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Ticker 04/24

Marius Stelzmann

mit dieser Krankheit produzieren die Neuronen im Gehirn zu wenig Dopamin. Das Fehlen dieses Neurotransmitters führt dann zu Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Steifheit. Die Konzern-Tochter ASKBIO will nun ein Gen in das Gehirn der Kranken einführen, das eine „Regeneration von Mittelhirn-Neuronen“ anregt, und dazu als Transport-Fähren Erkältungsviren nutzen.

Der auf 18 Monate angesetzte klinische Test der Phase Ib mit elf ProbandInnen hatte aber erst einmal nur zum Ziel, die Verträglichkeit von „AB-1005“ zu prüfen, was dem Unternehmen zufolge auch gelungen ist. „Diese frühen Daten bestärken uns und zeigen, dass der Medikamenten-Kandidat bei Patienten mit milder bis mittelschwerer Parkinson-Krankheit gut verträglich ist“, so ASKBIO.

Mit was für Risiken solche Schnell-Verfahren verbunden sein können, demonstriert der Fall „Aliqopa“. Ebenfalls auf der Überholspur zur Genehmigung gekommen, zeigten sich bei dem BAYER-Pharmazeutikum mit dem Wirkstoff Copanlisib zur Therapie von PatientInnen mit dem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses – bald schon die Nebenwirkungen. Wie eine Überprüfung mehrerer Zulassungsstudien durch die FDA ergab, haben ALIQOPA und andere Arzneien, die das Enzym P13K blockieren, zwar kurzfristig positive Effekte, führen bei den Test-Personen auf lange Sicht aber zu erhöhten Sterblichkeitsraten. Die Toxizität der Mittel akkumuliert sich nämlich. Der Leverkusener Multi musste das Präparat daraufhin vom Markt nehmen.

Gentherapie für Parkinson-Subtyp

Die BAYER-Tochter ASKBIO hat in den USA mit einem klinischen Test der Phase I für eine Gen-Therapie zur Behandlung des Parkinson-Subtyps MSA-P begonnen. Bei PatientInnen mit dieser Krankheit produzieren die Neuronen im Gehirn zu wenig Dopamin. Die ForscherInnen wollen nun in das Gehirn der PatientInnen ein Protein einführen, das die Neuronen stärkt und so den Verlauf der Krankheit positiv beeinflusst.

Krebs durch CAR-T-Zell-Arzneien

Bei Therapien auf der Basis von CAR-T-Zellen werden körpereigene oder fremde Immunzellen im Genlabor mit „Chimären Antigen-Rezeptoren“ (CAR) ausgestattet, die krankheitserregenden Zellen anhand bestimmter Eiweiße auf deren Oberfläche orten und – im Idealfall – zerstören können. Manchmal nutzen die Mediziner-Innen auch die mRNA-Technologie und übertragen mit ihr nur die genetischen Informationen zum Aufbau der CAR-T-Zellen, die der Körper dann selbst herstellt.

Aber all das ist nicht ohne. Die Steuerung der CAR-T-Zellen fällt nämlich schwer. Sie greifen mitunter auch intaktes Gewebe an, da sich die Eiweiße, die ihnen als Andock-Stelle dienen, nicht nur auf den avisierten Zellen finden. Zudem ist die Reaktion des Körpers auf die Zellen schwer vorhersehbar. Nicht selten lösen diese einen lebensgefährlichen Zytokin-Sturm im Immunsystem aus, das sogenannte cytokine release syndrome (CRS).

Bei einem klinischen Test der BAYER-Gesellschaft ATARA zur Behandlung von Brustfellkrebs CAR-T-Zellen starb ein Proband. Daraufhin stoppte die Aufsichtsbehörde die Versuche – und der Leverkusener Multi stieß ATARA ab. Nun warnte auch das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) vor CAR-T-Zell-Präparaten, welche ASKBIO – eine Tochtergesellschaft des Leverkusener Multis – gerade zur Therapie von Herzerkrankungen erprobt. Die Behörde verwies auf eine Untersuchung der „Europäischen Arzneimittel-Behörde EMA“, wonach von den Mitteln eine Krebsgefahr ausgeht. Die WissenschaftlerInnen untersuchten das Gewebe von Tumor-PatientInnen und fanden dort Spuren der CAR-Konstrukte. „Dies deutet darauf hin, dass das CAR-T-Zell-Arzneimittel an der Krankheitsentwicklung beteiligt war“, resümiert das BfArM.

