AKTION & KRITIK
CBG bei der Mercosur-Aktionswoche
Am 25. und 26. Mai kamen die WirtschaftsministerInnen der EU in Brüssel zusammen, um über das Mercosur-Abkommen und andere Handelsvereinbarungen mit lateinamerikanischen Ländern zu beraten. Die PolitikerInnen wollen die Übereinkünfte, die beträchtliche Risiken und Nebenwirkungen haben, so schnell wie möglich unter Dach und Fach bringen. Deshalb organisierte das NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL im Vorfeld des Treffens eine Aktionswoche, an der sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte. Sie zog am 24. Mai 2023 vor die Leverkusener BAYER-Zentrale, zählt der Multi doch zu den Hauptnutznießern der Vergünstigungen, die sich die Vertragspartner gegenseitig gewähren. Beim Mercosur-Deal beispielsweise profitiert er vom Wegfall der Einfuhrzölle auf Pestizide und Pharmazeutika genauso wie von den Zugangserleichterungen zum EU-Markt, die der Kontrakt dem lateinamerikanischen Agro-Business gewährt. Auf der Verlierer-Seite hingegen stehen Mensch, Tier und Umwelt. Mehr Pestizide und entsprechend mehr Vergiftungen, mehr Flächenfraß und entsprechend mehr Vertreibungen von Indigenen sowie mehr Regenwald-Abholzungen – all das droht durch den Deal mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay.
CBG auf Saatgut-Festival #1
Am 11. Februar 2023 war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit einem eigenen Infostand auf dem Kölner Saatgutfestival vertreten. Gemeinsam mit weiteren Organisationen wie FIAN oder der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) informierte die Coordination über ihre aktuellen Themen und sammelte kräftig Unterschriften für einen „Glyphosat-Stopp jetzt!“. Auch auf die alljährlichen Aktionen rund um die BAYER-Hauptversammlung wies die CBG hin. Veranstalter des Saatgutfestivals waren unter anderem der VEREIN ZUR ERHALTUNG DER NUTZPFLANZENVIELFALT (VEN) und die Volkshochschule Köln. Neben einer Tauschbörse für selbst geerntetes Saatgut bot das Programm vor allem Vorträge zum Schwerpunktthema „Boden“, die auch die aktuelle Krisensitation betrachteten – vom Klimawandel über Artensterben und Ernährungssicherheit bis hin zu Menschenrechten.
CBG auf Saatgut-Festival #2
Am 11. März 2023 nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am Düsseldorfer Pendant des Kölner Saatgut-Festivals teil und stieß mit ihrem Stand bei den rund 1.500 BesucherInnen auf großes Interesse.
CBG beim „Festival der Jugend“
Das diesjährige „Festival der Jugend“ der SDAJ fand vom 26. bis zum 29. Mai im Jugendpark am Köln-Deutzer Rheinufer statt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) war dort mit einem Stand vertreten. Bei herrlichem Frühlingswetter kam sie mit vielen Festival-BesucherInnen über den fast in Sichtweite des Jugendparks gelegenen BAYER-Konzern ins Gespräch und diskutierte über die Möglichkeiten von Konzern-Kritik. Zudem brachte die Coordination ihr Info-Material unter die Leute und sammelte Unterschriften für die aktuelle Glyphosat-Kampagne.
Letzte Generation: CBG solidarisch
Die Klima-AktivistInnen der Letzten Generation sehen sich massiven Repressionsmaßnahmen gegenüber. So kam es am 24. Mai wegen des Verdachts auf Bildung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung zu Razzien in sieben Bundesländern. Zudem nahm die Staatsanwaltschaft die Homepage der Initiative vom Netz und stellte die Inhalte sicher. Auch die Sperrung von Bank-Konten und ein „Vermögensarrest zur Sicherung von Vermögenswerten“ erfolgten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) veröffentlichte daraufhin eine Solidaritätserklärung. „Dieser Angriff trifft nicht nur die Letzte Generation, sie trifft nicht einmal nur die Klimabewegung. Hier werden willkürlich demokratisch verbriefte Protestformen wie ziviler Ungehorsam kriminalisiert und gewaltfreier Protest, der seit eh und je das Kennzeichen zivilgesellschaftlicher Bewegungen ist, zu Kriminalität umetikettiert“ hieß es darin. Überdies beteiligte die CBG sich am 30. Mai in Düsseldorf an einer Soli-Demo.
Gedenken an Klas Ewert Everwyn
Mitte Februar 2023 fand in der Düsseldorfer Buchhandlung BiBaBuZe eine Lesung zu Ehren des 2022 verstorbenen Schriftstellers Klas Evert Ewerwyn statt. Vier KollegInnen des Autors lasen vor einem Publikum, das die Stuhlreihen bis auf den letzten Platz füllte, aus den Schriften Ewerwyns vor, was großen Anklang fand und bei vielen Erinnerungen wieder aufleben ließ. Die COORDINATION GEGEN BAYER GEFAHREN (CBG) war an diesem Abend ebenfalls mit von der Partie und legte an einem Stand das von ihr herausgegebene Buch „Der Dormagener Störfall“ aus. In diesem hatte Ewerwyn sich nämlich einer Beinahe-Katastrophe made by BAYER gewidmet, was sofort den Konzern auf den Plan rief. Er drohte mit einer Prozesslawine und erreichte in einem Vergleich die Streichung des Namens „BAYER“ aus dem Text. Dem Druck von Seiten des Unternehmens geschuldet, verschwand der Roman bald in der Versenkung und gelangte nie in den offiziellen Buchhandel – bis die Coordination ihn 1997 neu herausgab.
DUOGYNON: Die CBG fragt nach
Der Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Entschädigungsforderungen wiesen SCHERING und der Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger jedoch stets ab. Auch das damalige Bundesgesundheitsamt (BGA) steht in der Verantwortung, denn es verletzte seine Aufsichtspflicht. Ein Angestellter bezeichnete sich sogar einmal als „Advokat der Firma SCHERING – und handelte entsprechend. So schmuggelte er etwa entlastende Unterlagen in das BGA und hielt das Unternehmen immer über die Vorgänge im Amt auf dem Laufenden. Der Mitarbeiter gab dem Pillen-Produzenten zudem Tipps für Entlastungsstudien und für den Umgang mit der aufkeimenden Kritik am Verhalten des Konzerns. Auf Druck der Betroffenen-Verbände befasste sich im Jahr 2021 der Petitionsausschuss des Bundestages mit der Angelegenheit. Dieser schlug vor, eine Untersuchung über die Vorgänge im BGA in Auftrag zu geben, „deren Ergebnisse für die Entscheidung über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds zugrundegelegt werden“. Dem folgte der zu der Zeit amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mit der Bestallung des Historikers Dr. Niklas Lenhard-Schramm als Gutachter nahm er das Ergebnis allerdings schon so gut wie vorweg. Lenhard-Schramm hatte sich nämlich schon im Vorfeld zu DUOGYNON geäußert und erklärt, ein Verbot wäre damals rechtlich nicht möglich gewesen. Zusätzlich empfahl er sich durch Entlastungsstudien zu CONTERGAN und zu Medikamentenversuchen an Kindern in Bethel. Wenig überraschend erstellte er dem Bundesgesundheitsamt in seiner „Sachverhaltsaufklärung“ dann auch einen Persilschein, was – ganz im Sinne Spahns – den Bund aus der Verantwortung für einen Entschädigungsfonds nahm. Das NETZWERK DUOGYNON reagierte empört, ließ ein Gegengutachten erstellen und sandte dieses Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wollte nun wissen, wie sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zu der darin geäußerten Kritik an der Arbeit von Lenhard-Schramm positioniert und welche weiteren Schritte es in Sachen „DUOGYNON“ plant. Also stellte die Coordination eine Anfrage. Die Antwort fiel knapp aus. Das Gegengutachten „wird derzeit ausgewertet“, hieß es in dem Schreiben, und von weiteren Schritten war gar nicht die Rede. Für das Ministerium ist der Fall nun, da eine Untersuchung zum Umgang des BGA mit dem Schwangerschaftstest vorliegt, offenbar erledigt. „Aus Sicht des BMG ist damit dem Beschluss des Petitionsausschusses vom 10. Juni 2021 Rechnung getragen“, lautet der letzte Satz der Mail an die CBG.
KAPITAL & ARBEIT
Immense Lohnspreizung
Bei BAYER geht die Gehaltsschere weit auseinander. So übersteigt die „Zielvergütung“ des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann, die sich auf 7,8 Millionen Euro beläuft, den durchschnittlichen Jahreslohn eines Tarif-Beschäftigten um den Faktor 93. Seine VorstandskollegInnen streichen das 55-Fache ein. Auf der Hauptversammlung im Jahr 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE vorgeschlagen, die auch zu dieser Zeit schon eklatante Einkommensspreizung in einem ersten Schritt auf den Faktor 20 zu reduzieren. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr: BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus. Auch der jetzige Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann lässt über solche Limits nicht mit sich reden: „Darin sehen wir aus verschiedenen Gründen keinen Mehrwert.“ Seiner Ansicht sind die Gehaltsunterschiede „absolut angemessen“.
