichen Polonium zerfällt. Der Stoff setzt sich im Lungengewebe fest und verstrahlt über Jahre hinweg das umliegende Gewebe – im Tierversuch wurde hierdurch Lungenkrebs ausgelöst. In den Prozessen gegen die amerikanische Tabakindustrie kam heraus, dass den Zigarettenherstellern die Polonium-Kontamination seit langem bekannt ist und sie schon in den 50er Jahren Geheimstudien über die radioaktiven Gefahren von Tabakrauch erstellt hatten.
Weitere hochgefährliche Inhaltsstoffe von Zigaretten sind Pestizide. Tabakpflanzen gehören zu den am stärksten behandelten Kulturen – in den USA gehen rund 15 Prozent aller Agrochemikalien in den Tabakanbau. Die US-amerikanische Behörde „Governmental Accountability Office“ (GAO) legte im Jahr 2003 eine Liste von 37 Pestiziden vor, die im Tabakanbau eingesetzt werden und die sich größtenteils auch in Zigaretten nachweisen lassen. Elf dieser Agrogifte produziert BAYER, darunter berüchtigte Wirkstoffe wie Fenamiphos, Ethoprop, Endosulfan, Aldicarb, Disulfoton und Carbofuran. Nach Aussage des GAO „verursachen viele dieser Pestizide Schäden an Nerven und Atemwegen, die zum Tod führen können. Einige Wirkstoffe können Krebs auslösen und das ungeborene Leben schädigen“.
Fenamiphos, enthalten im BAYER-Produkt NEMACUR, Ethoprop (MOCAP), Disulfoton (DYSISTON), Carbofuran und Aldicarb (TEMIK) ordnet die Weltgesundheitsorganisation WHO allesamt der höchsten Gefahrenklasse („extrem gefährlich“) zu. Weitere Hersteller von Pestiziden im Tabakanbau – wenn auch nicht in dem Ausmaß wie BAYER, dem nach eigenen Angaben größten Hersteller der Welt – sind DOW CHEMICALS, BASF, SYNGENTA und DUPONT.
Nicht nur Pestizide, sondern auch die zur Bleiche von Zigarettenpapier eingesetzten Chemikalien enthalten Chlor. Im Zigarettenrauch findet sich daher auch das krebserregende Ultragift Dioxin, das bei der Verbrennung chlorhaltiger Stoffe entsteht. Nach Studien des Bundesumweltamtes liegt dabei die Dioxin-Belastung von Passiv-RaucherInnen sogar noch höher als die von RaucherInnen.
Ein großer Teil der Gesundheitsrisiken von Zigaretten geht auf die Vielzahl der kaum reglementierten Zusatzstoffe zurück. Reiner Tabak ist weit weniger gefährlich als der Chemikalien-Cocktail, den die Industrie daraus macht! Es ist daher unverständlich, dass in der Debatte um Rauchverbote und bei den Kampagnen gegen Zigaretten-Hersteller von diesen Gefahren und von den Interessen der beteiligten Unternehmen kaum die Rede ist. Zu „Big Tobacco“, den Profiteuren der Zigarettensucht, gehören nämlich nicht nur die großen Tabakfirmen, sondern auch die Hersteller von Düngemitteln, Pestiziden, Bleichstoffen, Zellulose, Aromastoffen und vielem anderen mehr.
Auf Zigarettenpackungen stehen zwar Angaben zum Teer- und Nikotingehalt, Gefahrenhinweise für Dioxin, Pestizide und radioaktive Substanzen fehlen jedoch vollständig. Auch in den Prozessen gegen die US-amerikanische Tabak-Industrie spielten diese Risiken keine größere Rolle. Dabei wäre es für Zigarettenhersteller wie auch für Aufsichtsbehörden schwer zu erklären, warum Dioxin und andere Ultragifte im Zigarettenrauch enthalten sind und nicht verboten werden – aber offenbar hat niemand dieses Verbrechen bislang öffentlich angeprangert.
Die Tabakfirmen haben die in den USA verhängten Strafen zum großen Teil mittels Preiserhöhungen auf die KäuferInnen abgewälzt. Eben diesen wird – von Herstellern wie auch von der Öffentlichkeit – die Schuld für ihre Erkrankungen gegeben, da den RaucherInnen die Gefährlichkeit von Zigaretten bekannt sei. Diese Argumentation ist aber nur zum Teil wahr. Sie lenkt ab von der Verantwortung der Industrie für die Vergiftung von Zigaretten und blendet die politische Einflussnahme aus, mit der die Produzenten verhindern, dass die Zusammensetzung von Zigaretten stärker reglementiert und das Auftreten bestimmter Giftstoffe im Zigarettenrauch verhindert wird.