Kooperation mit NextRNA

Das US-amerikanische Start-Up NextRNA forscht an Molekülen, die bestimmte tumor-treibende-Ribonukleinsäuren (RNAs) ausschalten. Der BAYER-Konzern setzt auf diese Technologie und hat mit dem Unternehmen eine Kooperation vereinbart. Im Falle einer erfolgreichen Therapie-Entwicklung winken NextRNA bis zu 547 Millionen Dollar.

Ghana gibt Gentech-Bohne frei

Die ghanaische Nationale Biosicherheitsbehörde NBA hat eine Gentech-Bohne für den Anbau zugelassen. Dabei handelt es sich um eine Augenbohne, die das staatliche „Savannah Agricultural Reseach Institute“ mit einem Bt-Toxin des Leverkusener Multis bestückt hatte, um die Pflanzen gegen den Bohnen-Zünsler zu wappnen. Zuvor hatte schon Nigeria ein solches Gen-Konstrukt genehmigt.

Das Projekt geht auf eine in den 2010er Jahren begonnene Kooperation von BAYERs jetziger Tochter-Gesellschaft MONSANTO mit US-amerikanischen und britischen Entwicklungshilfe-Agenturen sowie der Rockefeller-Stiftung zurück. Wegen der ökologischen und ökonomischen Folgen stieß es von Anfang an auf Kritik. Organisationen wie das Afrikanische Zentrum für Biodiversität (ACB) sahen darin einen möglichen Türöffner für die Laborfrüchte der Agro-Riesen und warnten vor neuen Abhängigkeiten der afrikanischen FarmerInnen durch jährlich zu erneuernde Lizenz-Verträge. Zudem machten sie auf die Gefahr von Auskreuzungen aufmerksam.

In Ghana fochten Initiativen die Entscheidung der NBA an. Aber der ghanaische Gerichtshof lehnte die Klage Ende Mai 2024 ab.

Ghana erlaubt Gentech-Importe

Im April 2024 hat die ghanaische Nationale Biosicherheitsbehörde NBA Einfuhr-Genehmigungen für 14 gentechnisch veränderte Mais- und Soja-Sorten erteilt. Dreizehn davon sind made by BAYER. Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Mais-Arten MON810, MON87411, MON87427, MON87460, MON88017, MON89034 und NK603 sowie die Soja-Arten 40-3-2, MON87701, MON877775, MON87708, MON87751 und 89788. Die Entscheidung stieß auf massive Kritik. Die „Peasant Farmers Association of Ghana“ (PFAG) warf der NBA vor, damit lediglich „die Agenda der multinationalen Saatgut-Unternehmen“ umzusetzen. ACTION-AID GHANA kritisierte die Import-Freigabe derweil, weil davon „erhebliche Risiken für die Ernährungssicherheit, die biologische Vielfalt und das Wohlergehen gefährdeter Gemeinschaften“ ausgingen. Und LandwirtInnen, die herkömmliches Soja anbauen, fürchten geschäftsschädigende Verunreinigungen ihrer Pflanzen durch die Laborfrüchte.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Klima-Plan

Der BAYER-Konzern will die AktionärInnen auf der nächsten Hauptversammlung über seinen „Transition and Transformation Plan“ zur Senkung klima-schädlicher Emissionen abstimmen lassen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN).

Der Transitionsteil befasst sich nicht nur mit dem Treibhausgas-Ausstoß, der bei der Produktion der selbst erzeugten und der zugekauften Energie entsteht, sondern auch mit demjenigen, der entlang der vor- oder nachgelagerten Lieferketten anfällt.  In diesen Bereichen strebt der Leverkusener Multi eine Absenkung von 90 Prozent bis zum Jahr 2050 an, wobei 2019 als Reverenz-Jahr dient. Warum 2019? Ganz einfach: Weil die Zahlen da besonders hoch waren und ein Herunterkommen von dieser Basis aus leichter fällt.

