Klimawandel-Symptom Wassermangel
BAYERs großer Durst
In diesem Jahr zeigte sich der Klimawandel vor allem in Form von lang anhaltenden Dürren, die zeigten, wie kostbar ein Element ist, das viele als ein alltägliches Gut betrachten: Wasser. Es fehlte den LandwirtInnen, den Flüssen und den Gemeinden. Nicht wenige mussten den Wassernotstand ausrufen. Der BAYER-Konzern trägt mit seinem enormen Durst nicht unwesentlich zur Verschärfung der Lage bei. 55 Milliarden Liter verbrauchte er im Geschäftsjahr 2021.
Von Jan Pehrke
Der diesjährige Sommer sorgte auf der nach oben offenen Klimawandel-Skala mal wieder für Maximal-Ausschläge. Nach Angaben des EU-Klimawandeldienstes Copernicus haben die MeteorologInnen, seit sie Buch führen, noch nie so hohe Temperaturen verzeichnet. Auch hierzulande gab es mit 820 Sonnenstunden einen Rekord. „Der Sommer 2022 war in Deutschland der sonnigste, sechstrockenste und gehört zu den vier wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn“, konstatiert der „Deutsche Wetterdienst“. Dementsprechend alarmierend fiel der Dürrebericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission aus. Die WissenschaftlerInnen machten die schlimmste Trockenheitsperiode seit 500 Jahren aus. Fast zwei Drittel aller Flächen attestierten sie einen kritischen Zustand.
Wassernotstand
Damit geriet verschärft in den Blickpunkt, was bisher in den Diskussionen um die Erderwärmung eher eine Nebenrolle spielte: das Wasser. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangte es aber nicht nur durch sein Fehlen. Es gab in den zurückliegenden Monaten nicht nur zu wenig davon, gleichzeitig gab es davon auch zu viel – und das aus demselben Grund. Mit dem Klimawandel gehen nämlich nicht nur Dürren und in der Folge Wassermangel-Lagen einher, sondern ebenso Starkregen-Ereignisse, denn durch die Hitze verdunstet mehr, was größere Mengen von Wasserdampf in die Atmosphäre treibt und so die Niederschlagsmengen erhöht. Einen Ausgleich im Flüssigkeitshaushalt verschafft das jedoch nicht. Die trockenen Böden vermögen das viele, plötzlich hereinbrechende Wasser nämlich nicht aufzunehmen, was mit zu den gravierenden Folgen solcher Unwetter beiträgt.
Im letzten Jahr gingen solche über Holland, Belgien, die Schweiz und Deutschland, wo im Ahrtal und anderswo über 170 Menschen starben, nieder. 2022 litt besonders Pakistan. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser. In den Fluten starben rund 1.300 Menschen und mehr als 700.000 Tiere.
Mitte September 2022 traf es dann Italien. An der Adria-Küste ging binnen zwei, drei Stunden so viel Regen nieder wie sonst in einem halben Jahr. Es kam zu Überflutungen, Schlamm-Lawinen und Erdrutschen. Zehn Menschen verloren ihr Leben. Im Monat zuvor hatte das Land noch mit einer Hitze-Welle zu kämpfen. Fast drei Grad über dem Durchschnittswert der letzten drei Jahrzehnte zeigten die Thermometer an, und der Pegel des Po sank auf den tiefsten Stand seit über 70 Jahren. Viele Gemeinden reagierten auf die Trockenheit mit einer Wasser-Rationierung. Das taten auch zahlreichen Kommunen in Irland, Spanien, Nordamerika und den Niederlanden. Der Nachbarstaat rief sogar den Wassernotstand aus. Da fast ein Drittel seiner Fläche unter dem Meeresspiegel liegt, muss es sich mit Schleusen vor der Nordsee schützen. Diese aber brachte die Tore in den Sommermonaten massiv in Bedrängnis, denn ein bedeutender Stabilisierungsfaktor fiel aus. „Normalerweise gibt es einen Gegendruck des Süßwassers aus den Flüssen“, so ein Sprecher der Wasserwirtschaftsbehörde.
Besonders schwer aber hatte Frankreich zu kämpfen. In mehr als 100 Gemeinden brach die Trinkwasser-Versorgung zusammen. Tanklaster mussten die dringend benötigte Ressource von fern her anliefern. Viele BürgermeisterInnen verboten deshalb das Blumengießen und Autowaschen.
