STANDORTE & PRODUKTION
Neues Umstrukturierungsprogramm
Der BAYER-Konzern hat ein großes Umstrukturierungsprogramm angekündigt. Im Pharma-Bereich will er rund zwei Milliarden Euro in die Modernisierung alter Werke, den Aufbau neuer Produktionen und die Digitalisierung stecken, rund eine Milliarde davon in Deutschland. Im Zuge der Pläne nimmt der Pillen-Riese auch De-Investitionen vor. So verkauft er eine Fabrik im pakistanischen Karachi, die den Behörden immer wieder durch inkorrekte Wirkstoff-Konzentrationen, nicht korrekt arbeitende Produktionsanlagen und Lagerhaltungsmängel negativ aufgefallen war. Von einer Fertigungsstätte im brasilianischen Cancioneiro hatte der Global Player sich bereits im Juni 2021 getrennt. Der Leverkusener Multi beabsichtigt im Zuge der Veränderungen überdies, „Teile der Infrastruktur sowie der Dienstleistungsbereiche an den deutschen Standorten in Bergkamen, Wuppertal und Berlin an externe Partner zu übertragen“. Diese Überführung in Chem„park“-Strukturen ähnlich denen in Dormagen und Leverkusen markiert eine Zäsur. Die Aktien-Gesellschaft könnte damit die Verantwortung für eine klimaschonendere Energie-Versorgung in fremde Hände legen. Die entsprechende Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der Hauptversammlung beantwortete BAYER-Vorstand Stefan Oelrich so: „Wir befinden uns hier auch in einem laufenden Prozess. Eine finale Entscheidung steht noch aus.“ Und zur Größenordnung der mit der Umstrukturierung verbundenen Arbeitsplatz-Vernichtung innerhalb des Konzerns sagte er: „Bitte haben Sie auch in diesem Fall dafür Verständnis, dass wir diesbezüglich zunächst die Ergebnisse der Gespräche mit potenziellen Interessenten abwarten müssen.“
Das Berliner Abriss-Programm
In Berlin-Wedding besitzt BAYER Häuser mit rund 140 Wohnungen. Der Konzern hat bereits viele Schritte unternommen, um diese Gebäude abzureißen und so dringend benötigten Wohnraum zu vernichten. Dabei setzt er die MieterInnen massiv unter Druck, um sie zum Ausziehen zu bewegen. Selbst ein Räumungstermin wurde schon angesetzt, den die BewohnerInnen erst im letzten Moment noch abwenden konnten. Dazu meldete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung Informationsbedarf an. „Ist der Eindruck der Öffentlichkeit richtig, dass Sie keine konkreten Pläne haben, was nach dem beabsichtigten Abriss mit den Grundstücken geschehen soll? Falls Sie nicht vorhaben, das Gelände erst einmal brachliegen zu lassen und auf höhere Bodenpreise zu spekulieren: Warum ist es so schwer, Konkreteres anzukündigen?“, wollte sie wissen. Die zweite Frage lautete: „Warum haben Sie den Termin mit dem Runden Tisch aus MieterInnen und VertreterInnen der Stadt platzen lassen? War es unmöglich, bei Krankheit eine Vertretung zu entsenden?“ und die dritte: „Haben Sie eigentlich keine Angst vor dem enormen Imageschaden, der durch ihr kompromissloses Vorgehen gegen die MieterInnen entsteht, gerade in der sehr aufgeheizten Situation in Berlin?“ Der Leverkusener Multi machte daraus: „Uns erreichte eine Frage im Zusammenhang mit einem Grundstück unseres Unternehmens in Berlin-Wedding.“ Dementsprechend nichtssagend fiel die Antwort aus: „Bei dem betreffenden Grundstück handelt es sich um eine bereits seit Jahrzehnten ausgewiesene Gewerbefläche (…) Damit verbunden ist eine Investition in dreistelliger Millionen-Höhe, wodurch die Zukunftssicherheit von mehr als 1.000 Arbeitsplätzen in Berlin langfristig (…) gesichert werden soll. Die zuständigen behördlichen Stellen sind hierbei wie üblich involviert. Planungsrechtlich ist eine Nutzung zu Wohnzwecken ausgeschlossen. Der Großteil der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude steht bereits seit längerer Zeit leer.“
Neues Zell- und Gentherapie-Zentrum