Größere Anstrengungen will der Agro-Riese nur bei der extern bezogenen Energie unternehmen und hier verstärkt auf Erneuerbare setzen. Bei der selbst produzierten Energie hingegen sieht er kaum CO2-Reduktionsmöglichkeiten. Und bei den Lieferketten gibt sich die Aktien-Gesellschaft ganz bescheiden: Um gerade einmal 12,3 Prozent bis 2029 möchte sie hier den Ausstoß von CO2 & Co. verringern. „Wettbewerb und einen Mangel an globaler Abstimmung“ nennt BAYER als Grund für das nur wenig ehrgeizige Ziel.

Stattdessen heißt die Devise: CO2-Kompensation statt -Reduktion. Das Unternehmen beabsichtigt den Schaden, den es dem Klima zufügt, an anderer Stelle wieder auszugleichen und investiert in Waldschutz- und Wiederaufforstungsvorhaben. Deren Ertrag für seine Klima-Bilanz beziffert der Global Player für 2023 auf 600.000 Tonnen CO2. An der Belastbarkeit dieser Zahl bestehen allerdings erhebliche Zweifel. Der Agro-Riese hat für einen Teil seiner Kompensationsgeschäfte nämlich Zertifikate der Firma VERRA erworben, die nach Recherchen von Die Zeit und anderen Medien gar nicht von wirklichen Kohlendioxid-Einsparungen gedeckt, sondern „[e]in Haufen Schrott“ waren.

Trotz allem fühlt sich der Global Player noch bemüßigt, darüber nachzudenken, „wie wir den Klimawandel über unsere Grenzen hinaus abschwächen können“ und beschreibt dies zusammen mit seinen angeblichen Beiträgen zur Klima-Anpassung im „Transformation Plan“. In diesem bringt er dann Glyphosat, das de facto wegen seiner extrem energie-intensiven Produktion ein veritabler Klima-Killer ist, einmal mehr als Klima-Retter ins Spiel, weil es LandwirtInnen das minimal Kohlendioxid freisetzende Pflügen erspart. Und da der Klima-Wandel auch Auswirkungen auf die Gesundheit hat, sieht der Konzern sich mit seiner Pharma-Abteilung irgendwie am richtigen Platze. Nur ein einziges Mal auf diesen 16 Seiten wird er konkreter und kann ein Produkt präsentieren, das tatsächlich positive Auswirkungen auf das Klima hat: einen Direktsaat-Reis, bei dessen Anbau nicht mehr so viel Methan in die Atmosphäre gerät.

Alles in allem also ein „Transition and Transformation Plan“, dem BLACKROCK & Co. getrost zustimmen können.

Ein bisschen Emissionshandel

„Ein wirtschaftliches Instrument, mit dem man Umweltziele erreichen will“ – so beschrieb die FAZ einmal den 2005 EU-weit eingeführten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Nach dessen Bestimmungen dürfen die Multis nur bis zu einer bestimmten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen, für darüber hinausgehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Das sollte sie dazu animieren, sauberere Modelle der Energie-Versorgung zu etablieren.

Die Lenkungswirkung hält sich dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. aber arg in Grenzen. So erhielten die Konzerne jahrelang viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Überdies fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben von ihr indessen verschont.

Darum brauchte der Leverkusener Agro-Riese im Geschäftsjahr 2023 nur mit fünf seiner Anlagen, deren Kohlendioxid-Ausstoß sich auf rund 265.000 Tonnen belief, Emissionshandel zu betreiben. In Deutschland waren es das Kraftwerk in Bergkamen mit rund 27.108 Tonnen (2022: 30.814), die Energie-Zentrale Berlin mit 36.585 Tonnen (2022: 41.677) und das Wuppertaler Heizhaus mit 12.583 Tonnen (2022: 15.748). Insgesamt kam der Global Player im letzten Jahr jedoch auf 3 Millionen Tonnen CO2.

