Buko Pharmakampagne (www.bukopharma.de)
Pharmabrief Nr.7, Aug/Sept 2008
Neue Mittel gegen Weiße Pest?
Hoffungsträger der TB Alliance mit Nebenwirkungen
Bis heute ist die Tuberkulose oder weiße Pest, wie sie früher genannt wurde, eine gefürchtete Infektionskrankheit. Die Global Alliance for TB Drug Development1 hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vernachlässigte Forschung anzukurbeln. Jetzt feiert sie erste Erfolge. Aber bringen die neuen Mittel tatsächlich Verbesserungen?
2006 erkrankten über neun Millionen Menschen, 1,7 Millionen starben. Rund 500.000 PatientInnen waren mit der schwer behandelbaren multiresistenten Tuberkulose infiziert – Tendenz steigend.2 Seit den 1970er Jahren lag das Feld der Tuberkulose-Forschung brach. Sämtliche Standardantibiotika, die heute zur TB-Therapie angewendet werden, stammen aus den vierziger bis sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Neues Forschungsinteresse keimte erst auf, seit in Osteuropa TB-Formen auf dem Vormarsch sind, die nicht mehr auf die gängigen Medikamente ansprechen.3
Wichtige Ursachen für die Ausbreitung resistenter Krankheitsformen sind die unregelmäßige Medikamenteneinnahme, vorzeitige Therapieabbrüche und eine unterbrochene Versorgung. Eine Verbesserung der langwierigen und nebenwirkungsreichen Behandlung könnte die Therapietreue der PatientInnen stärken. Daher besteht dringender Bedarf an bezahlbaren Medikamenten, die die Therapiedauer verkürzen. Nötig wären auch neue Wirkstoffe gegen resistente TB-Formen.
Hoffnung oder fauler Apfel?
Erste Erfolge ihrer Forschungsaktivitäten hat die TB-Alliance nun bekannt gegeben: Die Wirksamkeit von Moxifloxacin gegen TB wird nun in einer klinischen Studien der Phase III an PatientInnen in Kenia, Südafrika, Tansania und Sambia getestet. Moxifloxacin wurde 1991 von Bayer als Antibiotikum auf den Markt gebracht. In den jetzt angelaufenen Studien soll herausgefunden werden, ob Moxifloxacin in Kombination mit drei weiteren TB-Antibiotika die Behandlungsdauer der nicht resistenten TB um mindestens zwei Monate verkürzen kann. Moxifloxacin soll dabei eines der Standardantibiotika (Ethambutol oder Isoniazid) ersetzen.
Die TB-Alliance hofft, dass Moxifloxacin bis 2011 seine Zulassung gegen TB erlangt.4 Doch es gibt auch schwerwiegende Kritik: Im Gegensatz zur TB-Alliance, die das Medikament als sicher und nebenwirkungsarm einstuft, hat die Europäische Zulassungsbehörde EMEA jüngst eine Einschränkung der Anwendung angeordnet.5 Bayer musste vor gravierenden Schäden bis hin zum tödlichen Leberkoma warnen.6 Von der TBAlliance erhielten wir bis Redaktionsschluss keine Auskunft, ob das Einfluss auf den Fortgang der Versuche hat.
Bayer und die TB-Alliance betonen zwar, dass das Medikament, sollte es zum Einsatz kommen, zu einem bezahlbaren Preis zur Verfügung stehen wird. Es fällt jedoch schwer, das zu glauben. In Indien, dem weltweit wichtigsten Generika produzierenden Land, hat die Firma gleich mehrere Patentanträge gestellt.7 Und Bayer hat letztes Jahr die generische Produktion von Mofloxacin in den USA gerichtlich verhindert und stolz verkündet, dass sein Patent dort bis mindestens 2014 gilt.8
Ein weiteres Mittel der TB-Alliance, PA-824, hat die klinische Phase II erreicht. Hierbei handelt es sich um ein völlig neues Medikament, ein Hoffnungsträger für die Behandlung der MDR-TB. 2002 erwarb die TB Alliance die Rechte an dem Mittel für arme Länder von Chiron (heute Novartis). Damit kann das Antibiotikum, sollte es tatsächlich wirken, in besonders betroffenen armen Ländern preiswert, weil ohne Lizenzgebühren, zum Einsatz kommen.9
In wieweit Novartis im Falle des Falles in Ländern mit mittlerem Einkommen auf mögliche Einnahmen aus Lizenzgebühren verzichtet, wird aber eine Frage des öffentliches Drucks bleiben. Gerade für die von Tuberkulose schwer betroffenen Länder Osteuropas wäre das wichtig.
Gerade einmal zwei Medikamente der TB-Alliance haben derzeit eine realistische Chance auf Marktreife. Die übrigen 12 potentiellen neuen TB-Mittel der Alliance stecken noch in vorklinischen Studien. Ob überhaupt eines davon irgendwann TB-Kranken helfen kann, steht in den Sternen.
Fazit: Um die Tuberkulose weltweit zu besiegen, muss noch viel passieren. Vor allem ein stärkeres öffentliches Engagement in der Tuberkulose-Forschung wäre wünschenswert. (CF)
Anmerkungen:
1 www.tballiance.org
2 WHO. Global tuberculosis control: surveillance, planning, financing: WHO Report 2008, Geneva, p 3
3 In Osteuropa sind mittlerweile rund 15% aller Neuerkrankungen multi- oder hochresistent. WHO Europe. Fact Sheet EU TB, Epidemiology of tuberculosis in Europe. Copenhagen, September 2007
4 TB Alliance. TB Alliance Advances Two Drugs In Clinical Trials On Path To Faster, Better Tuberculosis Treatments, News from the TB Alliance 11.8.2007, www.tballiance.org/newscenter/view-brief.php?id=726
5 EMEA recommends restricting the use of oral moxifloxacin-containing medicines, EMEA Press Release 24.7.2008, www.emea.europa.eu/pdfs/human/press/pr/38292708en.pdf
6 Direct Healthcare Professional Communication regarding moxifloxacin, February 2008, www.cbg-meb.nl/NR/rdonlyres/40FA65BB-64F8-46AA-9027-2FB4521FAA5C/0/DHPC20080208_Avelox_UK.pdf
7 z.B. Indisches Patentamt, Application IN/PCT/2001/00446/MUM published 2007-06-22, filed 2001-04-23, 29.10.1999
8 Bayer AG. Bayer obsiegt in Patentrechtsstreit zu Avalox, Pressemitteilung 26.10.2007, www.viva.vita.bayerhealthcare.de/index.php?id=385&tx_ttnews%5Btt_news%5D=12120&cHash=accba6fd74
9 TB-Alliance. PA-824 Background, August2008, www.tballiance.org/new/portfolio/htmlportfolio-item.php?id=18