Der Leverkusener Multi pflegt seit Langem gute Beziehungen zur Berliner Charité. So sitzt etwa Pharma-Vorstand Stefan Oelrich im Aufsichtsrat der Klinik. Jetzt intensiviert sich das Verhältnis noch einmal. Ende April gaben Charité und BAYER bekannt, gemeinsam ein Zell- und Gentherapie-Zentrum aufbauen zu wollen, das auch Start-Ups und anderen Firmen offensteht. Mit bis zu 300 WissenschaftlerInnen am Platz rechnen die Kooperationspartner. Das Ziel der Gründung ist es, den Weg von der Forschung zur Produkt-Entwicklung zu beschleunigen. „Am Nordhafen finden Forscher und Verwerter zusammen“, so formuliert es die Berliner Morgenpost. Allerdings beabsichtigt der Global Player der Zeitung zufolge, eine gewisse Distanz zu wahren: „BAYER-Experten sollen nicht direkt in den Forschungsgruppen arbeiten, aber bei Bedarf hinzugezogen werden.“ Diese Aufgabe dürften dann Beschäftigte von BLUEROCK – der Zell- und Gentherapie-Tochter des Konzerns – übernehmen, die im Zuge der Pläne mit einem Ableger in die Hauptstadt kommt. Sogar einer Art Technikfolgen-Abschätzung hat das Zentrum sich verschrieben. So beabsichtigt es, sich auch den ethischen und gesellschaftlichen Fragen zu widmen, welche die Risiken und Nebenwirkungen sowie die hohen Kosten der Verfahren aufwerfen. Das Geld für das alles kommt nicht von BAYER und Charité allein. An den Investitionskosten, die sich auf einen dreistelligen Millionen-Betrag belaufen, beteiligt sich auch das Land Berlin. Bürgermeisterin Franziska Giffey kündigte überdies an, sich zusätzlich um Finanzspritzen des Bundes zu bemühen. Das Vorhaben ist Teil einer Entwicklung, die sich bereits seit einiger Zeit abzeichnet. Die Pillen-Riesen stellen ihre teure Grundlagen-Forschung ein, überlassen sie staatlichen Stellen und stehen erst wieder auf der Matte, wenn Aussicht auf einen profitträchtigen Arznei-Kandidaten besteht.
BAYERs Biotech-Präsenz
Seit dem Kauf von BLUEROCK baut BAYER den Bereich „Zell- und Gentherapie“ kontinuierlich aus. Mittlerweile ist der Konzern in allen großen Biotech-Zentren der USA vertreten. Sowohl in Boston und San Francisco als auch in San Diego und im Research Triangle Park von North Carolina unterhält er Niederlassungen.
ÖKONOMIE & PROFIT
BAYER rechnet sich arm #1
„Globale Unternehmen wie BAYER haben ein vitales Interesse daran, dass sie in Staaten, in denen sie tätig sind, angemessene Steuern zahlen. Nur so kann die öffentliche Hand notwendige Investitionen in Bildung, Infrastruktur und soziale Standards, aber auch die Förderung von Innovationen finanzieren“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Im Geschäftsjahr 2021 war es mit diesem Interesse aber nicht weit her. So hat der Konzern seine Steuerlast in Deutschland trotz eines gestiegenen Umsatzes – eine Zunahme von rund 14,5 Milliarden Euro auf rund 15,5 Milliarden verbuchte er hierzulande – stark minimieren können. Mit 270 Millionen Euro zahlte der Agrar-Riese 307 Millionen weniger als 2020. Ein Grund dafür liegt in dem, was er die „Änderung der Beteiligungsstruktur“ nennt. Dafür hatte die Stadt Leverkusen den Anstoß gegeben. Die Kommune kapitulierte im Steuer-Wettbewerb und ließ sich mit dem Global Player auf einen Deal ein: Absenkung der Gewerbesteuer gegen eine Rückverlagerung von BAYER-Töchtern an den Stammsitz des Konzerns. Und so sprossen dort dann plötzlich die Beteiligungsgesellschaften aus dem Boden, die mit den Niederlassungen in aller Welt Gewinnabführungsverträge unterhalten. Rund 3,5 Milliarden gelangten 2021 zusätzlich ins neue Steuer-Paradies. Auch das Eigenkapital der Briefkasten-Firmen wuchs. Das der NEUNTE BAYER VV GmbH etwa stieg von 0,491 Milliarden Euro auf 9,122 Milliarden und das der Zweiten K-W-A Beteiligungsgesellschaft mbH von 4,59 Milliarden Euro auf 6,257 Milliarden.