BAYERs Ökostrom-Deal

„Der Vertrag mit den Wuppertaler Stadtwerken ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Verringerung unseres CO2-Fußabdrucks“, so freute sich BAYERs Kommunikationschef Matthias Berninger im April diesen Jahres über den neuen Vertrag mit den Wuppertaler Stadtwerken (WSW). Und tatsächlich: Künftig werden die Standorte Darmstadt, Weimar, Bitterfeld, Bergkamen, Berlin und Wuppertal nur noch erneuerbaren Strom beziehen. Die im Vertrag zugesicherten 120 GWh Wind- und Solarstrom sind da ein zentraler Schritt, das Ziel des Leverkusener Multis zu erreichen, bis 2030 zu 100 Prozent auf Erneuerbare umgestellt zu haben. Immerhin entsprechen die 120 GWh ungefähr der Menge an Strom, mit der ein Jahr lang 30.000 Haushalte versorgt werden könnten. Hier ist allerdings anzumerken, dass sich die 100 Prozent nur auf den eingekauften Strom beziehen. Beim selbst produzierten Strom verfolgt der Agro-Riese nicht so ehrgeizige Ambitionen. Dort fielen 2023 dann auch 63 Prozent der insgesamt emittierten drei Millionen Tonnen Kohlendioxid an, was dem energie-bedingten Jahresausstoß von ca. 375.000 deutschen BürgerInnen entspricht.

Aber nicht nur deshalb steht BAYERs Klimapolitik in der Kritik: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wirft dem Konzern unter anderem vor, die extrem klima-schädliche Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs nur sehr zögerlich zu modernisieren. Auch stößt sich die CBG an der Strategie des Unternehmens, den Schaden, den es dem Klima zufügt, an anderer Stelle wieder auszugleichen und in Waldschutz- und Wiederaufforstungsvorhaben mit zweifelhaftem Nutzen zu investieren.

BAYER 04 vs. Wasserschutz #1

Der Trainingscampus von BAYER 04 Leverkusen muss dem Ausbau der Autobahn A1 weichen. Bereits seit Längerem sucht der Club deshalb einen neuen Standort. Ein Gelände in Langenfeld schied dabei eigentlich schon aus, weil es in einem 22 Hektar großen Wasserschutzgebiet liegt. Aber jetzt kommt das Areal auf Wiedervorlage – als frischgebackener deutscher Fußballmeister hat die Werkself gegenüber der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde nämlich einen besseren Stand.

Der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider ist von den Plänen alles andere als begeistert. „Die gesamte Anlage – immerhin 13 Fußball-Plätze plus Internat plus sämtliche Anlagen, die zur Sache dazugehören, Parkplätze und Parkhäuser – alles steht direkt neben unseren Brunnen und fließt sofort unseren Brunnen zu“, so der Christdemokrat. Rudolf Gärtner vom Verbandswasserwerk Langenfeld-Monheim hat vor allem wegen der Risiken und Nebenwirkungen der Rasenpflege mit Dünger und Pestiziden Befürchtungen: „Das ist ein ehemaliges Rheinbett, hier sind Sande und Kiese unter der Oberfläche, und in diesen Sanden und Kiesen fließt eben Grundwasser sehr schnell. Insofern sind Schadstoffe, die von oben nach unten durchsickern, auch sehr schnell im Grundwasser drin.“ Der zusätzliche Wasserverbrauch durch ein Trainingsgelände an dieser Stelle macht ihm ebenfalls Sorgen.

Die Bezirksregierung Düsseldorf erklärte gegenüber dem WDR, dass hinsichtlich einer Genehmigung immer noch Bedenken bestehen. Erforderlich wäre der Behörde zufolge ein beträchtlicher bürokratischer Aufwand, um die wasserrechtlichen Fragen zu klären, den Regionalplan sowie die landesplanerischen Vorgaben zu ändern. Sie kündigte eine Entscheidung in der Sache bis Ende August 2024 an, lud alle Beteiligten dann aber erst einmal zu einem Gespräch ein.

Neben VertreterInnen von BAYER Leverkusen, dem Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider und seinem Kollegen Daniel Zimmermann aus Monheim nahmen Stefan Figge als Leiter des Verbandswasserwerks Langenfeld/Monheim, der Mettmanner Landrat Thomas Hendele, der Leiter der Oberen Wasserbehörde sowie EmissärInnen der Staatskanzlei und des Landeswirtschaftsministeriums an dem Treffen teil.

Auf der Tagesordnung standen unter anderem wasserrechtliche Fragen, mögliche Grundwasser-Verunreinigungen durch die Düngung des Trainingsareals und die Auswirkungen seines Wasserbedarfs auf die Trinkwasser-Versorgung Langenfelds. Im Anschluss verkündete eine Sprecherin der Bezirksregierung der Rheinischen Post zufolge, der zuständige Kreis Mettmann werde in enger Abstimmung mit der Bezirksregierung prüfen, ob BAYER 04 die für den Bau des Campus erforderliche Befreiung von der Satzung des Wasserschutz-Gebietes erteilt werden könnte.