IG FARBEN & HEUTE
BAYERs Stiftung
Im April 2023 hat der BAYER-Konzern eine Wende im Umgang mit seiner Nazi-Vergangenheit angekündigt. Er rief die „Hans und Berthold Finkelstein Stiftung“ ins Leben und betraute sie mit der Aufgabe, sich der zur Firmen-Geschichte gehörenden I.G. FARBEN zu widmen. „Mit der Gründung der Stiftung und der Würdigung der Familie Finkelstein erinnern wir an das Geschehene und reflektieren das Handeln der I.G. FARBEN während der NS-Zeit“, erklärte der Leverkusener Multi. Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ist dieser Schritt fast 80 Jahre nach dem Ende des Faschismus mehr als überfällig. Aber die Coordination traut dem Agro-Riesen nicht ganz über den Weg. „Um die Ehrlichkeit des BAYER-Vorhabens unter Beweis zu stellen, muss der Konzern sich zu allererst öffentlich bei allen Opfern der I.G.-FARBEN-Verbrechen bzw. deren Hinterbliebenen entschuldigen und die gerechte Entschädigung der betroffenen Familien sicherstellen“, forderte die Coordination deshalb. Und noch andere Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der Aufarbeitungsinitiative nannte die CBG. Sie verlangte eine Distanzierung von der unwürdigen Behandlung ehemaliger SklavenarbeiterInnen auf den BAYER-Hauptversammlungen und von der verharmlosenden Darstellung der Zeit des Nationalsozialismus in der Firmen-Chronik „Meilensteine“. Auch eine Öffnung des BAYER-Archiv für alle Interessierte verlangte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.
BAYERs Mahnmal
Im Zuge des neuen Anlaufs zur Aufarbeitung seiner Geschichte in der Nazi-Zeit (s. o.) hat der BAYER-Konzern direkt neben seiner Leverkusener Zentrale ein Mahnmal für SklavenarbeiterInnen errichtet. „Dieser Ort erinnert an die rund 16.000 Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs an den Niederrhein-Standorten der I.G. FARBEN-INDUSTRIE Zwangsarbeit leisten mussten“, informiert eine Tafel. Allerdings gab es bei I.G. noch viel mehr Standorte – mindestens 23 nämlich – an denen Häftlinge aus KZs und Gefängnissen schuften mussten. Dementsprechend erhöht sich die Zahl der ArbeitssklavInnen auf insgesamt 55.445. Und in Auschwitz unterhielt die Interessensgemeinschaft sogar ein eigenes KZ für sie, um mit ihnen ein Werk in der Nähe des Lagers aufzubauen. 23.000 bis 25.000 dieser I.G.-SklavInnen überlebten das nicht.
Benjamin Ferencz gestorben
Am 7. April 2023 starb Benjamin Ferencz im Alter von 103 Jahren. Bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen hat er als Chefankläger das Verfahren gegen die Einsatz-Truppen des NS-Regimes geleitet. In den 1950er Jahren dann verhandelte Ferencz im Auftrag der „Jewish Claims Conference“ mit den deutschen Firmen, die während der Nazi-Zeit SklavenarbeiterInnen beschäftigt hatten, über Entschädigungszahlungen. Allein die von BAYER mitgegründete IG FARBEN hielt in Auschwitz, wo sie ein eigenes Lager betrieb, und an anderen Standorten über 50.000 ArbeitssklavInnen. Aber Ferencz konnte nicht viel für diejenigen, welche die Tortur überlebt hatten, herausholen. Gerade einmal 27 Millionen DM zahlte die I.G. und andere Unternehmen noch weniger. Dementsprechend bitter fiel das Resümee des Juristen aus: „Sogar die strengen Härtefälle unter denen, die die Arbeit für die I.G. FARBEN in Auschwitz überlebt haben, erhielten jeder nicht mehr als 1.700 Dollar. Die jüdischen Sklaven von KRUPP und die, die für SIEMENS geschuftet hatten, mussten sich mit 825 Dollar abfinden. Die AEG/TELEFUNKEN-Sklaven bekamen nicht mehr als 500 Dollar, und die Juden, die für RHEINMETALL gearbeitet hatten, erhielten noch weniger.“
POLITIK & EINFLUSS
Keine Pestizid-Reduktion mit der EVP
Zum Green Deal der Europäischen Union gehört auch eine Agrar-Strategie. Diese sieht unter anderem eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes um 50 Prozent bis 2030 vor. Der Leverkusener Multi wendet sich in Tateinheit mit anderen Herstellern strikt gegen die Pläne. In einem Interview von 2020 etwa sagte der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Baumann: „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen.“ Dementsprechend hochtourig verläuft der Lobby-Einsatz, zunächst Corona und dann den Ukraine-Krieg als Argument für ein „Regulierungsmoratorium“ nutzend. Und die politische Landschaftspflege trägt Früchte. So stimmte die Europäische Volkspartei (EVP) Anfang Mai 2023 in konzertierter Aktion mit den rechtsextremen und euroskeptischen Fraktionen des EU-Parlaments gegen die Pestizid-Verordnung, deren Zukunft nun ungewiss ist. Auch zu anderen Umweltschutz- und Klimaschutz-Maßnahmen geht die Partei unter Führung des CSU-Politikers Manfred Weber zunehmend auf Distanz, weil sie sich so bessere Chancen bei der im nächsten Jahr anstehenden Europa-Wahl ausrechnet.
BAYERs Ukraine-Investition
Anfang April 2023 reiste Wirtschaftsminister Robert Habeck in die Ukraine und hatte auch etwas dabei: „Eine Wirtschaftsdelegation, die der Ukraine die Hoffnung macht, dass es nach dem Krieg wieder einen Wiederaufbau geben wird.“ „Konkrete Investitionsentscheidungen“ erwähnte er in diesem Zusammenhang und nannte als erste die des Leverkusener Multis. „BAYER, der deutsche Pharma- und Chemiekonzern, wird hier 60 Millionen investieren“, so Habeck. Der Agro-Riese steckt das Geld in den Ausbau seiner Aufbereitungsanlage für Mais-Saatgut, die er 2018 in Pochuiky eröffnet hatte. Unter anderem will der Global Player einen dritten Trockner für die Mais-Saaten in Betrieb nehmen und die Produktionskapazität durch diese und weitere Maßnahmen um bis zu 30 Prozent steigern, wie er bereits Mitte Februar bekanntgegeben hatte. Zusätzlich beabsichtigt der Gentech-Gigant auf dem Areal der Fertigungsstätte, die bereits Angriffen ausgesetzt war, zwei Luftschutzbunker zu errichten. „Wir werden unseren Teil dazu beitragen, den Wiederaufbau-Plan für die Ukraine zu unterstützen und die Ernährungssicherheit in der Region und weltweit zu gewährleisten“, erklärte ein Unternehmenssprecher. Die Tatsache, dass der Mais für die Futtertröge der Massentier-Haltung bestimmt ist, ignorierte er dabei geflissentlich. Auch BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter Matthias Berninger meldete sich zu Wort: „[D]as ist eine sehr, sehr große Investition, die im doppelten Sinne Hoffnung macht. Zum einen den vielen Bauern, die auf gutes Saatgut warten, zum anderen aber auch der Regierung“, bekundete er. Der Konzern kann bei seinem Vorhaben auf Nummer Sicher gehen, denn im Ernstfall „haftet der Staat dafür“, wie Habeck betonte: „Das machen wir sonst nicht in Kriegsgebieten.“ Als Solidaritätsbekundung ist BAYERs Engagement dann auch nicht zu verstehen. Die Aktien-Gesellschaft hat eine längerfristigere Strategie. Sie setzt auf die fruchtbaren Böden des Landes, das einst als Kornkammer Europas galt – oder in den Worten Berningers: „Die Idee ist ganz einfach: Wir glauben, dass die Ukraine der beste Standort ist für die Saatgut-Produktion in Europa“. Für andere Dinge ist hingegen Russland nach wie vor ein guter Standort. Darum macht das Unternehmen auch dort weiter Geschäfte.
Das Mercosur-Lobbying von BAYER & Co.