BAYER rechnet sich arm #2
Der BAYER-Konzern hat viele seiner Gesellschaften in Steuer-Paradiesen angesiedelt und gut mit Eigenkapital bestückt. So stattete er die im niederländischen Mijdrecht gelegenen Töchter BAYER WORLD INVESTMENTS B. V. und BAYER GLOBAL INVESTMENTS B. V. mit 38 Milliarden Euro bzw. 19 Milliarden aus. Die Niederlassung im zypriotischen Limasol kommt auf zwölf Milliarden Euro.
BAYER rechnet sich arm #3
Der BAYER-Konzern verpachtet an sich selbst, leiht sich selbst Geld und treibt auch mit sich selbst Handel, um Abgaben zu sparen. Die unternehmensinternen Geschäfte haben zumeist die Nutzung von Lizenzen für Namens- und Patentrechte zum Gegenstand. Da kam 2021 ganz schön was zusammen, wie eine Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf der letzten Hauptversammlung ergab. „Vom konzern-internen Lizenz-Volumen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro werden die Lizenz-Einnahmen in Deutschland in Höhe von vier Milliarden Euro und in den USA von 2,4 Milliarden Euro realisiert und versteuert. Korrespondierend sind die Lizenz-Aufwendungen in der Regel steuerlich abziehbar“, so BAYERs Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl.
1,47 Milliarden Euro an Steuern
Im Geschäftsjahr 2021 machte der BAYER-Konzern einen Umsatz von 44,1 Milliarden Euro. Insgesamt zahlte er dafür 1,47 Milliarden Euro Steuern. 270 Millionen Euro in Deutschland, 1,2 Milliarden Euro im Rest der Welt.
Zielvereinbarung „Aktionärsbetreuung“
Die „Betreuung“ der Großaktionäre zählt nach Ansicht des Konzerns zu den Hauptaufgaben des Vorstandsvorsitzenden. Deshalb gehört der Austausch mit BLACKROCK & Co. zu den Ziel-Vereinbarungen, die der Aufsichtsrat und der Personalausschuss mit Werner Baumann schlossen. Bei den anderen drei Schwerpunkten handelt es sich um Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie und des Ende 2018 verkündeten Rationalisierungsprogramms sowie die „Verteidigung im Glyphosat-Rechtsstreit“.
BAYER-Aktionär Nr. 1: BLACKROCK
BAYERs größter Anteilseigner ist mit 7,17 Prozent der US-amerikanische Finanzinvestor BLACKROCK. Danach folgen mit 3,97 Prozent Singapurs Staatsfonds TEMASEK und die US-Investmentgesellschaft HARRIS ASSOCIATES mit rund drei Prozent. Die zehn größten Aktien-Halter des Konzerns besitzen rund 25 Prozent des Kapitals.