Auch in einigen Gebieten Deutschlands kam es zu Einschränkungen. In Brandenburg etwa erließ der Wasserverband Strausberg-Erkner Auflagen zur Nutzung des kostbar gewordenen Guts. Und in Nordrhein-Westfalen schlug Landesumweltminister Oliver Krischer Alarm: „NRW trocknet aus.“ Rhein-Romantik war für den Politiker von Bündnis 90/Die Grünen ein Lied aus uralter Zeit. „Der vielfach als majestätisch beschriebene Rhein zeigt sich momentan von einer traurigen Seite“, stellte er fest.
Während der Pegel vielerorts Rekord-Tiefstände erreichte, heizte der Strom sich massiv auf. Bei Bad Honnef betrug seine Temperatur nicht weniger als 25 Grad. Ähnliches war an Weser, Elbe, Main und den anderen großen Flüssen sowie an Bächen und Seen zu beobachten. Überdies sanken die Grundwasser-Spiegel. Allein in Nordrhein-Westfalen zeigten 68 Prozent der Messstellen niedrige bis sehr niedrige Werte an. Als „Grundwasser-Dürre“ bezeichnen die WissenschaftlerInnen solche Befunde.
Dabei hatten die Wasserstandsmeldungen schon vorher düster ausgesehen. „Deutschland verliert jährlich 2,5 Gigatonnen (…) Das macht das Land zu einer der Regionen mit dem weltweit höchsten Wasserverlust“, resümierte das kanadische „Global Institute for Water Security“ im März 2022. Ein Bestand von der Größe des Bodensees ging über die letzten 20 Jahre verloren, so Direktor Jay Famiglietti.
Die Folgen
Die Wetterextreme, die vom Klimawandel künden wie Hitze-Wellen, Hurrikans und Starkregen-Ereignisse, fordern Menschenleben. Zudem bedrohen sie die Ernährungssicherheit. Bis zu 50 Prozent ihres Ertrags verloren die LandwirtInnen. Das Getreide konnten sie größtenteils noch vor der Dürre – allerdings mit Qualitätsverlusten – einbringen, aber den Herbstkulturen wie Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln setzten die heißen Sommermonate zu. Die verschiedenen Obst-, Salat- und Kohlsorten gedeihten ebenfalls nicht recht. „An manchen Standorten sind die Köpfe nur halb so groß wie sonst, und manchmal haben sie im Inneren ein braunes Herz“, klagte etwa der Gemüsebauer Willi Andree aus Düsseldorf-Hamm in der Rheinischen Post über seinen Rotkohl.
„Die Wasserversorgung ist in NRW wegen der hohen Niederschläge im Winter und deshalb meist gut gefüllter Talsperren akut nicht gefährdet“, erklärte derweil Oliver Krischer. „Bisher – ob das so bleibt, können wir nicht sagen“, relativierte der Minister aber sogleich. Dementsprechend entbrennen um das Wasser schon Konflikte. Deshalb mahnt Gerd Landsberg vom „Deutschen Städte- und Gemeindebund“ eine Wassernutzungshierarchie an und stellt klar: „Hierbei muss und wird die öffentliche Wasserversorgung stets Vorrang haben.“ Sein Wort in BAYERs Ohr. In Frankreich setzte die Politik vorsorglich bereits im Februar 2021 eine „Untersuchungskommission zur Kontrolle der Wasser-Ressourcen durch Privat-Interessen und deren Folgen“ ein.
Aber nicht nur zwischen Industrie, Landwirtschaft und den Kommunen gibt es Reibungen, sondern auch zwischen einzelnen Gemeinden selbst. So liegt etwa Frankfurt mit dem Vogelberg-Kreis im Clinch um Nutzungsrechte, während sich in den USA gleich sieben Bundesstaaten das Wasser des Colorado Rivers streitig machen. Die seit Jahren andauernden Querelen zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan um das Nil-Wasser beschäftigen derweil schon den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Und selbst zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staaten kommt es bereits. Nicht zuletzt das Wasser ließ Kirgistan und Tadschikistan im September 2022 zu den Waffen greifen.