Das Nachleben der Weltkriegsmunition

Allein in den Teilen von Nord- und Ostsee, die zum deutschen Hoheitsgebiet gehören, liegen auf dem Meeresgrund rund 1,6 Millionen Tonnen Munition aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg; nicht wenig davon made by BAYER. Die Bundesregierung hat ein Pilot-Projekt zum Aufspüren und zur Bergung der Minen, Bomben und Kampfstoffe initiiert (siehe unten), und das federführende Bundesumweltministerium verwies in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Gefährlichkeit des maritimen Waffenlagers: „Neuere Forschung hat gezeigt, dass sich von den Sprengstoffen herrührende, teils krebserregende und das Erbgut schädigende Substanzen in Meeres-Lebewesen wie Muscheln und Fischen anreichern können. Das gefährdet aktuell vor allem die Meeres-Umwelt. Jedoch könnten auf diesem Weg Schadstoffe aus Sprengstoff-Verbindungen zukünftig auch in die menschliche Nahrungskette gelangen.“

Pilot-Projekt zur Munitionsbergung

Seit Juli 2024 laufen die Vorarbeiten zum Aufspüren und zur Bergung von Weltkriegsmunition aus dem Meer. In der Ostsee startete ein Pilot-Projekt zur Erprobung bestimmter Techniken. Später im Jahr beginnt dann der Aufbau einer schwimmenden Industrie-Anlage zur Entsorgung der tickenden Zeitbomben.

Die Bundesregierung spricht von einem wichtigen Schritt, der jedoch noch „keine größere mengenmäßige Entlastung“ bringe. In der Test-Phase ist lediglich die Räumung von 50 Tonnen vorgesehen. Insgesamt lagern aber allein in den deutschen Hoheitsbereichen von Nord- und Ostsee 1,6 Millionen Tonnen Munition, davon 300.000 Tonnen chemische Kampfstoffe.

Das alles hervorzuholen und unschädlich zu machen, erfordert weit mehr Mittel als die im Rahmen des „Sofortprogramms Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee“ bereitgestellten 100 Millionen Euro. „Die Anschluss-Finanzierung dieser Aufgabe, mit der sich noch unsere Enkel beschäftigen werden, ist nun die nächste Aufgabe für die Politik“, sagte der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Die Grünen) beim Start des Bergungsunternehmens. „Der BAYER-Konzern muss sich an dieser Aufgabe beteiligen, denn er hat die Waffenarsenale der Militärs in beiden Weltkriegen mit Minen, Kampfstoffen und Bomben gefüllt“, forderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) deshalb in einer Presseerklärung.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Rheinalarm wg. BAYER-Pestizid

Am 24. August 2024 gelangten vom Klärwerk Leverkusen-Bürrig aus 180 Kilogramm des Pestizid-Bestandteils 2,6-Dimethyl-1-Aminoindan in den Rhein. Die Bezirksregierung Düsseldorf löste sofort Rheinalarm aus. Noch am 4. September maß das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) an verschiedenen Stellen wie Düsseldorf-Flehe und Duisburg-Homberg deutlich erhöhte Werte für die Komponente des BAYER-Ackergiftes Indaziflam.

Die Substanz wirkt akut toxisch und kann Haut- und Augenschäden verursachen. Für Wasserlebewesen stellt sie eine unmittelbare Bedrohung dar.

Dem LANUV zufolge gehört 2,6-Dimethyl-1-Aminoindan zur Wassergefährdungsklasse 2, was „deutlich wassergefährdend“ bedeutet. „Das ist vor allem für trinkwasser-gewinnende Betriebe im weiteren Verlauf des Rheins, vor allem in den Niederlanden, von Bedeutung“, so LANUV-Pressesprecherin Birgit Kaiser de Garcia gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Der Klärwerksbetreiber Currenta stieß bei einer Routine-Kontrolle auf den massiven Pestizid-Eintrag in den Fluss. Eine Erklärung dafür konnte er nicht vorbringen.

