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taz

CBG Redaktion

11.2.2006, taz, DOMINIC JOHNSON

Wettbewerb auch mit vorgehaltener Waffe

Kongos Geschäft mit Tantal- und Zinnerzen floriert. Wie Ostkongos Mineralienhandel über Ruanda funktioniert

An einer Hauptstraße im ruandischen Gisenyi, wenige Minuten Autofahrt vom wichtigsten Grenzübergang zur Demokratischen Republik Kongo entfernt, liegt das Fabrikgebäude der „Metal Processing Association“. Hinter weißen Mauern wird gehämmert, Dampf steigt auf, zuweilen sind selbst am Wochenende die Schmelzöfen an. Hier landet das wertvollste Exportgut, das der kriegsgeschüttelte Osten der Demokratischen Republik Kongo derzeit zu bieten hat: Zinnerz.

Mehrere tausend Tonnen Zinn jährlich kommen über die kongolesische Grenzstadt Goma nach Ruanda und werden in der MPA-Fabrik für den Weiterexport verarbeitet. Das südafrikanische Unternehmen MPA ist mit seiner kongolesischen Filiale MPC Hauptabnehmer des Erzes, das im Kongo „Cassiterit“ heißt. Cassiterit findet sich in Ostkongos Minen gemeinhin dort, wo auch Coltan, ein Tantalerz, aus dem Kondensatoren für Mobiltelefone und andere hochtechnologische Anwendungen hergestellt werden, abgebaut wird. Aus dem Export von Coltan über Ruanda und Uganda finanzierten sich während des Kongokrieges alle lokalen Kriegsparteien.

Zeitweise waren Deutsche führend im Geschäft – der Geschäftsmann Karl-Heinz Albers und der Tantalverarbeiter H. C. Starck, Tochterunternehmen von Bayer. Heute hat Albers Konkurs angemeldet, Starck kauft kein kongolesisches Tantal mehr. Preise und Produktion fielen jeweils auf ein Zehntel des Spitzenniveaus von 2001.

Das heißt nicht, dass Mineralienexporte aus Ostkongo uninteressant geworden sind. Nach Angaben der Provinzregierung von Nordkivu in der Provinzhauptstadt Goma exportierte die Provinz 2003 26 Tonnen Mineralien, 2004 42 Tonnen und im ersten Halbjahr 2005 23 Tonnen. Führend im Coltanexport aus Goma ist Edouard Mwangachuchu, ein Kongolese der ruandischsprachigen Ethnie mit guten Verbindungen nach Ruanda. Seine Firma MHI hat nach und nach sämtliche lokale Konkurrenten aus dem Markt gedrängt. Nun aber strömen Mineralienhändler aus Kongos Hauptstadt Kinshasa nach Goma – ein Ergebnis des Friedensprozesses im Kongo.

Im Krieg lag der Mineralienexport aus Ostkongo nach Ruanda in den Händen lokaler Geschäftsleute – im Frieden ist das Spiel für alle offen. Dies verschärft den Wettbewerb, und dieser Wettbewerb wird auch mit der Waffe ausgetragen. Machtkämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen des kongolesischen Militärs oder zwischen Armee und Milizen im Ostkongo drehen sich immer auch um die Kontrolle von Handelsrouten.

Deutlicher noch als bei Coltan wird dies bei Cassiterit, dessen Export in jüngster Zeit noch viel stärker boomte als der von Coltan. Nordkivu führte 2003 939 Tonnen des Zinnerzes aus, 2004 bereits 4.672 Tonnen und im ersten Halbjahr 2005 2.091 Tonnen. In den ersten Jahren war die mit Ruanda liierte südafrikanische MPC Hauptexporteur, im Jahr 2005 kam aus Kinshasa „Sodex Mines“ hinzu. Dies war eine Folge erbitterter Kämpfe, die 2004/5 um Coltan- und Cassiteritvorkommen in den Regenwäldern um Walikale in Nordkivu ausbrachen und den Handel zeitweise von Goma auf andere Städte umlenkten. Die ökonomische Begleiterscheinung des kongolesischen Friedensprozesses ist die Herausbildung einer schmalen Elite aus mächtigen Militärs und Geschäftsleuten aller früheren Lager, die die Märkte unter sich aufteilen oder sich eben untereinander bekämpfen.