Neben den Auto-Konzernen zählt die Chemie-Industrie zu den Hauptprofiteuren des Handelsvertrags zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, dessen Unterzeichnung Brüssel noch in diesem Jahr erreichen will. Aber der schrittweise Wegfall der Einfuhrzölle auf Pestizide und Pharmazeutika und andere schöne Dinge fielen BAYER & Co. nicht einfach in den Schoß; die Unternehmen mussten dafür eine intensive Pflege der politischen Landschaft betreiben. Die Details dazu brachte eine Anfrage der Initiative POWERSHIFT ans Licht, die mit Hilfe von FRAG DEN STAAT unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die entsprechenden Dokumente angefordert hatte. So führte der „Verband der Chemischen Industrie“ dem Bundeswirtschaftsministerium in einem Schreiben vom September 2016 beispielsweise den hohen Anteil von Pharmazeutika an den deutschen Exporten nach Brasilien und Argentinien vor Augen, um dann Handlungsbedarf anzumelden: „Die Chemie-Zölle der Mercosur-Staaten sind relativ hoch (…) Der Abbau dieser Zölle muss somit ein zentrales Element eines EU-Mercosur FHA [Freihandelsabkommen, Anm. Ticker] sein, das Ambitionsniveau der Mercosur-Seite muss erhöht werden“. Aber das Lateinamerika-Referat des Ministeriums wurde auch proaktiv tätig. Im August 2016 schrieb es etwa aus Anlass einer bevorstehenden Verhandlungsrunde mit den Mercosur-Staaten an diverse Industrie-Verbände: „Die Europäische Kommission hat uns im Vorfeld um ein Update zu den deutschen Interessen bezüglich des Abkommens sowie zu bestehenden Handelshemmnissen/Marktzugangsbeschränkungen gebeten. Wir würden der Kommission gerne eine konsolidierte Rückmeldung aus Deutschland geben und bitten Sie daher um Input für unsere Stellungnahme (…).“
Das neue Pharma-Recht der EU
Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, ein Medikament nach erfolgter Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auch EU-weit auf den Markt zu bringen. Das ist aber längst nicht der Fall. BAYER & Co. betreiben Rosinen-Pickerei und suchen sich die Staaten aus, in denen sie die höchsten Preise verlangen können. Das Nachsehen haben dabei oft die östlichen Mitgliedsländer. Die Europäische Union hat jetzt Handlungsbedarf erkannt, plant im Rahmen ihrer Reform des Arzneimittelrechts aber nicht etwa Restriktionen, sondern entschied sich für Anreize. Sie will Konzernen, die eine Arznei überall in der EU anbieten, eine längere Patentlaufzeit gewähren, wenn sie sich davon auch nur 15 Prozent mehr Pharmazeutika in den Apotheken der Ost-Staaten verspricht. Ebenfalls mit Lockmitteln beabsichtigt die Union, die Entwicklung von Antibiotika zu forcieren. Sie winkt mit Gutscheinen, die es BAYER & Co. ermöglichen, die Patent-Laufzeit für ein frei wählbares Produkt um ein Jahr zu verlängern. Zudem plant die Union, Pharmazeutika schneller zuzulassen und dafür die Genehmigungsverfahren von 210 auf 180 Tage abzukürzen. „Positives Verhalten wird belohnt, und Verpflichtungen werden nur eingesetzt, wenn es keine Alternativen gibt“ – so beschreibt die EU-Kommission ihren Ansatz. Und alternativlos erschien es ihr, die Patentschutz-Untergrenze von zehn auf acht Jahre zu senken, um die weit billigeren Nachahmer-Präparate schneller auf den Markt zu bringen und den Eisernen Vorhang in Sachen „Versorgung“ ein wenig zu öffnen. Darüber zeigte sich Big Pharma aber „not amused“. „Die Gesamtwirkung der heute vorgelegten Vorschläge schwächt die Rechte am geistigen Eigentum und kann nur zu einem weiteren Rückgang der Forschungsinvestitionen führen“, so der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA) und sein europäisches Pendant EFPIA in einem gemeinsamen Statement. Der Pharma-Chef des Leverkusener Multis, Stefan Oelrich, stieß sich vor allem an der Art und Weise, wie Brüssel das Arzneimittel-Angebot in der EU ausgeglichener gestalten möchte. „Wir haben der Kommission klare Vorschläge gemacht, wie wir die Zugangsprobleme lösen könnten, beispielsweise durch gestaffelte Preise innerhalb der Europäischen Union“, grummelte er. Unterstützung erhielt Oelrich in der Angelegenheit durch die Bundesregierung, welche die Regelung in einem Brief an die Kommission kritisierte, weil es in den einzelnen Ländern unterschiedliche Preis- und Erstattungsverfahren gebe, was den Konzernen die Beantwortung der Frage erschwere, „ob die Kosten für die Entwicklung wieder hereingeholt werden können“. „Eine solche Ungewissheit könnte zu einer erheblichen Verringerung der Investitionen führen“, warnten Scholz & Co. in ihrem Schreiben deshalb.
BAYER sponsort Hoffest
Der Leverkusener Multi gehörte neben AMAZON, SIEMENS, VATTENFALL und anderen Unternehmen zu den Sponsoren des „Hoffestes“, das Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am 4. Juli 2023 im Roten Rathaus ausrichtete.
Neubaur bei BAYER
BAYER, AMGEN, BOEHRINGER INGELHEIM, NOVARTIS und andere Pharma-Riesen haben in Tateinheit mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE die Initiative „Fortschrittsdialog – Gesunde Industriepolitik“ ins Leben gerufen, um politische Landschaftspflege in Sachen „Genmedizin“ zu betreiben. Mitte Mai 2023 nahm die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen) im Wuppertaler BAYER-Werk an einem dieser „Fortschrittsdialoge“ teil. Es handelte sich allerdings eher um Monologe, denn Kontroversen gab es nicht. So bekannte sich Neubaur aus ganzem Herzen zur Risiko-Technologie im Allgemeinen und zu NRW als einem „der stärksten Biotech-Standorte Europas“ im Besonderen. „Wir dürfen uns aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, mahnte sie: „Seit Jahren pflegen wir daher den engen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Pharma-Branche im ‚Pharmadialog Nordrhein-Westfalen’“.
BAYER kritisiert Lauterbach-Gesetz
Das große Defizit von AOK, DAK & Co. hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im letzten Jahr zum „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ veranlasst (siehe auch SWB 4/22). Weil das viele Geld, das BAYER & Co. für manche ihrer Pillen verlangen, nicht wenig zu der misslichen Lage beigetragen hat, wollte das Paragrafen-Werk die Pharma-Riesen ursprünglich mit einer Solidar-Abgabe in Höhe von zwei Milliarden Euro belegen. Massiver Lobby-Druck hat das dann allerdings verhindert. Lauterbach beließ es stattdessen bei einer – auf ein Jahr befristeten – Erhöhung des Hersteller-Rabattes auf Medikamente. Zwölf statt sieben Prozent erhalten die Kranken-Versicherungen 2023. Zudem haben die Pillen-Produzenten auf Kombinationspräparate künftig einen 20-prozentigen Abschlag zu gewähren. Darüber hinaus dürfen sie für neue patentgeschützte Arzneien nicht mehr ein ganzes, sondern nur noch ein halbes Jahr lang Mondpreise veranschlagen. Überdies kommen Präparate für seltene Krankheiten jetzt lediglich unterhalb eines Jahresumsatzes von 20 Millionen Euro in den Genuss von Erleichterungen. Auch verlängert das „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ das Preis-Moratorium für Pharmazeutika. Und schließlich gibt es strengere Vorgaben für solche Pharmazeutika, die im Vergleich zu den schon länger eingeführten Mitteln kaum einen Zusatznutzen aufweisen. Hieran stört sich der BAYER-Konzern besonders. Sein Pharma-Chef Stefan Oelrich übte in seiner Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss des Bundestages, die er in seiner Eigenschaft als Vize-Präsident des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA abgab und eigentlich dem Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Lieferengpässen gelten sollte, massiv Kritik daran. Was der Gesetzgeber als nur „geringen Zusatznutzen“ bezeichnete, nannte Oelrich eine „Schrittinnovation“. So ein Kleinklein wäre in der Branche überdies der Regelfall, hielt er mit Verweis auf Diabetes und psychische Erkrankungen fest, „da ein mindestens beträchtlicher Zusatznutzen hier so gut wie nie erreicht werden kann“. Das nicht mehr so fürstlich wie bisher zu honorieren, hat dem Pharma-Manager zufolge beträchtliche Nebenwirkungen. „Anreize für die Entwicklung verbesserter Therapie-Ansätze und für weitere Behandlungsoptionen werden vermindert und die Markt-Einführung dieser Schritt-Innovationen in Deutschland gefährdet. Was jetzt verlagert und in anderen Ländern investiert wird, das wird nicht mehr zurückkommen. Das kann nicht der Wunsch der Politik im Sinne einer stabilen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland sein“, schreibt er.