„Es ist ein Unding, dass die Currenta die Pestizid-Einleitungen nur zufällig entdeckte. Ein Klärwerk sollte technisch so ausgestattet sein, dass es die Abwasser-Ströme misst und bei Unregelmäßigkeiten sofort Alarm schlägt“, kritisierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) in ihrer Presseerklärung. Zudem hatte die Substanz nach Ansicht der Coordination überhaupt nichts in Leverkusen zu suchen. BAYER produziert Indaziflam nämlich im Chem„park“ Dormagen, wo es ein eigenes Klärwerk gibt. Die Currenta aber schiebt die Fabrikationsrückstände aus ökonomischen Gründen zwischen Dormagen und Leverkusen hin und her, um die Kapazitäten möglichst optimal zu nutzen. Das Unternehmen drückt das freilich ein bisschen anders aus und spricht von einem „wechselseitigen Entsorgungsverbund“.

STANDORTE & PRODUKTION

Haushaltssperre in Leverkusen

Leverkusen hat im August 2024 eine Haushaltssperre verhängt. Die Kommune finanziert nur noch das, wozu sie gesetzlich verpflichtet ist. Alles Übrige, beispielsweise Ausgaben für Kultur, Sport oder Karneval, kommt auf den Prüfstand. Als Grund gibt die Stadt geringere Gewerbesteuer-Einnahmen von BAYER, COVESTRO und anderen Chemie-Betriebe an. Sie musste an BAYER & Co. sogar Steuern, die die Firmen als Vorauszahlungen geleistet hatten, wieder zurückzahlen. In der entsprechenden Pressemitteilung hieß es: „Aus Sicht der Stadtspitze sind die geringer ausgefallenen Gewerbesteuer-Einnahmen im Wesentlichen auf die Belastungen für die chemische Industrie zurückzuführen.“

Und tatsächlich darbt diese. So rechnet BAYER für 2024 bloß noch mit einem Gewinn von schlappen zehn Milliarden Euro, und die COVESTRO sogar nur mit einem von 1 bis 1,4 Milliarden Euro – das reicht natürlich hinten und vorne nicht. Um den Konzernen zu besseren Zahlen zu verhelfen, will Oberbürgermeister Uwe Richrath (SPD) nun versuchen, „für die chemische Industrie eine stabile Steuer-Basis zu schaffen“. Dafür betätigt er sich als Oberlobbyist und verlangt Subventionen: „Die energie-intensive chemische Industrie, besonders in unserer Stadt, muss eine Möglichkeit haben, adäquat auf die derzeit weltweiten Krisen zu reagieren. Bereits seit einem Jahr fordere ich wiederholt die Einführung eines Brückenstrompreises.“

2019 hatte Leverkusen die Unternehmen mit einer Gewerbesteuer-Senkung auf 8,75 Prozent beglückt, um im Unterbietungswettbewerb mit Monheim gleichzuziehen, aber offensichtlich zeigten die Firmen sich nicht erkenntlich. Trotzdem steht eine Erhöhung der Abgabe nicht zur Debatte. Als „Standortvorteil“ bezeichnete die SPD-Fraktion den gegenwärtigen Gewerbesteuer-Hebesatz. Bereits im Jahr 2014 sah sich die Stadt wegen BAYER & Co. zu einer Haushaltssperre gezwungen. Und damals wie heute äußerte sie die Absicht, sich weniger abhängig von der Chemie-Industrie zu machen.

BAYER verkauft Erholungshaus

An vielen seiner Standorte unterhielt der BAYER-Konzern einst nicht nur Produktionsstätten, sondern auch eine soziale Infrastruktur mit Schwimmbädern, Kaufhäusern, Bibliotheken, Breitensport-Vereinen, Werkskindergärten und Werkswohnungen. Diese Sozialpolitik sollte eine „BAYER-Familie“ begründen, die Beschäftigten an den Global Player binden und so davon abhalten, auf dumme, klassenkämpferische Gedanken zu kommen.

Doch von dieser Strategie hat der Global Player sich schon lange abgewendet. Die Einrichtungen schloss er peu-à-peu, und auch seine Immobilien stieß er nach und nach ab. Im Jahr 2002 trennte die Aktien-Gesellschaft sich von ihren 9.600 Werkswohnungen, 2023 veräußerte sie die BeamtInnen-Kolonie. Und jetzt will der Leverkusener Multi an seinem Stammsitz das Erholungshaus, die Bürgerhalle und zwei Parkanlagen abstoßen. Nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeigers hat er der Stadt das ganze Paket zum Kauf angeboten.