Auch für die Tiere und die Umwelt haben die Auswirkungen der Erderwärmung auf den Wasserhaushalt der Natur massive Folgen. Vor allem Fische und andere aquatische Lebewesen leiden stark – nicht nur in der Oder, wo mutmaßlich zusätzlich noch ein Umweltverbrechen mit im Spiel war. Schon Temperaturen ab 20 Grad halten Lachsforelle und Äsche nur schwer aus. Und noch heftigere Aufheizungen mit entsprechend heftigerem Algen-Wuchs und in der Folge abnehmendem Sauerstoff-Gehalt bringen auch weniger empfindliche Exemplare in Bedrängnis. Die Flachwasser-Zonen, die trockengefallen sind, fehlen einigen Arten ebenfalls, denn sie dienen unter anderem als Laich-Plätze und Aufwuchs-Regionen für Jungfische. Darüber hinaus müssen die Wasser-Bewohner eine stärkere Verunreinigung ihres Habitats verkraften. Durch die abnehmenden Pegelstände steigt nämlich die Schadstoff-Konzentration, bleiben doch die von BAYER & Co. eingeleiteten Gift-Frachten auf konstant hohem Niveau.
Da ist es nur ein schwacher Trost, dass auch die Industrie zu spüren bekam, was der von ihnen befeuerte Klimawandel – allein der Leverkusener Multi stieß im Geschäftsjahr 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 3.000 Tonnen Methan aus – mit den Flüssen tut, denn diese vermochten nun die vielfältigen Aufgaben, welche die Konzerne ihnen auferlegen, nicht mehr in ausreichendem Maße erfüllen. Durch die niedrigen Wasserstände stockte die Bereitstellung von Kühlwasser für Atomkraftwerke und Produktionsanlagen, und auch bei den Hol- und Bringdiensten haperte es. Die Schiffe luden teilweise nur noch die Hälfte ihrer sonst üblichen Fracht auf, um nicht zu riskieren auf Grund zu laufen. Das ließ für BAYER & Co. die Preise explodieren und sorgte überdies für Lieferengpässe. Das, was für den BASF-Manager Uwe Liebelt ein „strategischer Standort-Nachteil“ war, fasste Holger Lösch vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) schon in ein wenig ungemütlichere Worte: „Die anhaltende Trocken-Periode und das Niedrigwasser bedrohen die Versorgungssicherheit der Industrie.“
Opferstrecke Rhein
Für die BASF und für BAYER hat der Rhein eine besondere Bedeutung. „Als Lebensader der deutschen Chemie-Industrie“ bezeichnet das Manager Magazin den Strom. Wegen ihm verlegte der Global Player dereinst sogar seinen Hauptsitz von Wuppertal nach Leverkusen. Die FAZ fasste die Funktion des Gewässers für die Branche so zusammen: „Der Rhein war für viele der Erzeugnisse der einzige Transport-Weg, sein Wasser wurde als Kühl- und Lösemittel gebraucht. Und er war lange ein riesiger Abfluss.“ Von einer „Opferstrecke“ sprach der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg deshalb.
Aber um all diesen Zwecken dienen zu können, mussten die Unternehmen den Rhein ebenso wie Main, Weser & Co. erst einmal herrichten (lassen). Also folgten Vertiefungen, Begradigungen, Dämme und andere Maßnahmen. Von den größten Strömen der Welt haben nur noch 37 Prozent einen natürlichen Verlauf und nur noch 23 Prozent eine natürliche Verbindung von Quelle zu Mündung. Das hatte für die Tier- und Pflanzenwelt gravierende Auswirkungen. Zudem verschärfen sich damit die Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt. Die erhöhten Fließgeschwindigkeiten beispielsweise potenzieren die Gefahren, die von Starkregen- und Hochwasserereignissen ausgehen.
Details über den konkreten Umgang des Leverkusener Multis mit dem Wasser liefert sein Nachhaltigkeitsbericht. Nicht weniger als 55 Milliarden Liter nutzte er im Geschäftsjahr 2021. Zu allem Übel erstreckt sich sein enormer Durst auch noch auf Gebiete, die unter Wasser-Mangel leiden. „Etwa 5,8 % unseres Gesamtwasser-Einsatzes entstammt wasserarmen bzw. von Wasser-Knappheit bedrohten Regionen“, heißt es in dem Report. Damit bestätigte er die Feststellung der FAZ: „Die chemische Industrie ist mit Abstand der größte industrielle Wasser-Verbraucher in Deutschland.“
Und nicht nur aus Flüssen bedient der Agro-Riese sich. An manchen deutschen Standorten wie in Berlin und Bergkamen verfügt er noch über alte Wasserrechte, die ihm den Zugriff auf reinstes Grundwasser ermöglichen. In Leverkusen hingegen gingen diese auf die CURRENTA über, als der BAYER-Konzern seine Anteile an der Service-Gesellschaft im Jahr 2019 verkaufte.
