Standort-Forschung
Die Uni-Kooperationen der BAYER AG
Im Frühjahr vereinbarte der Leverkusener BAYER-Konzern mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Auch andere Universitäten und Forschungseinrichtungen zeigen sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Multi. Von der Politik massiv gefördert, hat der Konzern bereits über 800 solcher Allianzen geschmiedet. „Standort-Forschung“ heißt die Devise, und das Produkt ist das Ziel. Was die Welt im Innersten zusammenhält, interessiert in den Laboren immer weniger.
„Der Informationsaustausch auf höchstem wissenschaftlichen Niveau und der breite Zugang zu Wissen ist gerade für ein Unternehmen wie BAYER – mit dem größten Forschungsbudget unserer Branche in Deutschland – eine entscheidende Voraussetzung für Innovationen“, konstatiert der im Konzern-Vorstand für Forschung zuständige Wolfgang Plischke. Einen neuen großen Zugang zu Wissen verschaffte sich der Leverkusener Multi im Frühjahr 2008. Er vereinbarte mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, begeisterte sich Innovationsminister Andreas Pinkwart auf einer Pressekonferenz. Die Allianz, der bereits ein gemeinsames pharmakologisches Wirken an 30 Therapeutika vorausging, umfasst Arzneistoff-Forschungen zu Krebs, Herz/Kreislauf-Erkrankungen und Störungen des Zentralen Nervensystems. Wenn die TeamworkerInnen dann aussichtsreiche Wirkstoff-Kandidaten entdeckt haben, so können sie diese gleich um die Ecke testen – im nagelneuen „Zentrum für Klinische Studien“ der Universität. Und damit das Projekt auch den passenden Nachwuchs bekommt, hat der Pillen-Riese ein Graduierten-Kolleg für DoktorandInnen initiiert. „Die Uni-Klinik hat die Grundlagen-Forschung und die Nähe zum Patienten. Wir haben Methoden, um aus einer Idee oder einem Erfolg versprechenden Ansatz die Herstellung eines Arzneimittels zu beschleunigen“, so beschreibt Wolfgang Plischke die Synergie-Effekte. BAYER bringt in die neue Beziehung jährlich „einen soliden sechsstelligen Betrag“ ein – eine lohnende Investition, erwartet der Multi von der „bevorzugten Partnerschaft“ doch „deutliche Vorteile bei der Positionierung im internationalen Wettbewerb“.
800 Kooperationen
800 Kooperationen dieser Art unterhält der Global Player mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen im In- und Ausland. Sie reichen von Forschungen zu Alzheimer und zur Kombinatorischen Chemie über die Beteiligung an Protein-, Katalyse- und Werkstoff-Exellenzclustern bis hin zu wissenschaftlichen Kooperationen in den Bereichen „Unternehmensstrategien und Personalmanagement“, „Photovoltaik“ und „Veterinärmedizinische Dermatopharmakologie“. Die Bundesregierung fördert dieses Teamwork massiv. So hat das „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ (BMBF) eine „Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft“ ins Leben gerufen. Sie zählt unter anderem die ehemalige BAYER-Forscherin Helga-Rübsamen-Waigmann zu ihren Mitgliedern, an deren Unternehmen AICURIS der Leverkusener Multi einen Geschäftsanteil von zehn Prozent hält. Die Bewilligung von Fördergeldern macht das BMBF sogar von der Bildung von Netzwerken zwischen Unternehmen und Universitäten abhängig. Den „Wissenstransfer“ von den Hochschulen zur Industrie zu fördern, gilt ihm als wichtiges Instrument der Standort-Politik. Auf 17 „Zukunftsfeldern“ will das BMBF diesen im Rahmen ihrer Hightech-Strategie beschleunigen, „um unser Land an die Weltspitze der wichtigsten Zukunftsmärkte zu führen“. Die „Pharma-Initiative für Deutschland“ hat sich beispielsweise vorgenommen, die Bundesrepublik wieder zur „größten Apotheke der Welt“ machen. Dafür unterstützt sie Projekte „zur Kommerzialisierung wissenschaftlicher Ideen“ und veranstaltet den „Biopharma“-Strategie-Wettbewerb. Dieser „ruft unternehmerisch geführte Konsortien auf, sich mit den besten langfristigen Konzepten für eine effiziente Gestaltung der biopharmzeutischen Wertschöpfungskette