Kein Wasserstoff-Cluster in Bergkamen

Der BAYER-Konzern gab im Januar 2024 Pläne für eine Kooperation mit E.ON und IQONY bekannt, die sich zum Ziel gesetzt hatte, seinen Industrie-„Park“ in Bergkamen klima-schonend mit grünem Wasserstoff als Energie-Träger zu versorgen. Die Partner wollten diesen jedoch nicht selbst produzieren, sondern – in Ammoniak gebunden – importieren. Vor Ort sollte dann eine Anlage den Wasserstoff wieder aus dem Ammoniak lösen („cracken“) und den einzelnen Werken zuführen.

Im Juni 2024 bliesen die drei Unternehmen das Vorhaben allerdings wieder ab. „Eine Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass die bislang identifizierten Wasserstoff-Bedarfe nicht ausreichen, um das Projekt zum jetzigen Zeitpunkt wirtschaftlich darstellen zu können. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass nach wie vor eine Reihe von regulatorischen Entscheidungen aussteht, von denen spürbare Auswirkungen sowohl auf die künftige Preisbildung als auch auf die Wasserstoff-Nachfrage zu erwarten sind“, erklärte das Trio.

Ohnehin wäre ein solches Cluster fragwürdig gewesen, weil es beabsichtigte, den Wasserstoff aus anderen Ländern vornehmlich des globalen Südens zu beziehen, wo dessen Herstellung zu Umweltbelastungen führt. „Wir sprechen über Mega-Projekte, die enorme Mengen an Wasser verbrauchen und riesige Flächen beanspruchen“, sagt etwa Andreas Stamm vom „German Institute of Development and Sustainability“.

VIVIDION baut an

Die BAYER-Tochter VIVIDION sucht mit Hilfe neuer Technologien Proteine, die eine Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielen und deshalb als Ansatzpunkte für Therapien in Frage kommen. „Unsere firmen-eigene Chemoproteomik-Plattform überwindet die wesentlichsten Einschränkungen konventioneller Screening-Verfahren und ermöglicht uns, bisher unbekannte oder verborgene funktionelle Taschen auf der Oberfläche von Proteinen zu entdecken und niedermolekulare Wirkstoffe zu identifizieren, die sich selektiv an diese Targets binden“, so VIVIDION-Chef Jeff Hatfield. Dafür erweitert die im Jahr 2021 vom Leverkusener Multi aufgekaufte Firma am Standort San Diego nun ihre Kapazitäten und errichtet ein neues Zentrum für Forschung und Entwicklung.

Mehr Arzneien aus Mexiko

Der BAYER-Konzern baut seine Pharma-Fertigungsstätten in Mexiko aus. Rund 200 Millionen Euro will der Leverkusener Multi an seinen beiden Standorten Orizaba und Lerma investieren. Orizaba ist ein Glied der Verhütungsmittel-Wertschöpfungskette. Aus Kostengründen stellt der Global Player dort die Grundstoffe für YASMIN & Co. her und verarbeitet sie anschließend in Bergkamen weiter. In Lerma produziert er hauptsächlich ASPIRIN und ALKA SELTZER.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER Nr. 16

In der Aufstellung der größten Unternehmen Deutschlands belegt BAYER mit einem Umsatz von 47,6 Milliarden Euro Platz 16 (2022: 18). Europa-weit kommt der Konzern damit auf Rang 58 (2022: 62). Für eine Platzierung in der Top 100 der Welt reichten die Geschäftszahlen allerdings nicht.

RECHT & UNBILLIG

Tran To Nga vs. BAYER & Co.

Im August 2024 hat ein Pariser Berufungsgericht in dem Verfahren gegen die BAYER-Tochter MONSANTO und dreizehn weitere Produzenten von Agent Orange zuungunsten der franco-vietnamesischen Geschädigten Tran To Nga entschieden. Es sprach die Konzerne von einer Mitverantwortung für die Gesundheitsstörungen frei, die die heute 82-jährige Frau durch das zur Chemie-Waffe umfunktionierte Herbizid erlitten hatte.