Denn alle Bergbaukonzessionen im Ostkongo wurden während der Kriegsjahre mehrfach an rivalisierende ausländische Partner vergeben. Weil diese heute alle unterschiedliche Freunde in Kongos Allparteienregierung in Kinshasa haben, ist es unmöglich, zu klären, welcher Eigentumstitel heute gültig ist und welcher nicht. Man kann aber vor Ort Fakten schaffen.

Um die riesigen Gold- und Zinnkonzessionen der „Société Minière et Industrielle du Kivu“ (Sominki) im Landesinneren, potenziell das wichtigste Bergbaugebiet der Region, streiten sich beispielsweise vier Parteien: die kanadische Goldfirma Banro, der ein US-Gericht 2001 die Konzession zusprach; die südafrikanische MPC, die gleichzeitig von den RCD-Rebellen Rechte erhielt; die kongolesische Staatsfirma Somico (Sociète Minière du Congo), die den Zuschlag 1998 von Kinshasa bekommen hatte und deren Vertreter heute vor Ort mit ruandischen Hutu-Milizen zusammenarbeiten; und lokale Händler des ursprünglichen Betreibers Sakima (Société Aurifère du Kivu et Maniéma), die zwar offiziell aufgelöst ist, aber noch eine Firmenzentrale vor Ort hat. Leidtragende dieser Situation sind die Schürfer, die Gold und Cassiterit aus dem Boden holen und dann der Willkür von Zwischenhändlern ausgeliefert sind.

Doch egal, wer die Erze im Ostkongo abbaut und verkauft – sie landen in der MPA-Schmelze in Gisenyi oder bei anderen ostafrikanischen Handelspartnern, die über Dubai nach Asien weiterverkaufen. Daran ist nichts Illegales – sofern die Gesetze eingehalten werden. Ostkongo ist ökonomisch mit Ostafrika verwoben, nicht mit dem Rest des eigenen Landes, denn dieser ist nur auf dem Luftweg erreichbar. Der Mineralienhandel ist da keine Ausnahme. Rivalitäten in Ostkongos Minengeschäft beziehen sich daher darauf, wer die Vormacht im Export nach Ruanda bekommt – es geht nicht darum, Ruanda als Handelspartner überhaupt in Frage zu stellen.

UN-BERICHT ZUM KONGO: MINERALIENEXPORTE FÜR WAFFENIMPORT

Ein unveröffentlichter Bericht einer Expertengruppe der Vereinten Nationen zum illegalen Waffenhandel mit dem Kongo stellt Verbindungen mit dem staatlichen Mineralienhandel fest und spricht von einer „neuen Phase des Krieges“. Vorwürfe gehen auch in Richtung Deutschland

Mineralienexporte aus der Demokratischen Republik Kongo dienen weiterhin zur Finanzierung von Waffenimporten – trotz Waffenembargos. Und es geschieht auch dann, wenn Bergbaugebiete in Kongos Kriegsgebieten unter reguläre staatliche Autorität geraten. Dies ist die Kernaussage eines neuen UN-Untersuchungsberichts zur Einhaltung des Waffenembargos gegen den Kongo, der dem UN-Sicherheitsrat vertraulich zugeleitet wurde und der taz vorliegt.

Laut dem Bericht kommen weiterhin Waffen über Libyen, Ägypten oder Sudan in das Afrika der Großen Seen oder direkt in den Kongo. Es gibt im Ostkongo keine Luftraumüberwachung. Die UN-Experten kritisieren, dass Kongos im Aufbau befindliche neue Regierungsarmee FARDC der UN-Mission im Kongo rechtswidrig Kontrollen ihrer Flugzeuge und Hubschrauber verweigert. Die FARDC ist zwar vom Waffenembargo gegen Kongo ausgenommen, doch kann so nicht kontrolliert werden, ob ihre Ausrüstung – die teils aus Nato-Beständen stammt – nicht in falsche Hände gerät. Es würden geheime Waffenarsenale „von Offiziellen in verantwortlichen Positionen angelegt“, so die Experten.

