Pervers: Berge in den Alpen dienen als Werbefläche. Was wollen die Konzerne denn noch alles beanspruchen – patentierte Gene reichen wohl noch nicht?
Blick (Schweiz), 20. Januar 2012
«Ein Berg ist kein Werbeobjekt!»
Multis rauben Jungfrau die Unschuld
LAUTERBRUNNEN – Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter projizierte das Schweizerkreuz an die Nordflanke der Jungfrau. Unter anderem auch das Logo des Pharmamultis Bayer. Das sorgt für Unmut.
Zum 100-Jahre-Jubiläum der Jungfraubahnen überlegte sich das Unternehmen etwas ganz spezielles: Ein riesiges Schweizerkreuz sollte die Jungfrau beleuchten. Lichtkünstler Gerry Hofstetter setzte das Vorhaben um: Das weisse Kreuz auf rotem Grund beleuchtete die Flanke. Nicht nur das: Pharma-Multi Bayer, Uhrenmarke Tissot und die Bekleidungsfirma Mammut liessen mit ihrem Logo den Berg erleuchten.
«Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt!» Geschäftsführerin Katharina Conradin von Mountain Wilderness zu Blick.ch: «Das stösst uns sauer auf.» Das Gebiet Jungfrau-Aletsch – übrigens ein Unesco-Welterbe – als Werbefläche zu missbrauchen, missfällt nicht nur ihrer Organisation.
Die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz bläst ins gleiche Horn. Gegenüber dem «Bund» sagt eine Sprecherin: «Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.»
Mountain Wilderness kritisiert nicht nur die Werbung, die an den Berg projiziert wurde, sondern auch die 18 Heliflüge, die notwendig waren, um die Ausrüstung für die Lichtinstallation auf den Berg zu bringen. «Diese Lärmbelästigung hätte vermieden werden können», sagt Conradin.
Ohne Sponsoring nicht möglich
Die Jungfraubahnen weisen daraufhin, dass die Aktion ohne Sponsoring nicht hätte finanziert werden können. Und Künstler Gerry Hofstetter verteidigt sich: Im Fussball oder Eishockey seien Sponsoren und Werbung viel präsenter und aufdringlicher.
Zum «Bund» sagt er: «Wir haben das dezent gemacht.» Aber er könne verstehen, wenn dies nicht allen Leuten gefalle.
Eine der Firmen, deren Logo grossflächig leuchtete, ist die Bekleidungsfirma Mammut. Einen Image-Schaden befürchtet die Firma durch die Aktion nicht. «Es handelt sich hier um eine einmalige Aktion im Rahmen des Jubiläums», sagt Sprecher Dominik Ryser zu Blick.ch. Die Reaktionen seien zudem durchwegs positiv gewesen. «Dass Berge in Zukunft als Werbefläche gebraucht werden, ist nicht abzusehen.» (num)
Werbung auf Berge projiziert
Kommentar von Marcus Knill, 20. Januar 2012
Grossflächtig leuchtete nachts an der Jungfrauwand ein Schweizerkreuz. Der Lichtkünstler Gerry Hofstetter hatte es an die Nordflanke der Jungfrau projiziert. Nun ist auch das Logo des Pharmamultis Bayer zu sehen. Auch die Uhrenmarke Tissot und die Bekleidungsfirma Mammut liessen jetzt ihr Logo am Berg erleuchten.
Das Ganze war als besonderes Projekt zum 100-Jahre-Jubiläum der Jungfraubahnen gedacht. Die Werbung stiess vielen sauer auf. “Das ist der Gipfel war zu hören bis: “Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt!
Folgende Frage scheint mir berechtigt: Dürfen im Jungfrau-Aletsch-Gebiet (übrigens ein Unesco-Welterbe) die Berge als Werbefläche missbraucht werden?
Die Sprecherin der Stiftung Landschaftsschutz sagte gegenüber dem “Bund: “Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.
Auch 18 Heliflüge, die notwendig waren, um die Ausrüstung für die Lichtinstallation auf den Berg zu bringen, wurden kritisiert: “Diese Lärmbelästigung hätte vermieden werden können.
Künstler Gerry Hofstetter verteidigt sich: Im Fussball oder Eishockey wären die Sponsoren und die Werbung viel präsenter.
Mein Eindruck: Dass so ein Event nicht ohne Sponsoring möglich ist, leuchtet ein. Doch müssten solche Aktionen nur mit einer Sonderbewilligung möglich sein. Wenn nicht, besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Berge zu
Werbeflächen verkommen könnten. Die Werbeflächen bei Sportveranstaltungen können übrigens nicht mit dieser Aktion verglichen werden. Werbung ja, aber in geregeltem Rahmen.