Die RichterInnen billigten den Firmen einen Immunitätsstatus zu, weil sie im Auftrag eines souveränen Landes – der USA – handelten. Der „Cour d’Appel“ bestätigte damit das Urteil des Gerichts von Evry und folgte wie dieses der Argumentation der VerteidigerInnen der Unternehmen. Dabei hatten die Rechtsanwälte von Tran To Nga zahlreiche Beweise für ein schuldhaftes Verhalten der Multis vorgelegt. Bertrand Repolt und William Bourdon präsentierten mehrere Dutzend interne Dokumente, die belegen, dass die Chemie-Betriebe keine reinen Befehlsempfänger waren. „Der Herstellungsprozess lag exklusiv in der Hand der Unternehmen. Sie hatten einen Spielraum, um das Produkt weniger gefährlich zu machen. Sie taten dies nicht, im Namen einer kommerziellen Logik“, konstatierte Repolt.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das Votum scharf. „MONSANTO hat nicht lediglich ‚im Auftrag‘ gehandelt. Der Agro-Riese spielte eine aktive Rolle. So stand er beispielsweise mit dem Pentagon bereits seit 1950 im regen Austausch über die Kriegsverwendungsfähigkeit der Basis-Chemikalie von Agent Orange“, hieß es in der Presseerklärung der CBG.

Tran To Nga ließ sich durch den RichterInnen-Spruch nicht entmutigen und kündigte an, nun vor das französische Verfassungsgericht ziehen.

Australien: Glyphosat-Klage abgewiesen

Die weitaus meisten Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ fallen in den Vereinigten Staaten an, weil die US-amerikanische Gesetzgebung VerbraucherInnenschutz ernst nimmt. Außerhalb der USA landeten bisher nur rund 40 Fälle vor dem Kadi. Zudem muss der BAYER-Konzern dort nicht so oft harte Strafen hinnehmen.

So wies ein australisches Gericht Ende Juli 2024 die Sammelklage von mehr als 800 Glyphosat-Geschädigten ab, die das von BAYER unter dem Namen ROUNDUP vermarktete Herbizid für ihre Krebserkrankung verantwortlich gemacht hatten. Der zuständige Richter Michael Lee erachtete die vorgebrachten Belege für Glyphosat als Verursacher des Non-Hodgkin-Lymphoms (NHL) – eine Krebs-Form, die das Lymph-Gewebe befällt – als nicht ausreichend. „Es ist in diesem Verfahren bei Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nicht bewiesen, dass die Verwendung von ROUNDUP-Produkten oder die Exposition gegenüber ROUNDUP-Produkten während des relevanten Zeitraums das Risiko einer Person, an NHL zu erkranken, erhöht“, erklärte er.

Der Vertreter der KlägerInnen will nun erst einmal die Urteilsbegründung prüfen und dann entscheiden, ob er in Berufung geht. Der BAYER-Konzern zeigte sich indessen erwartungsgemäß hocherfreut über das Votum. „Die Entscheidung des Gerichts steht im Einklang mit den weltweiten behördlichen und wissenschaftlichen Bewertungen, einschließlich der australischen Behörde für Pestizide und Tierarzneimittel, die belegen, dass Glyphosat (ROUNDUP) sicher und nicht krebserregend ist“, konstatierte der Leverkusener Multi.

Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt

Im Jahr 2020 beschloss die mexikanische Regierung unter Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador, Glyphosat ab 2024 aus dem Verkehr zu ziehen. 2021 erweiterte sie den Bann auf Gen-Mais. BAYER ging dagegen juristisch vor und konnte zunächst auch Erfolge erringen. So erklärte ein Gericht das Gesetz für verfassungswidrig.

Unterstützung erhielt der Global Player auch durch die USA. Die Biden-Administration wandte sich gegen das Verbot von gentechnisch manipuliertem Mais, weil die USA Mexiko massenhaft mit der Laborfrucht beliefern. Die US-Regierung warf Obrador & Co. vor, mit dem Dekret gegen Bestimmungen des Handelsvertrags USMCA verstoßen zu haben und leitete entsprechende Schritte im Rahmen des Streitbeilegungsmechanismus ein.

Im Juli 2024 jedoch zog der Leverkusener Multi seine Klage zurück. Der die Regierungen beratende „Nationale Rat für Geisteswissenschaften, Wissenschaften und Technologien“ Conahcyt sprach daraufhin von einem „Sieg für das Leben, die Gesundheit und die Ernährungssouveränität“.

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