Guten Tag,
mein Name ist Valerie Williams. Ich bin Vorsitzende einer britischen Organisation, die sich für Kinder einsetzt, die durch hormonelle Schwangerschaftstests geschädigt wurden. Zu den Erkrankungen dieser Kinder zählen Herzfehler, fehlende Gliedmaßen, Hydrocephalus, fehlentwickelte Genitalien, Nierenschäden, Gaumenspalten und vieles mehr.
Ich bin selbst eine der Betroffenen. Mein Sohn Daniel leidet seit seiner Geburt an schweren Herzfehlern und Schädigungen der Genitalien. Verantwortlich hierfür ist der hormonelle Schwangerschaftstest Primodos der Firma Schering, den ich im September 1974 eingenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits sichere und einfache Urintests zur Feststellung einer Schwangerschaft. Trotzdem wurden hormonelle Tests weiter hergestellt und verschrieben.
Unser Verband ASSOCIATION FOR CHILDREN DAMAGED BY HORMONE PREGNANCY TESTS wurde 1978 gegründet. Eines unserer Ziele war ein endgültiges Verbot von Primodos. Ähnliche Organisationen gab es hier in Deutschland und in anderen Ländern.
Vier Wochen vor Gründung dieses Verbands hat mir die Firma SCHERING eine finanzielle Entschädigung angeboten. Im Gegenzug forderte Schering, dass ich mich nicht mehr öffentlich zu dem Thema äußere. Daher lehnte ich das Angebot ab. Der Vergleich, der mir angeboten wurde, zeigt, dass Primodos für die schrecklichen Schäden meines Sohne verantwortlich war. Ich frage die Verantwortlichen bei Bayer Schering: warum wurde das Vergleichs-Angebot wieder zurückgezogen? Warum leugnen Sie trotzdem Ihre Verantwortung?
Für mich als Mutter war es herzzerreißend, als sich mein Sohn mit sechs Jahren vollkommen von seiner Umgebung abkapselte. Wegen der zahlreichen Operationen konnte er sein Leben mental und physisch nicht mehr bewältigen.
Wie mir erging es Tausenden von Frauen, die dieses Präparat zwischen der fünften und zehnten Schwangerschaftswoche einnahmen. Zu diesem Zeitpunkt der Schwangerschaft ist der menschliche Fötus in der empfindlichsten Phase seiner Entwicklung. Viele Frauen, die in diesem Zeitraum Primodos einnahmen, erlitten Fehlgeburten.
1976 wurde mir erneut Primodos verschrieben, dieses Mal zur Behandlung einer Amenorrhoe. Nun trug die Packung die Aufschrift „Nicht in der Schwangerschaft einnehmen. Kann Herzfehler bei Föten verursachen“.
Primodos, das in Deutschland unter dem Namen Duogynon verkauft wurde, war in England rund 20 Jahre auf dem Markt. 1978 wurde es in England als Schwangerschaftstest verboten.
Ich möchte Sie, liebe Aktionäre und auch Sie im Vorstand fragen, wie Sie sich fühlen würden, wenn Ihr Kind wegen eines Hormonpräparats schwerwiegende Behinderungen erlitten hätte?
Primodos enthielt die selben Hormone wie Antibaby-Pillen, nur in viel höherer Konzentration. Als Primodos im Jahr 1958 auf den Markt kam, teilte die Firma Schering mit, dass schwangere Frauen und Föten in keinster Weise geschädigt würden. Da Schering heute zu Bayer gehört, frage ich den Vorstand: welchen Beweis gab es für diese Aussage? Welche Untersuchungen wurden hierfür durchgeführt?
Tatsächlich gab es schon zu diesem frühen Zeitpunkt Untersuchungen, die eine Verursachung von Geburtsschäden belegten.