EU-Lieferkettengesetz auf dem Weg
Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen dank niedriger Umwelt- und Sozialstandards zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesrepublik setzte dabei lange auf Freiwilligkeit. Aber als entsprechende Initiativen im Sande verliefen, entschloss die Politik sich doch zu einem Gesetz. Dessen Bestimmungen konnten die Konzerne allerdings durch vehementen Lobby-Einsatz entscheidend verwässern. So beschränkt sich das Paragrafen-Werk, das Anfang 2023 in Kraft trat, auf direkte Zulieferer und enthält keine konsequenten Haftungsregelungen. Anders der Richtlinien-Entwurf der EU, dem die ParlamentarierInnen am 1. Juni 2023 in Brüssel zustimmten: Er ist strafbewehrt und erstreckt sich auf alle Glieder der Lieferketten vom Rohstoff-Abbau bis hin zur Entsorgung. Zudem bezieht er auch kleinere Firmen mit ein. Es fehlen allerdings Regelungen zu Doppelstandards, wie sie beispielsweise bei der weltweiten Vermarktung von innerhalb der EU verbotenen Pestiziden üblich ist, sowie zum Umgang mit gefährlichen Chemikalien generell. Und obwohl der Entwurf durchaus Sanktionen vorsieht, gesteht er Geschädigten im konkreten Fall zu wenig Möglichkeiten zu, ihr Recht zu verfolgen. Aber BAYER & Co. geht das alles schon zu weit. Sie sehen sich nicht dazu in der Lage, ihre gesamten Wertschöpfungsketten zu überprüfen und fordern eine Begrenzung der Haftungsvorschriften. Ansonsten würde „einer weltweiten Klage-Industrie Tür und Tor geöffnet“, so der „Verband der Chemischen Industrie“ in einer Stellungnahme. Diese Position dürfte er mit Vehemenz in die Verhandlungen über die endgültige Fassung des EU-Gesetzes einbringen, die jetzt zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament und dem MinisterInnen-Rat beginnen.
PROPAGANDA & MEDIEN
BAYER sponsert die Herzen der Fans
Ausdauernd sucht der BAYER-Konzern nach Mittel und Wegen, um seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung von Herzinfarkten unter die Leute zu bringen. Jetzt hat er dafür mit Sport-Fans eine neue Zielgruppe aufgetan, geht denen doch manchmal mächtig die Pumpe, wenn sie die Spiele ihrer Lieblingsmannschaft verfolgen. Der Leverkusener Multi nutzte also den „American Heart Month“ im Februar 2023 und lancierte auf allen Kanälen eine Kampagne, um sich als „Official Sponsor of Fans’ Hearts“ in Szene zu setzen und den Sport-AnhängerInnen zu zeigen, wie sie „das Herz im Spiel“ halten können – nämlich mit ASPIRIN.
DRUGS & PILLS
Wieder ein Indikationsgebiet weniger
Das Pharma-Segment „Frauengesundheit“ mit seinen Verhütungsmitteln und anderen Präparaten hat dem BAYER-Konzern wegen der vielen Risiken und Nebenwirkungen der Mittel immer wieder Klagen von Geschädigten eingetragen, die erfolgreich endeten. Millionen-Summen musste das Unternehmen nach Prozessen in Sachen „YASMIN“, „MIRENA“ und „ESSURE“ schon zahlen. Diese Schadensbilanz ist für den Leverkusener Multi aber nicht der Grund für den Rückzug auf Raten aus dem Indikationsgebiet, den er im März 2023 bekanntgab. Den Ausschlag gab vielmehr das Ausbleiben von rendite-trächtigen Innovationen. „In den letzten 50 Jahren hat es neben der hormonellen Verhütung und neben Hormonpräparaten aus unserer eigenen Forschung dort relativ wenig Durchbrüche gegeben. Was Forschung anbetrifft und dann die darauffolgenden klinischen Phasen, werden wir nicht mehr einen expliziten Frauengesundheitsfokus haben“, so Pharma-Chef Stefan Oelrich. Erschwerend kam noch hinzu, dass mit Vilaprisan und Eliapixant zwei Arzneimittel-Kandidaten die Test-Phase nicht überstanden. Nur die Entwicklung von Elinzanetant verfolgt der Global Player noch weiter. Stattdessen will er sich in Zukunft auf die Felder „Krebs“, „Herz/Kreislauf-Erkrankungen“, „Neurologie“, „seltene Krankheiten“ sowie „Immunologie“ konzentrieren. Damit schrumpft das Arznei-Angebot noch weiter. Eine umfassende Gesundheitsversorgung kann BAYER als größter deutscher Pillen-Produzent schon längst nicht mehr garantieren.
Kooperation mit BICYCLE THERAPEUTICS
Der BAYER-Konzern konzentriert sich im Pharma-Bereich mehr und mehr auf Krebs, weil das am meisten Rendite abwirft. Er hat sich zum Ziel gesetzt, in diesem Segment bis zum Jahr 2030 auf einen Umsatz von zehn Milliarden Dollar zu kommen. Dabei setzt er zunehmend auf den Erwerb von Unternehmen und auf Kooperationen, die eigene Forschung vernachlässigt der Leverkusener Multi hingegen. Die jüngste Zusammenarbeit vereinbarte er mit BICYCLE THERAPEUTICS. Die britische Firma hat spezielle Peptide entwickelt, die sich BAYER zufolge „mit hoher Affinität und Selektivität“ an Tumor-Zellen binden. Davon will der Global Player bei der Entwicklung neuer Radionuklid-Therapien – also Behandlungsmethoden mit radioaktiven Wirkstoffen – profitieren.
Keine neuen STIVARGA-Indikation
Der BAYER-Konzern versucht ständig, die Indikationsgebiete für seine Arzneien zu erweitern. Beim Krebsmedikament STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) scheiterte das Unterfangen einstweilen. Sowohl als Therapeutikum bei Hirn-Tumoren als auch bei Leber-Karzinomen scheiterte das Mittel, das bisher zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs und von GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – zur Anwendung kommt.
ALIQOPAs tödliche Nebenwirkungen
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert bereits seit Langem die beschleunigten Zulassungsverfahren, die für Medikamente zur Therapie seltener Krankheiten – sogenannte Orphan Drugs – gelten. Im Ticker 4/18 hieß es beispielsweise: „So genehmigte die ‚Food and Drug Administration’ BAYERs ALIQOPA mit dem Wirkstoff Copanlisib zur Behandlung von Patient-Innen mit dem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses, obwohl nur 104 Menschen an der Klinischen Prüfung teilnahmen und sich die positiven ALIQOPA-Effekte in Grenzen hielten.“ Fünf Jahre später zeigt sich nun bei anderen Indikationen das Gefährdungspotenzial von ALIQOPA und anderen Arzneien, die das Enzym P13K blockieren. Wie eine Überprüfung mehrerer Zulassungsstudien durch die „Food and Drugs Administration“ (FDA) ergab, haben die Pharmazeutika zwar kurzfristig positive Effekte, führen bei den Test-Personen auf lange Sicht aber zu erhöhten Sterblichkeitsraten. Die Toxizität der Mittel akkumuliert sich nämlich. Die FDA-WissenschaftlerInnen werfen dem Leverkusener Multi vor, diese Gefahr willentlich in Kauf genommen zu haben, indem er die ProbandInnen hohen Konzentrationen der Test-Substanz aussetzte, obwohl Daten darauf hindeuteten, „dass eine niedrigere Dosis von Copanlisib wirksam und besser verträglich sein könnte“. Die anderen Unternehmen gingen ähnlich vor. „Was wir oft gesehen haben, ist, dass die Leute die Dosis maximieren, um die höchste Ansprechrate zu erreichen, und nicht wirklich sorgfältig das Verhältnis zwischen Wirksamkeit, Dosis und Toxizität bewerten“, so Richard Pazdur vom Onkologie-Zentrum der FDA. Die Behörde verlangte wie auch die „European Medicines Agency“ weitere Untersuchungen der Hersteller. BAYER zog daraufhin den Zulassungsantrag zurück und bekundete, eine Wiedereinreichung „nach Durchführung zusätzlicher Analysen erneut zu prüfen“.