zu bewerben“. BAYER hat den Ruf sogleich erhört und flugs mit der Berliner Charité, der Universität Köln und den Firmen Magforce Nanotechnologies und Kinaxo Biotechnologies ein solches Konsortium gebildet. Mit dem Vorhaben, Therapie-Verfahren zur Tumorbehandlung zu entwickeln, hat es auch gute Chancen, zu den fünf Biopharmern zu gehören, die sich die ausgelobten 100 Millionen Euro teilen dürfen: Die Runde der letzten Zehn hat das Netzwerk bereits erreicht. Mit ähnlichen Verbünden zur Katalyse, Genomforschung, zur molekularen Bildgebung, zur Kohlendioxid-Reduktion in der Chemie-Produktion, zum Medikamententransport in der Leber, zu Nierenerkrankungen, zur Individualisierung von Arzneimittel-Therapien, zur Gefährlichkeit der Nanotechnik und zur Verfahrenstechnik konnte der Leverkusener Multi in der Vergangenheit bereits BMBF-Gelder einstreichen.
Netzwerker BAYER
Daneben hat der Pillen-Riese noch zahlreiche andere Möglichkeiten gefunden, WissenschaftlerInnen und Wissenschaftseinrichtungen an sich zu binden und auf diese Weise seinen Wissensdurst zu stillen. So vergibt er Forschungspreise, lobt Stipendien aus, stiftet Lehrstühle und stellt eigenes Personal als Honorar-Professoren ab. Im Herbst 2007 hat der Konzern ein DozentInnen-Treffen veranstaltet, das laut Wolfgang Plischke dazu diente, ein lebendiges Netzwerk mit jungen Habilitanden und Professoren aufzubauen. „Eine langfristige Zusammenarbeit dieser besten Köpfe innerhalb- und außerhalb unseres Unternehmens wird für beide Seiten von großem Nutzen sein“, prophezeite BAYERs Forschungschef. Als Gastredner bei dem Treffen konnte er den Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Dr. Ferdi Schüth, verpflichten, denn zu dieser Institution hat der Global Player von jeher die besten Beziehungen. So sitzt der frühere DFG-Präsident Ernst-Ludwig Winnacker, der mittlerweile als Generalsekretär des Europäischen Forschungsrats über einen Förderetat von einer Milliarde Euro gebietet, im Aufsichtsrat des Unternehmens. Aber der Chemie-Multi hat auch direkten Einfluss auf die Forschungspolitik im Lande: Der BAYER-Chef Werner Wenning gehört Angela Merkels „Rat für Innovation und Wachstum“ an. Und für die Umsetzung des dort Erarbeiteten vor Ort kann der Agro-Riese auch selbst sorgen, denn er hat in so manchen Hochschulgremien ein Wörtchen mitzureden.
Hochschulrat BAYER
Um aus den hehren Bildungstempeln Umschlagplätze für Wissen zu machen, welches profanes Profitstreben dann zu Produkten weiterverarbeitet, mussten die Parteien die Hochschulpolitik einer grundsätzlichen Revision unterziehen. „Genau solche Vorhaben erhoffen wir uns vom Hochschulmedizingesetz, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist“, lobte NRW-Minister Andreas Pinkwart die unheilige Allianz zwischen BAYER und der Universität Köln, „Das neue Gesetz gibt den nordrhein-westfälischen Universitätskliniken mehr Autonomie und mehr Gestaltungsspielräume und verbessert auch die Bedingungen für Kooperationen mit privaten Unternehmen“. Entstanden ist das Hochschulmedizingesetz mit freundlicher Unterstützung der Unternehmensberatung Roland Berger. Für den großen Bruder dieses Paragrafenwerkes, das Hochschulfreiheitsgesetz, hat wiederum das Bertelsmann-eigene „Centrum für Hochschulentwicklung“ nicht nur den Namen, sondern auch viele Inhalte geliefert. Von welcher Beschaffenheit die Freiheit ist, die sie meinen, hat der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge analysiert. „Die Freiheit, von der da die Rede ist, bedeutet in Wirklichkeit Marktabhängigkeit. Statt ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, müssen sich die Hochschulen demnächst um die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Wissens kümmern. Freiheit in Forschung und Lehre heißt ja gerade auch frei zu sein von den Zwängen eines marktorientierten Wirtschaftsunternehmens. Aber genau dazu werden die Hochschulen dann gemacht“, so Butterwegge.
