Aufsichtsrat beruft Bill Anderson als Nachfolger
BAYER schasst Baumann
Der BAYER-Konzern musste sich dem Druck der Investoren beugen und einen neuen Chef bestellen. Allerdings will der Leverkusener Multi nicht alle Wünsche der Hedgefonds erfüllen.
Von Jan Pehrke
„Der Kapitalmarkt hat bekommen, was er gefordert hat“, so kommentierte die FAZ die Entscheidung des BAYER-Aufsichtsrats, den amtierenden Konzern-Chef Werner Baumann vorzeitig abzulösen und zum 1. Juni durch Bill Anderson zu ersetzen. Und wirklich hatten die Hedgefonds darauf gedrungen, Baumann nicht bis zum Ende seines Vertrags bleiben zu lassen, weil sie diesem nicht mehr zutrauten, das Unternehmen aus dem MONSANTO-Tief zu führen. Auch ist Anderson wie gewünscht kein Eigengewächs des Leverkusener Multis, sondern ein US-Amerikaner mit einem Vorleben beim Pillen-Riesen ROCHE und insofern genau der Richtige für die Pläne des Global Players, sein Pharma-Geschäft in den USA massiv auszubauen. Aber viele AkteurInnen wollten noch mehr. Sie hatten an eine externe Lösung auch bestimmte Erwartungen geknüpft, nämlich einen frischen Blick von außen. Einige verbanden damit „eine neue strategische Ausrichtung“, andere wurden konkreter und verlangten die Zerschlagung der jetzigen Unternehmensstruktur mit den drei Sparten „Agrar“, „Pharma“ und „Consumer Health“. „Es gibt absolut keinen Grund, warum diese drei Geschäftsbereiche zusammen sein sollten. Das bringt keine Synergie-Effekte, keine Vorteile“, sagt etwa David Herro von HARRIS ASSOCIATES, BAYERs fünftgrößtem Anteilseigner. Das Ganze ist weniger als die Summe seiner Teile – diese Rechnung machten Herro & Co. auf.
Auch anderen Unternehmen setzen die sogenannten aktivistischen Investoren mehr und mehr zu. Die Kanzlei Skadden zählte laut FAZ im Dezember 2022 allein in Europa 341 Kampagnen. In dem ganzen zurückliegenden Jahr guckten sich die Fonds 34 bundesdeutsche Aktien-Gesellschaften aus, heuer waren es bis Ende Februar fast schon ebenso viele. Besonders viel verbrannte Erde hinterließen sie in der Vergangenheit bei THYSSENKRUPP und BILFINGER. Der Leverkusener Multi hatte Ähnliches zu befürchten, als 2019 der berühmt-berüchtigte Fonds ELLIOT einstieg. Dieser drang auf eine schnelle Beilegung der Rechtsstreitigkeiten mit den Glyphosat-Geschädigten, um den Agro-Riesen anschließend gewinnbringend filitieren zu können. Aber die Mühlen der Justiz mahlten der Firma zu langsam, deshalb reduzierte sie ihre Beteiligung schließlich erheblich.
Die nunmehrigen Aktivisten brachten sich Anfang des Jahres in Stellung. Schon vor der Hauptversammlung am 28. April sollte BAYER liefern. BLUEBELL stieg bei dem Global Player ein und hatte gleich eine To-do-Liste für den Aufsichtsrat dabei. „Machtkampf brutal – Luxus-Manager will ASPIRIN-Boss stürzen“, kommentierte die BILD-Zeitung. Unmittelbar nach dem Coup erhöhte sich der Aktien-Kurs – wie fast immer bei solchen Interventionen – kräftig und band sich damit fest an die Agenda des Vermögensverwalters. Das war auch Sinn der Übung. Bei Zuwiderhandlungen riskiert das Management nämlich jetzt nicht nur BLUEBELL zu brüskieren, sondern zugleich alle AktionärInnen, die von dem Höhenflug profitierten. Die Fonds „wollen rasche, kapitalmarkt-relevante Ergebnisse sehen“, resümierte die Wirtschaftswoche, und riet ihren LeserInnen, auf den Zug aufzuspringen. „Setzen sie sich durch, macht sich das im Aktien-Kurs der betroffenen Unternehmen oft positiv bemerkbar. Für Anleger kann es sich daher lohnen, sich an Aktivisten dranzuhängen und einzusteigen, wo auch diese investieren“, so das Blatt.