HIV-Stiftung unterfinanziert
In den 1980er Jahren infizierten Blut-Produkte von BAYER & Co. zehntausende Bluter mit AIDS oder Hepatitis C. Aus Profit-Gründen hatten die Konzerne die Einführung von Virus-Inaktivierungsverfahren hinausgezögert und trotz aller Warnungen lange Zeit weiter das Blut von Risiko-Gruppen zur Herstellung ihrer Präparate verwendet. Darum blieb dem Leverkusener Multi in der Bundesrepublik kaum etwas anderes übrig, als sich 1995 gemeinsam mit anderen Pillen-Riesen und dem „Deutschen Roten Kreuz“ finanziell an der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ zu beteiligen. Die Unternehmen rechneten dabei mit einem zeitlich befristeten Engagement. Diese Einschätzung erwies sich jedoch als falsch – die AIDS-Kranken lebten länger als erwartet. Darum senkten sie ihre Zahlungen und stellten sie schließlich ganz ein. Seit 2019 kommt nur noch der Bund für die Finanzierung auf. Das reicht aber nicht aus, um den Bedarf der Betroffenen zu decken. Mit zunehmendem Alter sind nämlich mehr und mehr von ihnen auf pflegerische Betreuung und Haushaltshilfen angewiesen, was zusätzliche Mittel erfordert. Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU wollte deshalb von der Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage wissen, ob diese daran denkt, den Etat aufzustocken. Das lehnte die Ampelkoalition allerdings ab: „Es sind keine Maßnahmen geplant, die über die Anpassung der HIV-Hilfen entsprechend der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 16 HIVVHG hinausgehen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert den BAYER-Konzern auf, seiner Verantwortung gerecht zu werden und sich wieder an der Stiftung zu beteiligen.
Hepatitis-Infizierte gehen leer aus
Durch die infizierten Blut-Produkte von BAYER & Co. (s. o.) erkrankten Bluter an AIDS oder Hepatitis C. Während die HIV-Patienten wenigstens ein bisschen Geld von einer Stiftung bekommen, gehen die an Hepatitis C Leidenden ganz leer aus. Und das dürfte sich auch kaum ändern, wie aus der Antwort der Ampelkoalition auf eine Kleine Anfrage von CDU/CSU hervorgeht. Das Thema war „in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen und Beratungen, ohne dass bisher gesetzgeberischer Handlungsbedarf hergeleitet wurde“, hieß es da, und groß ans Herleiten möchten sich Scholz & Co. auch in der Gegenwart nicht machen. „Die Bundesregierung verfolgt hierzu die aktuellen Diskussionsprozesse und insbesondere die derzeitige Meinungsbildung im parlamentarischen Raum zu dieser komplexen Frage weiterhin“, erklärten sie lediglich.
BITS & BYTES
Kooperation mit CARGILL
Die digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. Der BAYER-Konzern gehört mit der Plattform „FieldView“ zu den größten Anbietern in diesem Bereich, den er als Allzweck-Lösung für sämtliche gegenwärtigen Probleme des Agrar-Sektors preist – vom Klimawandel bis zum übermäßigen Pestizid-Gebrauch. De facto stärkt die Entwicklung bis jetzt nur die Monopolisierungstendenzen in der Branche – nicht nur die horizontalen, sondern auch die vertikalen. So hat sich der Leverkusener Multi in Indien mit dem Agrarrohstoff-Händler CARGILL zusammengetan, der gemeinsam mit BUNGE, DREYFUS und ARCHER DANIELS MIDLAND den gesamten Weltmarkt in diesem Sektor beherrscht, um auch den indischen Kleinbauern und -bäuerinnen den digitalen Segen zu bringen. Er will CARGILLs „Digital Saathi“-Plattform zum Verkauf seiner Produkte nutzen. Zunächst konzentriert sich der Agro-Riese dabei auf die Mais-FarmerInnen im Bundesstaat Karnataka. Aber er plant parallel zum Ausbau der Plattform – CARGILL will bis zum Jahr 2027 auf drei Millionen registrierte LandwirtInnen kommen – eine Ausweitung des Geschäfts.
AGRO & CHEMIE
BAYER hält Studien zurück
Pestizide und andere Stoffe können das sich noch in der Entwicklung befindliche Nervensystem von Embryos, Babys und Kindern schädigen. Von „Entwicklungsneurotoxizität“ (DNT) sprechen die Fachleute in solchen Fällen. Die beiden WissenschaftlerInnen Axel Mie und Christiana Rudén von der Universität Stockholm forschten zu diesem Gebiet. Dabei stießen sie darauf, dass BAYER und SYNGENTA den EU-Zulassungsbehörden in den 2000er Jahren neun DNT-Studien vorenthalten haben, die sie der US-amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) hingegen zugehen ließen. „Das kann uns als Konsumenten in Gefahr bringen“, warnt Rudén, und Axel Mie pflichtet ihr bei: „Im schlimmsten Fall haben wir nun Wirkstoffe auf dem Markt, die eigentlich nicht angewendet werden dürften.“ Nach Ansicht der Forscher-Innen hätten die meisten der Arbeiten nämlich „eine tatsächliche oder regulatorische Auswirkung“ gehabt. Deshalb drängen die beiden die EU-Behörden, ihre Datensätze künftig mit denen ihrer Pendants in den anderen Ländern abzugleichen. In Brüssel rief das Verhalten von BAYER und SYNGENTA helle Empörung hervor. Die Hersteller hätten die Pflicht, „alle Informationen über potenziell schädliche Wirkungen eines Wirkstoffes“ vorzulegen, konstatierte die EU-Kommission und nannte das Rückhalten der Untersuchungen „besorgniserregend“. Die grüne EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, Berichterstatterin für die Pflanzenschutzmittel-Verordnung der Europäischen Union, forderte derweil „scharfe Konsequenzen“. „Wenn relevante Studien nicht eingereicht werden, ist die Gesundheit der Menschen in der EU gefährdet“, so die Politikerin. Und der Vorsitzende des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments, Pascal Canfin von den Liberalen, strebt an, BAYER und SYNGENTA vorzuladen. Der Leverkusener Multi spielte das Fehlen der DNT-Dossiers zu den Ackergiften Ethoprophos, Fenamidone und Fenamiphos erwartungsgemäß herunter. Gegenüber JournalistInnen des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF) gab der Konzern zu Protokoll, die Untersuchungen wären damals noch in Arbeit gewesen bzw. von der EU nicht ausdrücklich verlangt worden – und überhaupt: „Die von Ihnen angesprochenen Studien hätten die Risiko-Bewertung der Behörden nicht verändert“.
Glyphosat-Studie zurückgehalten
Der Skandal um die bei der EU nicht eingereichten Pestizid-Studien zur Entwicklungstoxizität (s. o.) betrifft auch eine Untersuchung zu Glyphosat-Trimesium von 2001. SYNGENTA hielt sie zurück. Der Wissenschaftler Axel Mie machte die Europäische Union darauf im Jahr 2022 aufmerksam. Deshalb konnte die Chemikalien-Agentur ECHA sie bei der aktuell laufenden Prüfung der Glyphosat-Zulassungsverlängerung berücksichtigen. Diese bestätigte zwar den alarmierenden Befund der Studie, wollte ihn jedoch nicht zweifelsfrei auf das Glyphosat selbst zurückführen. Es könnte sich auch um eine Verunreinigung der Probe gehandelt haben, so die Agentur. Mie verwirft diese Interpretation: „Diese Schlussfolgerung basierte offenbar auf einer falschen Interpretation des Wassergehalts der Prüfsubstanz als Verunreinigung.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wandte sich daraufhin an die ECHA und bat sie um eine Stellungnahme zu dem Statement des Forschers. Die Antwort fiel allerdings nichtssagend aus.
Kein Glyphosat mehr auf den Gleisen
Die DEUTSCHE BAHN zählte lange zu den Großverbrauchern von Glyphosat. So landeten 2017 67 Tonnen des Mittels auf den Gleis-Trassen. 2019 kündigte das Unternehmen dann einen Ausstiegsplan an. Der Konzern erklärte, bis 2023 ganz auf das Mittel verzichten zu wollen und meldete jetzt Vollzug. „Wir halten Wort und steigen 2023 kompett aus der Nutzung von Glyphosat aus“, so der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz im März des Jahres. Nun beseitigt die Bahn die Wildpflanzen mittels Mäh-Maschinen und Pelargonsäure.
Glyphosat schädigt Amphibien
Nach einer Studie der Universität Ulm schädigt Glyphosat Amphibien. Schon bei einer Konzentration von 0,1 Milligramm pro Liter Wasser beobachteten die ForscherInnen Entwicklungsdefekte an Kaulquappen. Sie bestätigten damit die Befunde früherer Untersuchungen, die sich aber zumeist auf die verkaufsfertige Formulierung mitsamt der Beistoffe konzentriert hatten statt auf das Glyphosat selbst. Erneut findet sich damit ein Beleg dafür, wie sehr das Herbizid auch die Artenvielfalt gefährdet. Der BAYER-Konzern dürfte sich davon aber kaum überzeugen lassen. Er bestreitet solche Effekte auf die Biodiversität stets mit dem Hinweis auf den Wirkmechanismus des Pestizids. Es blockiert ein nur in Pflanzen vorkommendes Enzym und hält die Äcker so von unerwünschtem Beiwuchs frei. Das hat aber offensichtlich Nebenwirkungen, wie das Team um die Professorin Susanne Kühl nun einmal mehr gezeigt hat. Da es viele ähnliche Arbeiten gibt, stellt sich jedoch die Frage, warum hier erneut Tiere leiden mussten.