Und das besorgt vor allem der Hochschulrat, weshalb neben Bertelsmann auch die Unternehmensvereinigung „Stifterverband für die deutsche Wissenschaft“, in dessen Kuratorium BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider sitzt, leidenschaftlich für ein solches Gremium stritt. An dieses Organ tritt der Staat seine Aufsichtspflichten ab. Nicht mehr der Minister, der Hochschulrat ist nunmehr oberster Dienstherr der Bildungseinrichtung. Er bestimmt über die strategische Ausrichtung der Universität, beaufsichtigt die Geschäftsführung, muss die Zustimmung zum Hochschulentwicklungsplan, zum Wirtschaftsplan und zur „unternehmerischen Hochschultätigkeit“ geben und wählt den Rektor. Mindestens die Hälfte seiner Mitglieder müssen Externe aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft sein. Sie sollten „auf Grund ihrer hervorragenden Kenntnisse und Erfahrungen einen Beitrag zur Erreichung der Ziele und Aufgaben der Hochschule leisten können“, so will es das Gesetz.
KünstlerInnen oder SchriftstellerInnen haben es bislang aber kaum zu Hochschulräten gebracht, dafür tummeln sich unter ihnen auffällig viele Wirtschaftsvertreter. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. BAYER-Vorstand Richard Pott sitzt im Hochschulrat der Universität Köln. Während beispielsweise die RWTH Aachen Wert darauf legt, keine/n VertreterIn von Unternehmen, die in Kooperation mit der Hochschule auf dem Campus forschen, mit einem Hochschulratsmandat zu betrauen, kann Pott in Köln nach Herzenslust selber die neue Medikamentenschmiede des Konzerns beaufsichtigen. Unterstützung erfährt er dabei von Dr. Andreas Radbruch, der 1988 bis 89 eine von BAYER bezahlte Dozentur am universitätseigenen Institut für Genetik wahrnahm und jetzt eine Professur an der Berliner Charité innehat. Potts Kollegin Ilka von Braun bestimmt derweil die Geschicke der in Saarbrückeen ansässigen „Deutsch-Französischen Hochschule“ mit, Helga Rübsamen-Waigmann gehörte schon in ihrer BAYER-Zeit dem Hochschulrat der Universität Wien an und nimmt das Amt noch bis mindestens 2013 wahr, während Fred-Robert Heiker diese Aufgabe lange an der Universität Hohenheim versah.
„Hochschul(-ver)rat“
Die Studierenden protestierten überall gegen die Einführung der Hochschulräte, am schärfsten aber in Köln. „Damit wird die studentische Mitbestimmung weiter abgebaut und die (…) kapitalistische Verwertungslogik weiter bedient“, erklärten dort die StudentInnen und setzten sich zur Wehr. Sie hielten Kundgebungen auf dem Campus ab, veranstalteten Aktions- und Infocamps und besetzten das Rektoriat, bis die Polizei mit 100 Einsatzkräften das Gebäude stürmte. Zur konstituierenden Sitzung des Hochschulrates riefen verschiedene Gruppen zu einem großen „Reclaim the Uni“-Event auf, „um die LobbyistInnen von BAYER, IBM, Deutscher Bank usw. ins Exil nach Liechtenstein zu schicken“, so dass das Gremium schließlich unter Polizeischutz tagen musste.