Die Aktien-Gesellschaft entnimmt den Flüssen jedoch nicht nur etwas, sie gibt ihnen auch etwas zurück. Auf 25 Milliarden Liter summierten sich die Abwässer. Die Mengen davon, welche als Kühlwasser genutzt und dabei entsprechend warm wurden, sorgten nun für aquatische Wärme-Schübe. Aber mehr noch haben es die Gift-Frachten in sich. Auf 172.000 Tonnen Anorganischer Salze, 510 Tonnen Phosphor, 360 Tonnen Stickstoff und 2,6 Tonnen Schwermetalle kam BAYER 2021. Damit nicht genug, landen nicht nur Produktionsrückstände, sondern auch Produkt-Rückstände im Wasser. So wiesen WissenschaftlerInnen in einer Studie, welche die ECOLOGISTAS EN ACCIÓN in Auftrag gegeben hatten, Glyphosat-Spuren in 31 Prozent der spanischen Flüsse und Seen nach. Auf das Glyphosat-Abbauprodukt AMPA stießen sie sogar in 42 Prozent der Proben.
BAYER will baggern
Der Leverkusener Multi bekennt sich zwar wohlfeil zum Schutz des Wassers und investiert in entsprechende PR-Kampagnen wie diejenige zur Unterstützung der „Wasseraktivistin“ Mina Guli, praktische Auswirkungen hat das jedoch nicht. Jetzt, da die Flüsse unter dem Klimawandel ächzen, wollen BAYER & Co. sie noch mehr schinden. So fordert Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des „Verbandes der chemischen Industrie“ und davor lange in Diensten des Agro-Riesen, mit Blick auf den Rhein: „Die Leistungsfähigkeit von Deutschlands wichtigster Binnenschifffahrtsstraße muss auch bei den niedrigen Wasserständen so rasch wie möglich gesichert werden.“ Und das Mittel der Wahl dazu für ihn: Vertiefung der Fahrrinne. Eine sogenannte Beschleunigungskommission mit VertreterInnen aus Kreisen der Wirtschaft, der Politik und der Behörden mit der Aufgabe, diese Arbeiten an den Flüssen voranzutreiben, hat sich nach einem Treffen von Industrie-EmissärInnen mit Verkehrsminister Volker Wissing schon gebildet. „Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Notlage. Wir brauchen dieses Infrastruktur-Projekt vorrangig und so schnell wie möglich“, sagte der FDP-Politiker. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stimmt dem zu, während sich Landesumweltminister Krischer gegen das Vorhaben ausspricht. „Den Rhein einfach nur auszubaggern und tiefer zu machen, löst kein Problem“, so der Bündnisgrüne. „Wir müssen die Schiffe dem Rhein anpassen, nicht umgekehrt“, sagt er. Und tatsächlich passiert in diese Richtung auch etwas. So ließ beispielsweise die BASF schon Niedrigwasser-Schiffe entwickeln, um sich zu wappnen.
Die großen Umweltverbände wenden sich ebenfalls streng gegen die avisierte Vertiefung. „Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel, die Strömungsgeschwindigkeit erhöht sich, das Wasser fließt schneller ab und die Auswirkung auf die Flusssohle, ein wichtiger besiedelbarer Raum für Kleinstlebewesen, ist verheerend“, warnt etwa der WWF. Überdies machen die Erosionen, die dort unten durch den stärkeren Druck entstehen, aufwendige Stabilisierungsarbeiten mittels Kies erforderlich. „De facto bekommt der Rhein dann immer mehr den Charakter eines Kanals“, so Klaus Markgraf-Maué vom NABU. Auch für die Fluss-Auen hätten die Ausschachtungen Folgen, sie drohen durch den dann niedrigeren Grundwasserspiegel nämlich trockenzufallen und damit ihre wichtige Funktion nicht nur als Habitat für Flora und Fauna, sondern auch als Wasserspeicher zu verlieren. Bei Arbeiten in Mündungsnähe von Flüssen, wie sie jetzt die Weser zu befürchten hat, potenzieren sich die Risiken und Nebenwirkungen noch einmal. Durch die Tieferlegung verändert sich nämlich der Tidenhub, also die Differenz zwischen den Wasserständen bei Ebbe und bei Flut. Es tut sich eine größere Schere auf, was für eine stärkere Dynamik sorgt, welche die Deichsicherheit gefährdet sowie mehr salzhaltiges Meerwasser und Schlick einströmen lässt.dieser Aussichten plädiert Markgraf-Maué dafür, sich ins Unabänderliche zu fügen: „Es geht kein Weg daran vorbei zu akzeptieren, dass die Schiffbarkeit des Rheins abnimmt.“ Und Dirk Jansen vom BUND NRW hält ebenfalls wenig davon, den Lastkähnen den Weg freizuschaufeln. „Wir können nicht gegen den Klimawandel anbaggern“, meint er. „Anstatt Steuer-Millionen für ökologisch schädliche Eingriffe zu verplanen, sollte lieber das Ökosystem Rhein gestärkt werden“, so der Umweltaktivist.