GENE & KLONE
Kurzhalm-Mais mit Gentechnik 2.0
BAYERs Kurzhalm-Mais (siehe auch Ticker 3/20), der angeblich Wettereinflüssen besser trotzt als normallanger, weniger Wasser benötigt und den Pestizid-Einsatz reduziert, steht in den USA unmittelbar vor der Markteinführung. Derweil forscht der Agro-Riese an einer per Genome Editing produzierten Variante. Hierbei kommen Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9 zum Einsatz, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Allerdings arbeiten diese so trennscharf dann doch nicht. Allzu oft lassen CRISPR-Cas & Co. Fünfe gerade sein und setzen nicht an der avisierten Stelle, sondern an ähnlichen Abschnitten des Erbgutes zum Schnitt an. Und wenn eine bestimmte Sequenz in der DNA öfter vorkommt, so schnippeln sie so manches Mal auch öfter als ursprünglich vorgesehen – mit unkalkulierbaren Risiken.
Entwicklungsstopp für BAY 2599023
BAYER hat die Entwicklung einer Gentherapie für Bluter gestoppt und die Rechte für die Substanz „Peboctocogene Camaparvovec“ an ULTRAGENYX zurückfallen lassen, weil bei der klinischen Erprobung Komplikationen auftraten. Bei zwei der acht Probanden maßen die MedizinerInnen nach der Infusion von BAY 2599023 erhöhte Leberenzym-Werte, was auf Zellschädigungen hinweist.
Kooperation mit ACUITAS
Der BAYER-Konzern hat eine Kooperation mit ACUITAS vereinbart. Das kanadische Unternehmen stellt Gen-Fähren auf der Basis von Lipid-Nanopartikeln her, die z. B. bei einigen SARS-CoV-2-Impfstoffen zum Einsatz kamen, um die mRNA mit dem Bauplan des Corona-Antigens in die Zellen zu transportieren. Der Leverkusener Multi will diese Technologie nun bei Gentherapien von Lebererkrankungen zum Transport von genmanipulierten Ribonuklein-Säuren (RNA) nutzen. „Dies ermöglicht die effiziente und gezielte Abgabe von Geneditierungs-RNA-Komponenten an die Leber“, erklärt der Pharma-Riese.
WASSER, BODEN & LUFT
Chemie-Waffen in der Ostsee
Millionen Tonnen Munition, Bomben, Minen und chemische Kampfstoffe aus zwei Weltkriegen lagern auf dem Grund von Nord- und Ostsee, darunter auch die einst von BAYER entwickelten Substanzen Lost, Tabun und Sarin. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile korrodiert, treten die Gifte aus. Das stellt nicht nur für aquatische Lebewesen, sondern auch für Menschen eine große Gefahr dar. Trotzdem tat sich jahrzehntelang nichts. 2022 hat die Ampel-Koalition nun endlich ein dreijähriges Sofort-Programm zur Bergung von Lost & Co. in den zu Deutschland gehörenden Teilen der Gewässer auf den Weg gebracht. Entsprechendes für den gesamten Bereich der Meere steht allerdings noch aus. Die Ostsee-Anrainerstaaten haben sich auf ihrer letzten Zusammenkunft Ende Mai 2023 nun zumindest auf erste Schritte verständigt. „Gemeinsam müssen wir uns um die Räumung kümmern, um die Lebensadern der Ostsee, die Schifffahrt, Untersee-Kabel und – jetzt verstärkt Windkraft-Anlagen – zu kümmern“, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock bei dem Treffen des Ostsee-Rats. Geld aus Deutschland sagte sie dafür allerdings nicht zu, jeder Staat sei selbst für seine Hoheitsgewässer zuständig, so die Grünen-Politikerin. An eine Beteiligung von BAYER & Co. an den Kosten, wie sie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) immer wieder fordert, denkt auch niemand. Stattdessen wollen die Länder die Windpark-Betreiber mit in die Pflicht nehmen.
Rheinwasser für Tagebau-Seen
Die Pläne zur Rekultivierung der Tagebau-Regionen im Rheinischen Revier sehen vor, aus den Gruben Bade-Seen zu machen – mit Wasser aus dem Rhein. Das ist allerdings nicht nur wegen der immer häufigeren Dürre-Phasen schwer zu bewerkstelligen. Ein zusätzliches Problem stellt die Verunreinigung des Flusses dar. Der BUND verweist dabei auf die Einleitungen von BAYER & Co. aus dem Leverkusener Chem-„Park“ und nennt als Beispiel Rückstände von polyfluorierten Alkyl-Verbindungen (PFAS). „RWE muss das Rheinwasser aufbereiten und reinigen“, fordert die Organisation deshalb. Das will der Strom-Gigant jedoch lediglich prüfen.
STANDORTE & PRODUKTION
Neues Labor-Zentrum in Cambridge
Der BAYER-Konzern hat am US-amerikanischen Standort Cambridge, wo er hauptsächlich Zell- und Gentherapien (CGT) entwickelt, ein neues Labor-Zentrum für junge Unternehmen in Betrieb genommen. Diesen will er mit dem sogenannten Co.Lab Life-Science-Inkubator nach eigenem Bekunden „einen direkten Zugang zu den Experten von BAYER“ bieten. Tatsächlich ist es dem Leverkusener Multi aber eher darum zu tun, sich selbst einen Zugang zu den Start-Ups zu verschaffen, um ihr Wissen billig abzuschöpfen und daraus lukrative Pharma-Projekte zu machen.
Es tut sich was in Soda Springs
Im Geschäftsjahr 2022 stieß der BAYER-Konzern 3,03 Millionen Tonnen Treibhaus-Gase aus. Ein Gutteil davon geht auf das Konto von Glyphosat. Der gesamte Herstellungsprozess verschlingt nämlich Unmengen von Energie. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° Celsius muss der Ofen am US-Standort Soda Springs kommen, um aus Phosphorit das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor zu gewinnen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert hier bereits seit Langem Maßnahmen ein. Und jetzt endlich scheint sich etwas zu tun. Der Leverkusener Multi schloss mit dem US-Unternehmen CAT CREEK ENERGY einen Vertrag über die Lieferung von 1,4 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien. Allerdings greift das erst ab 2028. Auch an die Fertigungsstätten selbst will der Agro-Riese ran. So kündigte er die „Implementierung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen“ an. Und die Weiterverarbeitung des Phosphors zum fertigen Produkt ROUND-UP, die der Global Player in Luling, Louisiana vornimmt, beabsichtigt er ebenfalls sauberer zu gestalten. Eine „Optimierung der Herbizid-Produktion“ hat dort laut Geschäftsbericht begonnen.
Mehr Lager-Kapazitäten in Pittsburgh
Corona und der Ukraine-Krieg haben gezeigt, wie anfällig die globalen Lieferketten der Konzerne für Störungen sind. Die Multis reagieren darauf, indem sie mehr auf Vorratshaltung setzen und dafür ihre Lager-Kapazitäten erhöhen. So hat BAYER jüngst am US-Standort Pittsburgh entsprechende Vorkehrungen getroffen und eine neue Halle errichtet.
UNFÄLLE & KATASTROPHEN
600 Liter Glyphosat laufen aus
In Bad Iburg kam es am 1. März 2023 zu einem Glyphosat-Austritt. Aus dem defekten Tank eines Sprüh-Fahrzeugs gelangten 600 Liter des Herbizid/Wasser-Gemisches ins Freie. Die Feuerwehr löste einen ABC-Alarm aus, wie immer bei Ereignissen mit atomaren, biologischen oder chemischen Substanzen, und tat in der Folge alles dafür, um zu verhindern, dass das Pestizid in die Kanalisation gelangt und das Trinkwasser vergiftet. Sie verschloss alle Gullys der Umgebung mit Dichtkissen und setzte zum Aufhalten der Ausbreitung Bindemittel ein. Einen verseuchten Grünstreifen trugen die Einsatzkräfte komplett ab. Die AnwohnerInnen versetzte die Meldung über das Auslaufen des Mittels in helle Aufruhr, wozu die nur spärlich fließenden Informationen ein Übriges taten. „Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten und erfahren plötzlich von einem ABC-Alarm in Ihrem Zuhause – ausgelöst durch ein hochgradig krebserregendes Pflanzengift, das scheinbar in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft eingesetzt wird. Sie brechen Ihre Arbeit ab und fahren nach Hause“, schilderte eine Bad Iburgerin einer Lokalzeitung ihre Reaktion. Solche Vorfälle, wie in Bad Iburg geschehen, sind keine Seltenheit. So vermeldete der BAYER-Konzern in seinem letzten Nachhaltigkeitsbericht für 2022 sechs LKW-Unfälle mit Freisetzungen von Agro-Chemikalien.
