BAYER vs. Biden
Mit einem billionen-schweren Gesetzes-Paket will die Biden-Administration Sozialreformen auf den Weg bringen und die Wirtschaft klima-freundlicher gestalten. Aber höhere Unternehmenssteuern und andere Maßnahmen zur Gegenfinanzierung passten BAYER & Co. nicht. Also organisierten die Konzerne eine große Kampagne gegen den „Build Back Better“-Act.
Von Jan Pehrke
BAYER & Co. gehen bei der Verteilung ihrer Spenden-Gelder an PolitikerInnen äußerst umsichtig vor. Die Unternehmen setzen nicht einfach alles auf die Karte, denn im Falle eines Falles müssen sie sich ja auch mit dem von ihnen nicht favorisierten Lager arrangieren. Darum streut der Leverkusener Multi die finanziellen Zuwendungen. Bei der letzten Wahl in den USA flossen aus seinem 327.500 Dollar schweren Etat zur Pflege der politischen Landschaft 56,49 Prozent an Republikaner-Innen und 43,51 Prozent an DemokratInnen. Und sogar bei der einzelnen Parteien selbst gehen die Konzerne nicht einfach nach dem Gießkannen-Prinzip vor, sondern wählen sich ihre Leute ganz genau aus.
Zuletzt kam das bei der Kampagne gegen den „Build Back Better“-Act der Biden-Administration zum Tragen. Mit diesem Gesetzes-Paket will die US-Regierung die sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie mindern und gleichzeitig die Weichen für eine klima-schonendere Wirtschaft stellen. Nicht weniger als 3,5 Billionen Dollar sah das Paragrafen-Werk für bessere Krankenversicherungsleistungen, Steuerentlastungen für Familien, mehr Kinderbetreuungsangebote, bezahlte Elternzeit, erleichterte Hochschul-Zugänge und eine Stärkung der Altenpflege vor. Die 2. Säule umfasst Investitionsanreize für die Industrie zur Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen in Höhe von 555 Milliarden Dollar.
Zur Gegenfinanzierung planten Biden & Co. unter anderem, die von Donald Trump veranlasste drastische Unternehmenssteuer-Senkung wieder etwas zurückzufahren und die Arzneimittel-Preise zu senken. Zu diesem Behufe beabsichtigten sie, der staatlichen Gesundheitsagentur Medicare das Mandat zu erteilen, mit den Herstellern Preis-Rabatte auszuhandeln. Das „Congressional Budget Office – die Finanzabteilung des Kongresses – ermittelte hier über die nächsten zehn Jahre ein Einspar-Potenzial von 456 Milliarden Dollar.
Das passte BAYER natürlich gar nicht. Auch die anderen Multis zeigten sich „not amused“. Also starteten die Firmen eine Kampagne. Dabei konzentrierten sie sich darauf, die hauchdünne Mehrheit der Demokraten zu unterminieren und Abgeordnete mittels üppiger „Wahlkampf-Hilfe“ aus der Fraktion herauszulösen. So erhielten Carolyn Bourdeaux, Ed Case, Jim Costa Henry Cuellar, Jared Golden, Vincente Gonzales, Josh Gottheimer, Joe Manchin, Stephanie Murphy Kurt Schrader, Kyrsten Sinema und Filemon Vela in jüngster Zeit hunderttausende Dollar. Allein der Leverkusener Multi bedachte im laufenden Jahr Gottheimer, Murphy und Schrader mit je 2.500 Dollar und Jim Costa mit 1.000 Dollar. Die konservativen Demokraten-Zirkel „Moderate Democrats“ und „Blue Dog Coalition“ erhielten noch mal je 5.000 Dollar vom Global Player. Auch andere DAX-Konzerne wie Airbus, BASF, Siemens, Deutsche Telekom und das Familien-Unternehmen Boehringer zeigten sich erkenntlich.
Die HauptprotagonistInnen der partei-internen Opposition sind die beiden SenatorInnen Kyrsten Sinema und Joe Manchin. Sinema, die im Vorfeld der letzten US-Wahl allein 121.000 Dollar von der Pillen-Industrie – darunter 1.000 Dollar vom Leverkusener Multi – erhalten hatte, wandelte sich so von einer engagierten Kämpferin für erschwingliche Medikamenten-Preise zu einer entschiedenen Streiterin für Big Pharma. Auch gegen Bidens Absicht, die Unternehmenssteuern wieder etwas anzuheben, wendet sie sich. Manchin, dessen frühere Wahlkämpfe der Leverkusener Multi mit rund 50.000 Dollar gefördert hatte, strich aktuell vor allem Geld von der Öl-, Papier- und Versicherungsindustrie ein. Als Abgeordneter aus der Kohle-Region West Virginia stört er sich vor allem an den Klimaschutz-Vorhaben des „Build better back acts“.