RECHT & UNBILLIG
Los Angeles vs. BAYER
Die Stadt Los Angeles hat gegen den Leverkusener Multi juristische Schritte eingeleitet, da die von dessen Tochter-Gesellschaft MONSANTO stammenden Polychlorierten Biphenyle (PCB) Wasserreinigungskosten in Millionen-Höhe verursachen. Die US-amerikanischen Behörden verboten die auch von BAYER selbst hergestellte Chemikalie zwar schon 1979, der Stoff zählt jedoch zu den schwer abbaubaren Substanzen, weshalb er sich immer noch in der Umwelt anreichert und in die Gewässer einträgt. „Seit Jahrzehnten wusste MONSANTO, dass seine in den Handel gebrachten PCB-Formulierungen hochgiftig waren und unweigerlich zu genau den Verunreinigungen und Gesundheitsrisiken führen würden, die dann auch aufgetreten sind. Dennoch hat MONSANTO die Öffentlichkeit, die Aufsichtsbehörden und seine eigenen Kunden über diese wichtigen Fakten getäuscht und behauptet, die PCB-Formulierungen seien sicher, nicht umweltgefährdend und erforderten keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen bei der Verwendung oder Entsorgung“, heißt es in der Klage-Schrift. Tatsächlich kannte das Unternehmen die Gefahren genau. Firmen-eigene Dokumente sprechen von „systemischen toxischen Effekten“. Ein Produktionsstopp kam für die Firma trotzdem nicht in Frage. Es stand „zu viel MONSANTO-Gewinn“ auf dem Spiel. In ähnlichen Verfahren zahlte BAYER bereits 355 Millionen Dollar. Dutzende weitere sind anhängig. Zudem verhandelt der Global Player mit rund 2.500 Städten über einen Sammelvergleich; zurzeit prüfen die Gerichte sein Schadensbegleichungsangebot in Höhe von 648 Millionen Dollar. Damit nicht genug, sieht sich die Aktien-Gesellschaft in den USA mit Schadensersatz-Ansprüchen von Personen konfrontiert, die ihre Gesundheitsprobleme auf ein PCB-kontaminiertes Schulgebäude zurückführen (Ticker 1/22). In bisher zwei Prozessen erhielten die Geschädigten erstinstanzlich 247 Millionen Dollar zugesprochen. Mit 200 weiteren Klagen allein von Betroffenen aus dem Umfeld dieser Schule rechnet der Agro-Riese. In seinem neuesten Geschäftsbericht erklärt er diese allesamt für unberechtigt: „Die unstreitige Beweislage in diesen Fällen gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Kläger PCB in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß ausgesetzt gewesen sind oder dass ein Kontakt mit PCB überhaupt die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen hätte verursachen können.“
Zwei Weinbauern wollen klagen
BAYERs Antipilz-Mittel MOON PRIVILEGE (Wirkstoff: Fluopyram) hat im Jahr 2015 verheerende Schäden im Weinbau verursacht. Die Reben vertrockneten und trugen kaum Beeren; die Blätter zeigten Deformationserscheinungen. Durch den Ernte-Ausfall entstand allein schweizer Weinbauern und -bäuerinnen ein Einkommensverlust von rund 135 Millionen Franken. Ihre KollegInnen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien erlitten ebenfalls Einbußen durch das Pestizid, das der Leverkusener Multi auch unter dem Namen „LUNA PRIVILEGE“ vertreibt. Deshalb sah sich der Agro-Riese bald mit den ersten Schadensersatz-Forderungen konfrontiert. Und er zahlte sogar. Einige WinzerInnen nahmen das Angebot aber nicht an. Peter Wehrli etwa reichten die rund 360.000 Franken nicht. Er macht ein Defizit von einer Million Franken geltend und droht nun – wie auch sein Kollege Laurent de Coulon – mit juristischen Schritten. Eine Staatshaftungsklage gegen das für die Zulassung von MOON PRIVILEGE zuständige Bundesamt für Landwirtschaft hatte Wehrli bereits im Jahr 2016 eingereicht.