Der Bericht konstatiert weiterhin eine „neue Phase des Krieges um die Reichtümer des Kongo“: „Lokale Machthaber, gegenwärtige oder zukünftige Kriegsherren, Milizen oder kriminelle Vereinigungen usurpieren die wirtschaftliche Kontrolle, indem sie traditionelle Regierungsstrukturen nachbilden. Illegale Gruppen reißen Macht an sich, indem sie Einzelpersonen als Quasiregierungsvertreter einsetzen, die dann Steuern und Gebühren erheben. Dank einem regulären Einnahmestrom können sich diese Gruppen festigen.“

Die Goldminen von Mongbwalu im nordostkongolesischen Distrikt Ituri, die Uranmine Shinkolobwe in Kongos Südprovinz Katanga sowie die bis 2004 deutsch geführte Niobium-Mine Lueshe in der ostkongolesischen Provinz Nordkivu sind die drei Beispiele, an denen die UN-Experten dies ausführen. Alle drei kamen im Rahmen der laufenden Reformen des kongolesischen Bergbaus unter neue Verwaltung, aber die reale Kontrolle über den Handel mit den jeweiligen Produkten sei gerade dadurch an mutmaßliche Kriegsfinanzierer übergegangen.

In Mongbwalu schaffte es die für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortliche Miliz FNI, deren Führer heute strafrechtlich verfolgt werden, Schlüsselposten der für die Mine zuständigen kongolesischen Staatsbehörde Okimo (Office de Kilo-Moto) mit eigenen Leuten zu besetzen, als diese wieder in die Mine einzog. Heute kontrolliert zwar Kongos Regierungsarmee die Mine – doch „ein paar unterernährte, irregulär bezahlte Soldaten, die Goldberge bewachen, sind keine effektive Abschreckung gegen Plünderer“, so der Bericht.

In Lueshe übernahmen Geschäftsleute aus der Provinzhauptstadt Goma die Kontrolle über den Handel mit dem Exportprodukt Pyrochlor, nachdem der bisherige deutsche Manager Karl-Heinz Albers wegen eines Schuldenstreits die Betreiberfirma Somikivu (Société Minière du Kivu) an seine lokalen Partner abgab. Den neuen Herren werden Verbindungen zu des Waffenschmuggels verdächtigten lokalen Organisationen im Umfeld der Provinzregierung nachgesagt. Der neue Firmenchef Modeste Makabuza habe nach eigenen Angaben 20 Tonnen Pyrochlor im Wert von 100.000 US-Dollar exportieren können. Die UN-Experten kritisieren in diesem Zusammenhang eine „unsägliche Wahrnehmung der Eigentümerverpflichtungen“ durch die Bundesregierung und den deutschen Somikivu-Mehrheitseigner GfE (Gesellschaft für Elektrometallurgie).

Die Feststellungen der UN-Experten über Shinkolobwe erregen am meisten Besorgnis. Aus der eigentlich 2004 geschlossenen Mine, aus der das Uran für die Atombombe von Hiroshima kam, würden weiterhin Mineralien exportiert – nur eben unter Regierungsaufsicht. Das staatlich beauftragte Prüflabor für die Erze arbeite so schlecht, dass afrikanische Transitländer darin „geschmuggelte Mineralien mit unakzeptabel hoher Radioaktivität“ entdeckt hätten. Sie mussten die Internationale Atomenergiebehörde einschalten.

Der Wiederaufbau staatlicher Strukturen im Kongo löst also die Probleme des Bergbaus, wichtigster Wirtschaftszweig des Landes, nicht. In diesem Zusammenhang ist auch die Warnung des entwicklungspolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Ruck, zu verstehen, der am Dienstag in Berlin sagte, die Reichtümer des Kongo würden „von Somalia bis Kasachstan zur Finanzierung von Dingen verwendet, die gegen unsere Sicherheitsinteressen sind“. Die UN-Experten fordern nun, Herkunftsnachweise für Kongos Mineralien zu entwickeln, wie es sie bereits für Diamanten gibt.