ÖKONOMIE & PROFIT
CURRENTA-Großkunde BAYER
Im Jahr 2019 trennte sich der BAYER-Konzern von allen Anteilen, die er an der Service-Gesellschaft CURRENTA hielt, blieb ihr jedoch geschäftlich verbunden. So ist der Leverkusener Multi hinter LANXESS der größte Kunde des Entsorgungszentrums des Dienstleisters. 13 Prozent ihres Umsatzes macht die CURRENTA mit den Produktionsrückständen von BAYER.
RECHT & UNBILLIG
Neues vom HV-Prozess der CBG
Bei der Hauptversammlung im Jahr 2017 hatte der BAYER-Konzern die Proteste massiv behindert. Im Jahr Eins nach der Ankündigung des Plans, MONSANTO zu übernehmen, sah der Global Player so einiges auf sich zukommen und wollte sich die AktivistInnen deshalb so gut es geht vom Leib halten. Zu diesem Behufe setzte er ihnen „aus Sicherheitsgründen“ beispielsweise ein riesiges Zelt vor die Nase und beschnitt so den Raum der Kundgebung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging dagegen im Vorfeld durch Eilverfahren und nach dem AktionärInnen-Treffen durch Feststellungsklagen vor. Im Jahr 2020 reichte sie nach verlorenen Prozessen sogar eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht wg. Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ein, über welche die RichterInnen bisher noch nicht entschieden haben. Zudem ist vor dem Oberwaltungsgericht Münster noch ein abgekoppeltes Verfahren anhängig. In diesem geht es um die entscheidende Rolle, die das Verkehrsamt der Stadt Bonn damals gespielt hat. Obwohl die Coordination im Vorfeld der Hauptversammlung auf dem „Platz der Vereinten Nationen“ schon eine Kundgebung angemeldet hatte, erteilten die BeamtInnen BAYER danach noch eine Straßensperr-Erlaubnis – und damit die Lizenz zum Aufbau des Zeltes. Die Polizei als Versammlungsbehörde stellte sie damit vor vollendete Tatsachen. Ihr blieb nach offizieller Argumentation nicht mehr zu tun übrig, als den noch übrigen Raum zu verwalten – in den Augen der Coordination ein Unding und rechtlich nicht abgesichert. Mitte Mai nun flatterte ihr ein Schrieb des OVG Münsters ins Haus. Es fragte an, ob die CBG die ganze Sache nicht auf sich beruhen lassen wolle, da der Leverkusener Multi ja vorerst sowieso nur noch virtuelle Hauptversammlungen abhalte. Dieses Begehr des Gerichts lehnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN allerdings ab.
INTACTA-Klage in Brasilien
Bereits seit Langem sieht sich BAYERs Tochter-Gesellschaft MONSANTO in Brasilien wegen ihrer Gentech-Soja INTACTA RR2 PRO Klagen gegenüber. 2017 – ein Jahr vor der Übernahme durch den Leverkusener Multi – zog der SojapflanzerInnen-Verband des Bundeslandes Mato Grosso vor Gericht. Agrosoja-MT focht nicht nur die Gültigkeitsdauer des INTACTA-Patents an, sondern zweifelte auch grundsätzlich die Berechtigung MONSANTOs an, für die Laborfrucht Schutz geistigen Eigentums zu reklamieren. Deshalb forderte die Vereinigung, den LandwirtInnen die schon gezahlten Lizenz-Gebühren zurückzuerstatten. Im Juli 2018 erreichte sie einen Etappen-Sieg. Ein Gericht trug dem Global Player auf, seine INTACTA-Einnahmen vorerst auf ein Treuhand-Konto zu überweisen. Die Organisation kämpfte aber weiter, weil ihr die Summen zu gering erschienen. 2019 erhielt sie dann Unterstützung von Verbänden zehn weiterer Bundesstaaten und im Mai 2021 durch den obersten Gerichtshof Brasiliens, der länger als 20 Jahre gültige Patente für verfassungswidrig erklärte. Dem allen konnten sich die RichterInnen im Februar 2023 nicht mehr verschließen. Sie verurteilten BAYER dazu, das Treuhand-Konto um 252 Millionen Dollar aufzufüllen. Der Agro-Riese leistete dem Folge, will aber nicht aufgeben. „Es ist wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die ‚Intacta RR2 Pro-Technologie’ durch eine Vielzahl von geistigen Eigentumsrechten geschützt ist. Wir vertrauen darauf, dass wir uns auf diese Rechte juristisch stützen können“, bekundete der Konzern.
BOLLGARD-Klage in Brasilien
Auch BAYERs Gentech-Baumwolle „BOLLGARD II RR FLEX“ steht in Brasilien vor Gericht. Wie der SojapflanzerInnen-Verband Agrosoja-MT bei INTACTA (s. o.) fechtet der BaumwollpflanzerInnen-Verband AMPA des Bundesstaates Mato Grosso die Berechtigung der Schutzrechte bei BOLLGARD an. Eines dieser Patente kommt sogar in beiden Laborfrüchten zum Zuge. Nach Ansicht der Baumwoll-Vereinigung erfüllt die Laborfrucht nicht die Kriterien für eine technologische Innovation, die es braucht, um den Schutz geistigen Eigentums reklamieren zu können. Deshalb fordert sie wie Agrosoja-MT, den LandwirtInnen die schon gezahlten Lizenz-Gebühren zurückzuerstatten. Der Agro-Riese reagierte einigermaßen ungehalten auf die Patent-Nichtigkeitsklage: „Wenn der Landwirt selbst über seine Verbände BAYER wegen Patentierung verklagt, schließen wir daraus, dass der Landwirt keine Innovation will oder nicht für Innovation zahlen will, und die Reaktion von BAYER ist, nicht in Innovation zu investieren.“
BAYER verliert erneut PCB-Prozess
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie. Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheits- und Umweltrisiko dar. Darum ist der Konzern in den USA mit einer Vielzahl von Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert. Allein 200 Klagen stammen von Geschädigten, die ihre Leiden auf die PCB-kontaminierten Schulgebäude des „Sky Valley Education Centers“ in Monroe zurückführen. „So viele Schüler und Lehrer mussten Sky Valley verlassen, weil sie einfach zu krank wurden“, sagt etwa Michelle Leahy, eine der PädagogInnen. Strafe und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 627 Millionen Dollar kostete das den Leverkusener Multi bis jetzt. Den letzten Prozess in der Sache verlor er im Oktober 2022. Zudem sind noch viele Verfahren anhängig, die Städte und Gemeinden angestrengt haben. Diese wollen von BAYER die Kosten ersetzt bekommen, die bei der Beseitigung der von PCBs verursachten Umweltschäden anfielen. Über 2.500 Kommunen und Gebietskörperschaften ist das bereits gelungen. So wurde im November 2022 ein Sammelvergleich rechtskräftig, der den Agro-Riesen mit 650 Millionen Dollar teuer zu stehen kam.
ESSURE-Klage in Australien
Vor dem Melbourner „Victorian Supreme Court“ begannen am 11. April 2023 die Verhandlungen über eine Sammelklage von mehr als Tausend Australierinnen gegen BAYER und andere Anbieter des Langzeit-Verhütungsmittels ESSURE. Die Frauen machen die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich der Eileiter verschließt, für zahlreiche Gesundheitsschädigungen verantwortlich. So bleibt das Medizin-Produkt allzu oft nicht an seinem Bestimmungsort; stattdessen wandert es im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. 94 Todesfälle registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Auch äußere Blutungen, Unterleibs-, Becken- oder Kopfschmerzen, Depressionen, Angstzustände, Krämpfe, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den Nebenwirkungen des Mittels. Trotz alledem hält der Global Player noch immer unverbrüchlich zu der Spirale: „Wir sind zuversichtlich, dass die Beweise in diesem Fall zeigen werden, dass das Unternehmen nicht für die angeblichen Schäden verantwortlich ist.“ Beckenschmerzen und Gebärmutter-Blutungen etwa tut die Verteidigungsschrift als ganz normale Alltagsbeschwerden vieler Frauen im gebärfähigen Alter ab. „Es ist unvermeidlich, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Frauen in jedem Fall unter einem oder beiden dieser Symptome gelitten hätte“, meinen die BAYER-JuristInnen. Auch in vielen anderen Ländern stand ESSURE schon vor Gericht. So musste der Leverkusener Multi 39.000 US-amerikanischen Betroffenen im Jahr 2020 1,6 Milliarden Dollar zahlen. 750.000 Stück setzte der Pillen-Riese weltweit von dem Medizin-Produkt ab, bis er nach Verboten und Gebrauchseinschränkungen in einigen Staaten 2017 den Markt-Rückzug einleitete. Als Gründe für die Einstellung des Verkaufs führte die Aktien-Gesellschaft jedoch nicht etwa die Risiken und Nebenwirkungen, sondern lediglich die „inadäquate und irreführende Berichterstattung über das Mittel“ sowie das abnehmende Interesse für Langzeit-Kon-trazeptiva an.