Der Kölner Herz-Spezialist Prof. Erland Erdmann dürfte sich ebenfalls nicht allzu sehr über die BAYER-Präsenz an seiner Universität freuen. Noch im November 2007 hatte er nämlich über die zunehmende Abhängigkeit der Pharma-Forschung von der Industrie geklagt. Seit sich der Staat aus der Finanzierung von Arznei-Studien weitgehend zurückgezogen hat, stehen Erdmann zufolge als Geldgeber nur noch die Pillen-Riesen zur Verfügung. Und die verlangen Gegenleistungen: „Bevor man als Wissenschaftler die Ergebnisse einer solchen klinischen Studie veröffentlichen könne, müsse man den zur Publikation vorgesehenen Bericht in der Regel erst dem Sponsor vorlegen. Marktschädliche Äußerungen könnten dabei dem Rotstift zum Opfer fallen“, gibt die Faz seine Worte wieder.
Ob der Arzt dabei von Erfahrungen berichtet, welche die Kölner MedizinerInnen bei den 30 schon länger gemeinsam mit BAYER betriebenen Arzneimittel-Projekten gesammelt haben? Möglich wärs, denn der wissenschaftlichen Wahrheit fühlen sich die Medikamenten-Tests des Leverkusener Multis oftmals nicht verpflichtet. So erprobte der Pharma-Riese im Jahr 2000 sein Antibiotikum CIPROXIN an 650 britischen Krankenhaus-PatientInnen, ohne auf andere Expertisen zu verweisen, nach denen CIPROXIN im Zusammenspiel mit anderen Pharmazeutika seine Wirksamkeit verlieren kann. Mindestens einen Patienten brachte eine Infektion auf diese Weise in Lebensgefahr. Der an den Untersuchungen beteiligte Chirurg Stephen Karran hatte vergeblich versucht, dies zu verhindern. „Obwohl ich zu Beginn der Tests auf die Probleme hingewiesen habe, wurde die Studie im ganzen Land unverändert durchgeführt“, so Karran, der BAYER mit dieser Kritik auf der Hauptversammlung von 2001 auch direkt konfrontierte.
Wie Arzneimittel-Tests made by BAYER immer das gewünschte Ergebnis erzielen, enthüllte das arzneimittel-telegramm im Jahr 2003 am Beispiel des Diabetikums GLUCOBAY (Wirkstoff: Acarbose). Was zu beweisen war, das war die segensreiche Wirkung des Präparates auf den Blutdruck und das Herz/Kreislaufsystem der Zuckerkranken. Und das gelang dem Leverkusener Multi durch verschiedene Operationen. Zunächst einmal redeten die werkseigenen PharmakologInnen ein gehöriges Wörtchen bei der Konzeption der Studie mit. Dann schlossen die WissenschaftlerInnen 61 TeilnehmerInnen aus, die sich als therapie-resistent zu erweisen drohten. Anschließend betrieb der Konzern bei den Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen der klinischen Erprobung ein Verwirrspiel; sie schwankten je nach Veröffentlichungsort. Mal hatten 15 GLUCOBAY-PatientInnen unter Herz/Kreislaufproblemen zu leiden und 32 Placebo-ProbandInnen, dann wieder 33 bzw. 39. Eine ähnliche Variationsbreite wiesen die Informationen zum Gewichtsverlust der TeilnehmerInnen auf. Und zu schlechter Letzt erschließt sich der Sinn der Übung, den blutdrucksenkenden Effekt des Mittels zu demonstrieren, kaum, weil BAYER sich nicht darauf festlegen mochte, ob nun 46 Prozent der ProbandInnen mit Bluthochdruck in den Test gingen oder 51 Prozent. Das arzneimittel-telegramm zieht deshalb das folgende Fazit: „Ein Nutzen von Acarbose (GLUCOBAY) zur Senkung des Risikos kardiovaskulärer Erkrankungen bei PatientInnen mit erhöhtem Blutzucker ist nicht belegt. Der jetzt publizierte angebliche Nutzen-Nachweis durch die STOP-NIDDM-Studie beruht auf Daten-Manipulation zu Gunsten von Acarbose. Die behauptete Senkung des Hypertonie-Risikos durch Acarbose lässt sich wegen eklatanter Differenzen in den Ausgangsdaten zum Bluthochdruck nicht beurteilen. Die Publikationen der STOP-NIDDM-Studie enthalten eine Fülle weiterer grober Ungereimtheiten, die nicht nur Zweifel an der Seriosität, sondern auch Verdacht auf gezielte Eingriffe aufkommen lassen“.