Nationale Wasserstrategie
Dazu gilt es beispielsweise, die Ströme zu entschleunigen, indem sie mehr Raum zur Ausdehnung erhalten, etwa durch eine Renaturierung der Fluss-Auen oder eine Rückverlegung von Deichen. So bleibt das Wasser länger in der Landschaft, und die Böden können als Speicher oder Auffangbecken bei Überschwemmungen dienen. Einige solcher Maßnahmen sieht das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ vor, das Umweltministerin Steffi Lemke im August 2022 vorstellte.
Ein größeres Paket will die „Nationale Wasserstrategie“ schnüren, welche noch von Amtsvorgängerin Svenja Schulze aufs Gleis gesetzt wurde und im Moment in der Beratungsschlaufe von Ressorts und Bundesländern steckt. Der Entwurf zur Kurzfassung bezeichnet die Klima-Krise als eine gewaltige Herausforderung. „Die Sommer werden heißer und trockener. Starkregen wird häufiger, Schnee seltener. Die Grundwasserspiegel sinken, die Bodenfeuchte geht zurück. Die Trockenheit bedroht Ackerpflanzen und unseren Wald. Wasserstraßen sind immer öfter nicht mehr schiffbar. Nutzungskonflikte können entstehen oder verstärken sich“, konstatiert er. „Grundlegende Veränderungen in unserem Umgang mit dem Wasser“ mahnt die Strategie deshalb an. Der Industrie verlangt sie jedoch kaum etwas ab. Die Pläne beschränken sich darauf, die Wasserentnahme-Entgelte weiterzuentwickeln, BAYER & Co. Mindeststandards für eine effiziente Nutzung der Ressource vorzugeben und weniger Ausnahmen bei der Erlaubnispflicht von Grundwasser-Entnahmen zuzulassen. Das Vorhaben, „die Hersteller für die von Stoffen und Produkten ausgehenden Gewässer-Belastungen in die Verantwortung zu nehmen“ schiebt das „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz“ (BMUV) von selbst auf die lange Bank bzw. auf Brüssel. „Das BMUV setzt sich für EU-Regelungen ein“ heißt es dazu nämlich lediglich.
Bei der Vorstellung der Wasser-Strategie durch Svenja Schulze im Juni 2021 hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) deshalb fest: „Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass der Wassermangel eine der dramatischsten Folgen des Klimawandels ist. Aber die Politik handelt nicht. Sie kapituliert vor der Macht der Konzerne.“
Das Thema „Wasser“ begleitet die Coordination dabei seit ihren Anfängen. „Wasser ist Leben“ lautete Ende der 1970er Jahre das Motto ihrer ersten überregionalen Kampagne. Im Jahr 1980 initiierte sie gemeinsam mit GREENPEACE eine Blockade des Leverkusener Rhein-Anlegers, um das Auslaufen eines Tankers zu verhindern, der den Auftrag hatte, giftige BAYER-Dünnsäure in der Nordsee zu verklappen. 1983 gehörte die CBG mit zu den Organisatoren des Wasser-Tribunals in Rotterdam. In den 2000er Jahren stand sie schließlich lange an der Seite des Landwirts Hans Möller, der einen langen juristischen Kampf mit dem Leverkusener Multi ausfocht, weil dessen enormer Durst in der Region zur Absenkungen des Grundwasserspiegels, Austrocknung von Haus- und Weidebrunnen und Bodensenkungen inklusive Gebäude-Schäden führte. Und bis heute stellt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Vorstand des Unternehmens auf den Hauptversammlungen regelmäßig wegen des schonungslosen Umgangs BAYERs mit dem Wasser zur Rede und wird davon auch in Zukunft nicht ablassen.