INCLUSIVE CAPITAL PARTNERS (ICP) erwarben im letzten Monat ebenfalls BAYER-Anteile und gaben sich etwas bescheidener. „Die ultimative Zerschlagung des Unternehmens ist unserer Meinung nach nicht notwendig, um (…) Werte zu schaffen. Aber sie muss auf dem Tisch liegen“, sagte Gründer Jeffrey Ubben der Financial Times. Dafür nominierte der aktivistische Investor sich gleich mal selbst als Aufsichtsrat-Kandidat, und einen Wahlverein hatte er auch schon am Start. Er bestand neben HARRIS ASSOCIATES aus dem Singapurer Staatsfonds TEMASEK, der dem Leverkusener Multi bereits im letzten Jahr Kopfschmerzen bereitete. Er hatte Werner Baumann zum Rapport einbestellt, ihn für zu leicht befunden und dann bei der Hauptversammlung gegen seine Entlastung gestimmt.
Ende Januar hatte Ubben dann sein „Vorstellungsgespäch“ bei Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann. Der jedoch beschied dem US-Amerikaner laut Manager Magazin, für dieses Jahr nichts mehr frei zu haben. Alternativ dazu berief er ihn in den BAYER-Nachhaltigkeitsrat, der zweimal im Jahr tagt. Ubben nahm dankend an, wollte sich damit aber nicht abspeisen lassen. Ein Sitz im Nachhaltigkeitsrat und einer im Aufsichtsrat schlössen sich doch nicht gegenseitig aus, bekundete er.
In der Chefsache zumindest meldete der Oberaufseher am 8. Februar Vollzug. Winkeljohann präsentierte den US-Amerikaner Bill Anderson als Nachfolger von Werner Baumann. „Der Auftrag von Bill Anderson ist klar: BAYER soll sein ganzes Potenzial entfalten und nachhaltigen Wert für unsere Aktionäre, Landwirte, Patienten, Verbraucher, Beschäftigte und alle Stakeholder des Unternehmens schaffen“, erklärte Winkeljohann. Der ehemalige ROCHE-Manager Anderson bekannte sich ebenfalls zum 3-Säulen-Modell, denn ein Einsatz für den Erhalt dieser Struktur gehört zu seiner Stellenbeschreibung. „Anderson soll diesen Kampf für Winkeljohann gewinnen. BAYER soll unter seiner Ägide im Wesentlichen bleiben, was es heute ist: ein Konglomerat aus roten und grünen Biotech-Firmen“, schreibt das Manager Magazin. Bereits in seinen ersten Statements kündigte der US-Amerikaner dann auch bahnbrechende Innovationen „in den Bereichen Landwirtschaft, Pharma und Consumer Health“ an.
Nicht zuletzt wegen dieser Haltung begrüßten die Gewerkschaften seine Verpflichtung. Heike Haus-feld, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende stimmte der Personalie im Aufsichtsrat ebenso zu wie Francesco Grioli von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und die anderen Beschäftigten-Vertreter. Hausfeld etwa lobte Anderson für das in den Gesprächen deutlich gewordene „Verantwortungsbewusstsein für die Belegschaft“. Grioli sah sich der Presse gegenüber trotzdem noch einmal zu einem eindeutigen Statement genötigt: „Aus Sicht der Beschäftigten ist BAYER mit seinen drei Standbeinen genau richtig aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft. Die Transformation der Industrie bewältigt man nur mit einer Unternehmenspolitik, die auf Risiko-Streuung und Nachhaltigkeit beruht – und nicht auf Hedgefonds-Aktivismus.“ Dafür erhält BAYER auch den Beistand der Ampel-Koalition. So hatte der Staatssekretär – und ehemaliger Co-Vorsitzender von GOLDMAN SACHS DEUTSCHLAND – Jörg Kukies den TEMASEK-Emissär Uwe Krüger ins Kanzleramt einbestellt und ihm laut Manager Magazin klargemacht, dass eine Aufspaltung von BAYER keinesfalls im Sinne der Bundesregierung wäre. Aus der Welt ist das Thema damit aber trotzdem nicht. Deshalb bleibt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN weiter dran. Aber weit davon entfernt, lediglich die alten Strukturen zu verteidigen, behält sie dabei stets ihr übergeordnetes Ziel im Auge: Für mehr Umweltschutz und sichere Arbeitsplätze!