In den 60er Jahren führte die Kinderärztin Isabel Gal Studien durch, die einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Primodos und dem Auftreten von Spina Bifida, dem sogenannten Offenen Rücken, belegten. Ihre Ergebnisse wurden in dem Wissenschafts-Magazin Nature veröffentlicht. Dr. Gal kam zu dem Ergebnis, dass die Verwendung dieses Medikaments unnötig und nicht zu rechtfertigen sei.
Kurz darauf schrieben zwei medizinische Berater von Schering einen Brief an die Schering-Zentrale in Deutschland und warnten vor den Risiken von Primodos. Die Zeitung Sunday Times hat diesen Brief veröffentlicht. Darin heißt es wörtlich: „Wir müssen bezüglich des möglichen Zusammenhangs von Primodos und Geburtsschäden zu einer Lösung kommen. Als Hersteller ist es unsere moralische Pflicht, alles Menschenmögliche zu unternehmen, die Sicherheit unserer Produkte zu gewährleisten.“
Sogar eine Petition von 200 britischen Abgeordneten warnte vor Primodos. Meine Frage an Sie lautet daher: Warum hörte Schering nicht auf die Warnungen seiner eigenen medizinischen Berater? Warum wurden die Hinweise unabhängiger Wissenschaftler nicht berücksichtigt?
Nach Schätzungen von Dr. Claus Newman, einem bekannten britischen Pädiater, sind hormonelle Schwangerschaftstests für mehr Schädigungen verantwortlich als Contergan. Eine Studie des ROYAL COLLEGE OF GENERAL PRACTITIONERS zeigte 1969, dass Hormontests zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Fehlgeburten führten. Dr. Dean, der Studienleiter, empfahl ein sofortiges Verbot solcher Tests. Die französische Firma Roussel, die ein ähnlich wirkendes Präparat herstellte, stellte noch im selben Jahr die Produktion ein. Schering hingegen beließ Primodos auf dem Markt und sandte keinerlei Warnungen an die Ärzte, so dass es noch jahrelang verschrieben wurde.
Meine Frage lautet: Warum hat Schering nicht die selben Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wie Roussel? Warum hat Schering nicht die Ärzte und die Behörden über die Risiken informiert? Warum reagierte die Firma stets so spät?
Ich frage Sie im Vorstand, ob Sie tief in Ihrem Herz und Ihrem Gewissen zugeben können, dass diese Hormonpräparate niemals an Föten hätten verwendet werden sollen?
Ich frage weiterhin: ist Ihnen bewusst, dass die selben künstlichen Östrogene auch heute noch in Antibaby-Pillen verwendet werden? Neben gesundheitlichen Risiken führt dies auch zu großen Umweltproblemen: Die künstlichen Hormone können vom Körper nicht abgebaut werden und werden mit dem Urin ausgeschieden. Hierdurch kommt es zu einer Anreicherung in Gewässern und der gesamten Natur.
Ich frage Sie: wie rechtfertigen Sie die ungezählten Fehlgeburten, und die Tausenden von Kindern, die wegen ihrer Schädigungen kurz nach der Geburt starben? Seit 40 Jahren erleben wir die Leiden unserer Kinder. Wie rechtfertigen Sie die Tausenden von schweren Fehlbildungen?
Auf der homepage von Bayer Schering heißt es: „Mit seiner ausgeprägten Forschungskompetenz entwickelt das Unternehmen neue Medikamente und Therapien, die zur Steigerung der Lebensqualität von Patienten beitragen.“ Ich fordere, dass Sie auch öffentlich darauf hinweisen, dass einige Ihrer Produkte nicht sicher sind und großes Leid verursacht haben.
Eine ausführliche Chronologie der Primodos-Erkrankungen stelle ich allen Interessierten gerne zu Verfügung. Liebe Aktionäre, ich fordere Sie auf, die permanent geschlossenen Scheuklappen dieses Pharmaunternehmens zu öffnen. Tausende von Eltern in aller Welt warten auf eine ehrliche Aussage von Bayer Schering zum Thema Primodos und auf eine Entschuldigung dieses Unternehmens.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.