EPA verlängert XARELTO-Patent
Der Gerinnungshemmer XARELTO sorgt trotz seiner vielen Risiken und Nebenwirkungen (siehe DRUGS & PILLS) für mehr als zehn Prozent des Jahres-Umsatzes von BAYER. Der Patentschutz macht’s möglich. Eigentlich müsste dieser zwar schon ausgelaufen sein, aber die Konzerne können dankenswerterweise „ergänzende Schutz-Zertifikate“ beantragen und so in die Verlängerung gehen. Genau das hat der Leverkusener Multi dann auch getan und für den alten XARELTO-Wein in neuen Schläuchen – die Dosierung änderte sich von 2x pro Tag auf nur noch 1x – erneut Exklusiv-Rechte zugesprochen bekommen. Das hatte jedoch nicht lange Bestand, da Hersteller von Nachahmer-Präparaten die Entscheidung des Europäischen Patentamts anfochten. Dagegen wiederum ging der Pharma-Riese erfolgreich vor. Allerdings können die Kläger noch versuchen, den im Oktober 2021 gewährten verlängerten Patentschutz auf Länderebene zu kippen.
In Treue fest zur Scheibenpacht
Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) des Jahres 2000 wollte der Bund den Ausbau von Windkraft, Solarenergie & Co. fördern. Dazu sah er eine Abgabe über die Stromrechnung vor. Firmen, die eigene Kraftwerke besitzen, hat der Gesetzgeber jedoch von der Zahlung befreit. Das regte BAYER und andere Konzerne dazu an, sich lediglich auf dem Papier zu Kraftwerksbesitzern zu machen. „Scheibenpacht“ hieß das Mittel der Wahl. Dem Spiegel zufolge entgingen dem Staat durch diesen windigen Coup Milliarden Euro. Vor Gericht hatten die Modelle bisher keinen Bestand. „Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe liegt eine Eigenerzeugung (…) nicht vor“, lautete etwa ein Urteil Wuppertaler RichterInnen. Der Leverkusener Multi zeigt aber keine Reue und steht weiterhin in Treue fest zu dieser Praxis. „Dabei handelt es sich nicht um eine Umgehung des EEG, sondern um die Umsetzung der EEG-Regelungen“, gab BAYER-Vorstand Stefan Oelrich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der Hauptversammlung des Konzerns am 29. April zur Antwort.
Neue ESSURE-Klage
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA immer noch die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Mit einem Großteil der Geschädigten hat der Leverkusener Multi im Jahr 2021 einen 1,6 Milliarden Dollar schweren Vergleich geschlossen. Erledigt ist der Fall „Essure“ für den Konzern damit jedoch nicht. So muss sich seit März 2022 der „US District Court for the Northern District of New York“ mit einer neuen Klage einer Betroffenen befassen.
Klage gegen Dicamba-Zulassung
Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hinterlässt in den USA eine Spur der Verwüstung. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die nicht gentechnisch gegen den Stoff gewappnet sind und deshalb eingehen. Das CENTER FOR FOOD SAFETY und andere Organisationen wollten das nicht länger dulden. Sie reichten Klage ein, um ein Verbot des Mittels zu erwirken.
BAYER gewinnt Glyphosat-Prozess
Im Juni 2022 verloren zwei Glyphosat-Geschädigte ihre Prozesse gegen BAYERs Tochtergesellschaft MONSANTO. Das Gericht sah das Pestizid jeweils nicht als Ursache seiner Krebs-Erkrankung an. Damit hat der Global Player die letzten vier Verfahren in der Sache für sich entschieden. Die ersten drei gewannen die KlägerInnen. Die Journalistin Carey Gillam macht als entscheidendes Kriterium für den Ausgang der Rechtsstreits die jeweiligen Qualitäten der AnwältInnen aus. Ihren Beobachtungen nach leisteten die VertreterInnen der Betroffenen in den ersten drei gerichtlichen Auseinandersetzungen eine sehr gute Arbeit. Sie kannten viele interne Firmen-Dokumente auswendig und konnten die Geschworenen mit ihren langen Ausführungen darüber, wie MONSANTO Forschungsergebnisse manipuliert hat, überzeugen. Die JuristInnen der BAYER-Gesellschaft vermochten dem nichts entgegenzusetzen. Dann aber wendete sich das Blatt. Der Leverkusener Multi suchte sich neue Verteidiger und fand solche wie Hildy Sastre, die über viel Erfahrung mit Schadensersatz-Prozessen für Mandanten aus der Tabak- und Pharma-Branche verfügt und sich 2019 mit dem zweifelhaften Titel „effektivste Anwältin“ schmücken durfte. Leuten ihres Schlages zeigten sich die Rechtsbeistände der Krebs-Kranken in den letzten vier Fällen nicht mehr gewachsen.