Während der Chef der „Europäischen Arzneimittel-Zulassungsbehörde“, Thomas Lönngren, angesichts dieser von BAYER und anderen Pharma-Unternehmen geübten Praxis fordert: „Wir brauchen mehr unabhängige Studien, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden“, geht die Uniklinik Köln den umgekehrten Weg. Ihr Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. med. Eugen Schömig sieht da keinerlei Probleme. „Durch strenge wissenschaftliche Regularien bei den Studien und intensiven regelmäßigen Austausch bleibt die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Forschung gewahrt“, beteuert er.
Diktierte Verträge
Dabei ist diese Unabhängigkeit der Forschung nicht nur durch die Kreativität der Konzerne bei der Gestaltung von klinischen Arznei-Tests bedroht, denn die Kooperationsabkommen haben es in sich. Sie stiften eher eine Zwangsehe als eine mehr oder weniger „bevorzugte Partnerschaft“. Von „diktierten“ Verträgen sprach die bei der TU Dortmund für Forschungsangelegenheiten zuständige Brigitte Trimpe deshalb auf einer Veranstaltung, welche das „Zentrum für Gewerblichen Rechtsschutz“ der Universität Düsseldorf initiiert hatte, um ihren mit Hilfe von BAYER und anderen Unternehmen erarbeiteten Mustervertrag zur Debatte zu stellen. Auch der Leverkusener Multi kennt da kein Pardon, wie BAYER HEALTH CAREs Patent-Experte Dr. Dieter Linkenheil bei dem Treffen freimütig einräumte. In der Regel lege das Unternehmen einen von ihm entwickelten Vertragsentwurf vor, so Linkenheil. Und so sehen die Vereinbarungen auch aus. Die Universitäten verpflichten sich darin zumeist, auf eine „negative Publikationsfreiheit“ zu verzichten, d. h. über fehlgeschlagene Experimente den Mantel des Schweigens zu hüllen. Auch vorher schon haben sich die WissenschaftlerInnen Beschränkungen aufzuerlegen. Übten sie früher den freien akademischen Austausch, so gilt heutzutage das, was in den Laboren geschieht, als „Betriebsgeheimnis“. Zudem verlangen die Multis von ihren Partnern, schon im Frühstadium der Zusammenarbeit alle Rechte an den Erfindungen abzutreten. In Düsseldorf traten Linkenheil, Dr. Elmar Bramer-Weger von BAYER MATERIAL SCIENCE sowie alle anderen KonzernvertreterInnen für eine Vorausabtretung der Rechte an den Forschungsergebnissen ein. Diese Firmen-Strategie sorgt für den meisten Streit in den Beziehungen zwischen den Firmen und den Universitäten. Erweist sich nämlich ein Projekt am Markt als besonders profitabel, haben die Hochschulen das Nachsehen. Hannes Lehmann von TU Dresden machte darum den Vorschlag zur Güte, in die Kontrakte wenigstens eine „Bestseller-Klausel“ einzubauen, die Erfolgsprämien ermöglicht. Darüber war aber mit den Konzern-Emissären nicht zu reden. Schließlich trügen die Unternehmen doch auch das wirtschaftliche Risiko, entgegnete Dr. Bramer-Weger dem Dresdener Forschungsbeauftragten. Deshalb dürfte die „Bestseller-Klausel“ auch in dem zwischen BAYER und der Universitätsklinik Köln getroffenen Agreement fehlen. Genaueres dazu konnte Stichwort BAYER nicht in Erfahrung bringen. „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir zum Inhalt bestehender Verträge aus rechtlichen Gründen keine Auskunft geben“, antwortete die Uniklinik-Pressesprecherin Sina Vogt auf eine entsprechende Nachfrage.