Kein Phosphorit aus der Caldwell-Mine
Die Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphorit aus den Tagebau-Minen rund um den US-amerikanischen BAYER-Standort Soda Springs belastet Mensch, Tier und Umwelt enorm (siehe auch SWB 1/23). Unter anderem gelangen dabei Schwermetalle und radioaktive Stoffe wie Uran, Radom, Radium und Selen ins Freie. Darum haben das CENTER FOR BIOLOGICAL DIVERSITY (CBD) und andere Verbände die Genehmigung zur Inbetriebnahme einer neuen Mine, die das „Bureau of Land Management“ dem Leverkusener Multi im Jahr 2019 erteilte, angefochten. Und im Januar 2023 gab ein US-Gericht der Klage gegen die Behörde und den Agro-Riesen als „Streithelfer“ statt. Der „U.S. District Court for the District of Idaho“ bescheinigte dem „Bureau of Land Management“, bei seiner Entscheidung die weiteren Konsequenzen der Phosphorit-Förderung wie die damit über Jahrzehnte fortgeschriebene umweltschädliche Weiterverarbeitung in Soda Springs und die Gefährdung von Beifußhuhn-Populationen nicht beachtet zu haben. Als Konsequenz aus diesem RichterInnen-Spruch widerrief der U.S. District Court von Idaho am 2. Juni 2023 die Genehmigung. „Wir sind mit dem Urteil gegen das US Bureau of Land Management (BLM) nicht einverstanden und prüfen unsere nächsten Schritte, zu denen auch die Einlegung von Rechtsmitteln gehören könnte“, erklärte der Leverkusener Multi daraufhin.
Glyphosat: Neue Prozess-Strategie
Der BAYER-Konzern hat seine Vorgehensweise bei den Entschädigungsprozessen in Sachen „Glyphosat“ geändert. Er lässt es jetzt nur noch in besonders aussichtsreichen Fällen auf Gerichtsverfahren ankommen. Der Leverkusener Multi setzt nämlich darauf, durch Entscheidungen zu seinen Gunsten potenzielle neue KlägerInnen davon abzuhalten, eine juristische Auseinandersetzung zu beginnen. Ansonsten strebt er Vergleiche mit den Betroffenen an, die Glyphosat für das Non-Hodgkin-Lymphom – eine spezielle Art des Lymphdrüsen-Krebses – verantwortlich machen. „Aktuell geht es um Abschreckung“, mit diesen Worten umreißt das Handelsblatt die Strategie. Und diese verfängt momentan. Zuletzt verbuchte der Agro-Riese sieben Freisprüche in Folge für sich. Der Pharma-Riese schreibt das neuen Studien zu, die er als Entlastungsmaterial präsentierte. Er hebt dabei besonders diejenige von Cristian Tomasetti hervor, die das Non-Hodgkin-Lymphom auf zufällige Zell-Mutationen statt auf Glyphosat zurückführt. Geschädigten-Anwälte erklären die Sieges-Serie hingegen mit der Auswahl der Prozess-GegnerInnen, bei welcher die BAYER-JuristInnen gezielt Ausschau nach anderen Risiko-Faktoren für Krebs wie etwa Übergewicht hielten. Obwohl noch rund 45.000 Klagen anhängig sind, blieb die Wirkung nicht aus. Der Ausgang der jüngsten Verfahren hielt einige Kanzleien davon ab, neue Glyphosat-MandantInnen anzunehmen und machte für das Unternehmen überdies die neuen außergerichtlichen Einigungen billiger.
Blutskandal-Geschädigte klagen
In den 1980er Jahren infizierten Blut-Produkte von BAYER & Co. zehntausende Bluter mit AIDS oder Hepatitis C (siehe DRUGS & PILLS). Dem Leverkusener Multi blieb daher kaum etwas anderes übrig, als sich 1995 gemeinsam mit anderen Pillen-Riesen und dem „Deutschen Roten Kreuz“ finanziell an der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ zu beteiligen. Allerdings stiegen die Unternehmen im Jahr 2018 wieder aus, und seit der Bund allein für die Unterstützung sorgt, reicht den Betroffenen das Geld hinten und vorne nicht. Einen Inflationsausgleich bekommen sie beispielsweise erst ab 2019. Mit einer Klage gegen die Stiftung wollen die Geschädigten nun erreichen, diesen auch rückwirkend für die Jahre von 1995 bis 2018 zu erhalten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert, BAYER und die anderen am Blut-Skandal beteiligten Firmen wieder in die Pflicht zu nehmen, um den Betroffenen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Dicamba: BAYER verklagt FarmerInnen
Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hinterlässt in den USA eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die nicht per Gentechnik gegen den Stoff gewappnet sind und deshalb eingehen. 265 Millionen Dollar Schadensersatz mussten der Leverkusener Multi und BASF im Jahr 2020 dafür zahlen. Eine Zulassungsverlängerung erfolgte nur unter Auflagen. So dürfen die FarmerInnen die Produkte jetzt nur noch bis zu einem bestimmten Stichtag verwenden. Zudem verlangte die US-amerikanische „Environmental Protection Agency“ (EPA) eine Veränderung der Rezeptur, um die Agro-Chemikalie am Boden zu halten und eine Abdrift zu verhindern. Genutzt hat das alles jedoch nicht viel. 3.500 Schadensmeldungen zählte der im August 2022 von der Umweltbehörde publizierte Risiko-Bericht. Der BAYER-Konzern aber steht in Treue fest zu Dicamba und gibt stattdessen den Bauern und Bäuerinnen die Schuld an dessen Risiken und Nebenwirkungen. Er wirft ihnen vor, immer noch die alten Versionen des Pestizids zu verwenden und sich nicht an die Stichtag-Regelung zu halten. Vier LandwirtInnen hat der Agro-Riese deshalb nun sogar verklagt. UmweltaktivistInnen kritisieren dieses Ablenkungsmanöver der UnternehmensstrategInnen scharf. „Sie sehen das als eine Möglichkeit, die Verantwortung für die Abdrift-Schäden zu bestreiten“, konstatiert George Kimbrell vom CENTER FOR FOOD SAFETY.
Dicamba: FarmerInnen verklagen BAYER
265 Millionen Dollar Schadensersatz kosteten die Risiken und Nebenwirkungen des Herbizids Dicamba (s. o.) BAYER und BASF bereits. Aber das dürfte noch längst nicht alles sein. So zogen 57 texanischen Weinbauern und -bäuerinnen vor Gericht, weil sie das Mittel für die Zerstörung ihrer Ernten verantwortlich machen. Sie fordern 560 Millionen Dollar von den beiden Konzernen. „Mit dieser Klage wollen wir den nachweislichen Schaden aufdecken, den der Einsatz von Produkten auf Dicamba-Basis nicht nur für die Qualität der Traubenproduktion, sondern auch für unser Endprodukt, den texanischen Wein, und letztlich für die texanischen Weinkonsumenten bedeutet. Die langfristigen Auswirkungen sind noch nicht bekannt, aber zweifellos werden sie für die Weinbauern, die Winzer und unsere Verbraucher kostspielig sein“, erklärte die „Texas Wine and Grapegrowers Association (TWGGA). Zudem forderte der Verband die US-amerikanische Umweltbehörde EPA auf, Dicamba die Zulassung zu entziehen.
Produkt-Haftung: BAYER vs. MERCK
Im Jahr 2014 hat der BAYER-Konzern von MERCK für 10,4 Milliarden Euro die Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Erzeugnissen erworben. Dazu gehörten auch die – inzwischen wieder verkauften – Fußpflege-Mittel der „Dr. Scholl’s“-Serie. Und hier droht jetzt Ungemach. In einem Dr. Scholl’s-Talkumpuder fanden sich nämlich – wie in zahlreichen anderen Puder-Erzeugnissen auf dem US-Markt – Spuren von Asbest. Babypuder-Anbieter JOHNSON & JOHNSON sieht sich deshalb bereits mit Zehntausenden von Klagen konfrontiert. In Sachen „Dr. Scholl’s“ könnte es auch dazu kommen, weshalb MERCK und BAYER vor Gericht schon mal prophylaktisch um die Produkt-Verantwortung streiten. Im April 2023 erhielt der Leverkusener Multi recht. Die Richter-Innen verwiesen in ihrem Urteil auf den von beiden Unternehmen geschlossenen Kaufvertrag, der als Adressaten für alle Haftungsansprüche Produkte betreffend, die vor dem Deal produziert wurden, eindeutig MERCK ausweise. So ein Passus fehlte offensichtlich in BAYERs MONSANTO-Vertrag, sonst hätte der Global Player das milliarden-schwere Glyphosat-Problem nicht.