Gericht kassiert Glyphosat-Zulassung
Im Juni 2022 erklärte ein US-Gericht die verläufige Glyphosat-Zulassung der „Environment Protection Agency“ (EPA) aus dem Jahr 2020 teilweise für ungültig. „Die Fehler der EPA bei der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit sind schwerwiegend“, heißt es in dem Urteil. Das „9th U.S. Circuit Court of Appeals“ gab damit der Klage des „Natural Resources Defense Councils“ und des „Pesticide Action Network North America“ statt. Den RichterInnen zufolge hatte die Behörde bei dem Genehmigungsverfahren gegen ihre eigenen Richtlinien zum Umgang mit Studien und zur Einschätzung von Krebsgefahren verstoßen und sich zudem über Bedenken des eigenen wissenschaftlichen Beirats hinweggesetzt.
Kein „War on Drugs“ mit Glyphosat
Unter dem Druck der USA hatte die kolumbianische Regierung unter Präsident Ivan Duque Vorkehrungen getroffen, die Sprüh-Einsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzungen trotz der großen Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt wieder aufzunehmen (siehe auch SWB 3/21). Entsprechende Pläne der Nationalpolizei genehmigte die nationale Umweltbehörde ANLA im April 2021. Dagegen erhob eine FarmerInnen-Initiave der Koka-, Amapola- und Marihuana-PflanzerInnen jedoch Einspruch und bekam im Januar 2022 vom Verfassungsgericht des Landes Recht zugesprochen. „Die ANLA konnte keine Entscheidung über eine Änderung treffen, ohne vorher alle ethnischen Gemeinschaften zu konsultieren, die möglicherweise von dem Sprühen betroffen wären“, so das Urteil. Rein virtuelle Anhörungen reichten nicht, befanden die RichterInnen. Nun muss die ANLA zunächst physische Anhörungen mit den BewohnerInnen von 104 Dörfern durchführen. Und ob danach noch etwas kommt, ist die Frage. Kolumbiens neu gewählter Präsident Gustavo Pedro hat sich im Wahlkampf nämlich gegen den „War on Drugs“ mit Glyphosat ausgesprochen.
March-AktivistInnen vor Gericht
Seit langer Zeit schon organisieren AktivistInnen am schweizer SYNGENTA-Stammsitz Basel „Marches against BAYER & SYNGENTA“. Im Jahr 2020 verlegten sie den Protest corona-bedingt weitgehend ins Internet. Lediglich vier Personen begaben sich auf die alte Demo-Route und meldeten sich von dort mit kurzen Live-Statements für die „Social Media“-Kanäle zu Wort. Aber selbst das versetzte die Polizei in Alarmbereitschaft. Gleich zweimal nahm sie Personen-Kontrollen vor, davon einmal auf Geheiß des SYNGENTA-Sicherheitsdienstes, der auch gleich angebliche Foto-Beweise zur Verletzung der Abstandsregeln beibrachte. In der Folge kam es nicht nur deshalb, sondern auch wegen Dienst-erschwerung und wegen Behinderungen von Amtshandlungen zu Anklagen. Das Gericht sah dann eine Diensterschwerung und vier Verstöße gegen die Corona-Verordungen als erwiesen an und verhängte entsprechende Strafen.
Klage wg. Impfpflicht
In den USA hat BAYER einem Beschäftigten gekündigt, weil dieser sich weigerte, Auskunft über seinen Impfstatus zu geben. Der Angestellte, der nur im Homeoffice arbeitete, zog deshalb vor das Arbeitsgericht.