So sieht sie also aus, die „freie und wettbewerbsorientierte Wissensgesellschaft“, die Forschungsministerin Annette Schavan bei der Vorstellung der „Hightech-Strategie für Deutschland“ beschwor. BAYER hätte alles gerne noch ein wenig freier und wettbewerbsorientierter – und ruft nach dem Staat, um seine Pillen-Produktion an Profit-Höchstgrenzen zu treiben. „Wie müssen darstellen, wie die Politik ordnungspolitisch dazu beitragen kann, Wachstums- und Innovationspotenziale dieser Industrie stärker zu fördern. Das erfordert ein Zusammenwirken der Forschungs-, Wirtschafts- und Gesundheitpolitik“, drängt Forschungsvorstand Wolfgang Plischke.
Von Jan Pehrke
BAYERs Wissenschaftssallianzen
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Forschungskooperationen mit Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen. Hier einige Beispiele:
· Helmholtzzentrum für Infektionsforschung: Krebsbehandlung
· Universität Kiel, IONGATE, CELL CULTURE SERVICES GmbH: Medikamententransport in die Leber
· Universität Dortmund: Preise für beste Abschlüsse im Bio- und Chemie-Ingenieurswesen
· RWTH Aachen: Katalyse-Forschung
· Max-Planck-Gesellschaft: Chemical Genomics Centre
· FAU Erlangen: Exzellenzcluster zur Materialforschung
· Universität München: Exzellenzcluster zur Proteinforschung
· Universität Halle: Stipendien
· Freie Universität Berlin: Stipendien, Tierimpfstoff-Datenbank
· Freie Universität Berlin, Humboldt-Uni, TU Berlin, Universität Potsdam, Max-Planck-Gesellschaft: Exzellenzcluster „Katalyse“
· Ruhr-Universität Bochum: Werkstoff-Forschung
· Universität Leipzig: Kombinatorische Chemie
· Universitäten Karlsruhe und Gießen: Finanz- und Steuerportal
· Universität Marburg: Kunststoff-Forschung
· Universität Münster: Arteriosklerose-Forschung
· Universität Gießen: Betablocker für Hunde
· Universität Rostock: Förderung des Forschungsverbundes zur Knochenregeneration, neue chemische Verfahren
· Bergische Universität Wuppertal: Unternehmensstrategien und Personalmanagement
· Berliner Charité: Anschubfinanzierung für die Arzneimitteltest-GmbH
· Tierärztliche Hochschule Hannover: Stiftungsprofessur „Veterinärmedizinische Dermatopharmakologie“
· Fachhochschule Köln: Forschung an sichereren Analyse-Verfahren für Chemikalien
· Fraunhofer-Institut: Software zur Arznei-Entwicklung, Datenspeicher-Technologie für Sicherheitsanwendungen
· Forschungszentrum Jülich: Photovoltaik, Biokatalyse, Neurowissenschaften und Biophysik
· Universität Navarra (Spanien): Lymphdrüsenkrebs
· Universität Stanford: Molekulare Bildgebung
· Universität Tomsk (Russland): Klinische Studien mit einem Antibiotikum
· Universität Tongji (China): BAYER-Lehrstuhl für Umweltpolitik und Nachhaltige Entwicklung
· Universität Melbourne: Alzheimer
· Texas Tech Universität: BAYER-Lehrstuhl „Molekulargenetik von Baumwolle“
· China Europe International Business School: Zentrum für Gesundheitspolitik, BAYER-Lehrstuhl „Marketing“, Kongress-Veranstaltungen, Kooperation bei der Weiterentwicklung der chemischen und pharmazeutischen Industrie Chinas