Das meiste Geld zur Pflege der politischen Landschaft stammt allerdings nicht von den einzelnen Unternehmen selbst, sondern von ihren Interessensverbänden wie dem „Business Roundtable“, dem „US Chamber of Commerce“ und den „Pharmaceutical Research & Manufacturers of America“ (PhRMA). Der „Business Roundtable“ machte gegen Bidens Plan, den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen, mobil. Das „US Chamber of Commerce“ ließ verlautbaren, „alles in unserer Macht stehende“ zu tun, um das Wiederaufbau-Programm in seiner ursprünglichen Form zu verhindern und bewarb dafür unter anderem die abtrünnigen Demokraten auf Facebook massiv. Die PhRMA warnte derweil, eine Kappung der Arznei-Preise würde „das gleiche innovative Ökosystem zerstören, aus dem lebensrettende Impfstoffe und Therapien zur Bekämpfung von COVID-19 erwuchsen“ und schaltete entsprechende Anzeigen. Das „American Action Network“ bezeichnete das Vorhaben gleich als eine „sozialistische Übernahme des Medikamenten-Marktes“, und sogar eine eigene „Coalition Against Socialized Medicine“ brachten BAYER & Co. an den Start.
Das alles zeitigte Erfolge. Dem innerparteilichen Druck geschuldet, musste Joe Biden den „Build Back Better“-Etat von 3,5 Billionen Dollar auf 1,75 Billionen reduzieren. Ein 150 Milliarden Dollar umfassendes Anreiz-Programm zum Umstieg auf erneuerbare Energien fiel ebenso Streichungen zum Opfer wie eine Methan-Abgabe, bezahlte Elternzeit und ein besserer Krankenversicherungsschutz für Angestellte. Die Pläne zur Reduzierung der Arznei-Preise und zur Stärkung der staatlichen Krankenkassen dürften – wenn überhaupt – allenfalls in Schrumpf-Form überleben.
Damit begnügten sich die Partei-Rechten jedoch nicht. Sie gaben ihre Blockade-Haltung nicht auf. So blieb Joe Biden nichts anderes übrig, als ohne ein fertiges Maßnahme-Paket zur Treibhausgas-Reduktion zum Klima-Gipfel nach Glasgow reisen. Auch zur verlorenen GouverneurInnen-Wahl in Virginia trug der interne Streit bei. Das bewog die Partei-Linke, die als Reaktion auf den Widerstand von Sinema & Co. die Zustimmung zu Bidens Infrastruktur-Gesetz verweigerte hatte, einzulenken.
Aber ihre Hoffnung, auf diese Weise am 5. November mit der endgültigen Verabschiedung der „infrastructure bill“ den „Build Back Better Act“ seine erste parlamentarische Hürden nehmen zu lassen, trog. Die Rechtsabweichler meldeten noch Klärungsbedarf an und wollten alles noch einmal vom Congressional Budget Office durchrechnen lassen, das schon bei der „infrastructure bill“ eine Deckungslücke von rund 250 Milliarden ausgemacht hatte. Erst am 19. November votierte das „House of Representatives“ für das Gesetz, nur Jared Golden blieb standhaft.
Bei der entscheidenen Abstimmung im Senat können die Demokraten sich Abtrünnige wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse dort nicht mehr erlauben. Trotzdem haben weder Kyrsten Sinema noch Joe Manchin bisher nachgegeben. Die Partei-Spitze hat deshalb noch viel Arbeit vor sich, um die beiden zu einer Meinungsänderung zu bewegen und das „Build Back Better“-Paket durchzubringen. Ohne weitere Zugeständnisse an Sinema und Manchin dürfte das zur Freude der Industrie kaum gelingen. Dementsprechend viel Kritik forderte die Einflussnahme der Multis heraus. „Es darf nicht sein, dass Unternehmensgeld diesen Prozess kontaminiert“, mahnte Kyle Herrig von der Antikorruptionsinitiative ACCOUNTABLE.US. Der linke Demokrat Bernie Sanders sprach derweil von Gier, welche die Firmen durchdringe und haderte mit den Abgeordneten aus den eigenen Reihen. „Mir ist klar, dass die Pharma-Industrie die Republikaner-Partei besitzt und dass kein Republikaner für ein solches Gesetz stimmt, aber es gibt keine Entschuldigung für einen Demokraten, es nicht zu unterstützen“, so Sanders. Und auch die Coordination gegen BAYER-Gefahren protestierte. „BAYER und die anderen Konzerne kaufen sich ihre Politik nach Belieben. Diese Praxis muss ein Ende haben. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert ein Verbot aller Spenden an PolitikerInnen in den USA und anderswo“, hieß es in ihrer Presseerklärung zum Thema.