FORSCHUNG & LEHRE
Druck auf WissenschaftlerInnen #1
BAYER & Co. haben massiv versucht, Einfluss auf eine Studie zur Bienengefährlichkeit bestimmter Saatgutbehandlungsmittel zu nehmen. Das deckte die Organisation U.S. RIGHT TO KNOW (US RTK) auf, die mit Verweis auf das US-amerikanische Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Dokumente erhalten hatte. Die Konzerne beauftragten im Jahr 2014 über das „Crop Dust Research Consortium“ (CDRC) WissenschaftlerInnen der „Ohio State University“, nach Möglichkeiten zu suchen, Bienen besser vor giftigen Stäuben zu schützen. Die ForscherInnen um Dr. Reed Johnson und Harold Watters fanden auch gleich einen Ansatzpunkr. Sie stießen bei den Produkten, die das Saatgut mit einer pestizid-haltigen Beize umschließen, auf eine oftmals fehlerhafte Verarbeitung, so dass sich Teile des Mantels mit den Agrochemikalien aus der Gruppe der Neonikotinoide lösten, in die Umwelt gelangten und Bienen gefährdeten. Das dokumentierten sie auch in ihrer Untersuchung, was dem Leverkusener Multi allerdings gar nicht gefiel. „BAYER hat erhebliche Bedenken gegen die Aufnahme der Fotos von Saatgut mit stark erodierter Saatgutbeschichtung“, schrieb der damalige Konzern-Manager David Fischer an Johnson und Watters. Auch drang er auf Ergänzungen, welche die Risiken und Nebenwirkungen der Neonikotinoide relativierten. „Die gemessenen Rückstandsmengen deuten NICHT auf ein nennenswertes Risiko für Honigbienen hin und erklären NICHT die in der Studie beobachtete akute Mortalität. Die obige Analyse sollte in den Bericht aufgenommen werden“, dekretierte Fischer. Tatsächlich tauchte ein entsprechender Satz schließlich im Abschlussbericht auf. Die Fotos allerdings blieben. Auch anderen Forderungen widersetzte sich das Team von der „Ohio State University“ erfolgreich.
Druck auf WissenschaftlerInnen #2
BAYER kann es nicht lassen. U.S. RIGHT TO KNOW (US RTK) zufolge (s. o.) versuchte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit SYNGENTA noch auf eine weitere Untersuchung zur Bienengefährlichkeit von mit Pestiziden gebeiztem Saatgut Einfluss zu nehmen. Schon der Vertrag, den das Unternehmen mit der „Iowa State University“ schloss, ließ in dieser Hinsicht keine Fragen offen. Dieser ermächtigte den Konzern-Wissenschaftler Dan Schmehl nämlich, seinen KollegInnen von der Hochschule, beim „Design, der Durchführung und der Interpretation der Studie“ zur Hand zu gehen. Überdies machte der Kontrakt ganz konkrete Vorgaben. „Spezifische Methoden von BAYER werden eingesetzt, um Proben von Pollen, Nektar, Blättern, Wasser und Boden von den Feldern zu nehmen“, hieß es darin etwa. Und im Weiteren hatten die „Best-Practice-Methoden von BAYER CROPSCIENCE“ zur Anwendung zu kommen. Zur Rede gestellt, wiegelte der Leverkusener Multi ab. Er sprach lediglich von „Unterstützung (z. B. durch unverbindliche Vorschläge für Studien-Design, Datenerfassung, Daten-Analyse)“ und bekannte sich ansonsten mit großen Worten zur Freiheit der Wissenschaft.\BAYER gliedert Biologika aus
Der Leverkusener Multi gliedert seine Forschung an Agrar-Produkten auf biologischer Basis aus. Der Konzern überlässt diese vollständig dem US-Unternehmen GINKGO BIOWORKS, mit dem er bereits seit Langem kooperiert und z. B. das Joint Venture JOYN BIO betreibt. Auf eine Entwicklung von JOYN BIO setzt BAYER dann auch die größten kommerziellen Hoffnungen: ein Biologikum auf Mikroben-Basis, das eine Alternative zu traditionellem Stickstoff-Dünger bieten soll.