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Schleichwerbung

CBG Redaktion

Presse Information vom 31. Mai 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Presserat verhängt „öffentliche Rüge“

Werbetext von Daimler und Bayer als redaktioneller Beitrag getarnt / Einflussnahme großer Unternehmen in der Kritik

Der Deutsche Presserat hat heute einen Verstoß der Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung (SZBZ) gegen den Pressekodex festgestellt. Von den vier möglichen Sanktionsmöglichkeiten wurde die schärfste („öffentliche Rüge mit Abdruckverpflichtung“) verhängt.

Der Presserat hatte sich auf Antrag der Coordination gegen BAYER-Gefahren mit dem am 5. Februar erschienenen Artikel Grundstoff für Biodiesel-Produktion befasst. Darin wird ein Projekt der Firmen Daimler und Bayer zum Anbau der ölhaltigen Pflanze Jatropha in Indien vorgestellt. Als Autor wird SZBZ-Redakteur Werner Eberhardt genannt. Einen Tag zuvor war der Artikel jedoch wortgleich auf der homepage der Daimler AG erschienen. Als Copyright wurde angegeben „Daimler AG. Alle Rechte vorbehalten“. Da die Veröffentlichung in der SZBZ nicht als Anzeige gekennzeichnet war, verstößt der Abdruck gegen Ziffer 7 des Pressekodex („Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken“).

Philipp Mimkes, Beschwerdeführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Der Anbau von Pflanzen für die Herstellung von Biodiesel führt zu einer wachsenden Konkurrenz um Anbauflächen und Wasser. Nicht zuletzt der Weltagrarbericht nennt nachwachsenden Treibstoff eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit. Es ist daher nicht hinzunehmen, dass die Redaktion der Sindelfinger Zeitung bei einem solch sensiblen Thema die Propaganda von Daimler und Bayer eins zu eins übernimmt.“ Paul Russmann, Sprecher der Kritischen Daimler-Aktionäre, ergänzt: „Daimler nutzt seine Machtstellung als einer der größten Arbeitgeber der Region aus, um die lokale Presse mit unlauteren Werbemethoden zum verlängerten Arm der Öffentlichkeitsabteilung zu machen“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) dokumentiert seit drei Jahrzehnten die Einflussnahme großer Unternehmen auf Medien und Berichterstattung. Der Firma Bayer gelingt es immer wieder, den Abdruck kritischer Berichte zu verhindern. Die Magazine Spiegel und Stern mussten nach kritischen Berichten mehr als zehn Jahre lang auf Anzeigen von Bayer verzichten; O-Ton aus der Zentrale des Chemie-Multis: „Damit die Jungs in Hamburg mal lernen, wer hier das Sagen hat“. Und nach einem Störfall in einem Bayer-Werk gelangte kürzlich ein Strategiepapier des Konzerns in die Öffentlichkeit, in dem empfohlen wird, kritische Medien zu „marginalisieren“. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Die Wahrheit und die Interessen von Mensch und Umwelt bleiben bei dieser Art von Berichterstattung auf der Strecke.“

weitere Informationen:
· Daimler und Bayer wollten Medien foppen – und kassieren öffentliche Rüge
· Hintergründe zum Biodiesel-Projekt von Daimler und Bayer
· Artikel „Bayer und die Pressefreiheit“
· Kommunikations-Strategie nach Störfall gelangt in die Öffentlichkeit

Pressemitteilung des Presserats

Der Deutsche Presserat tagte am 26. und 27.5.2010 in Berlin und sprach insgesamt acht Rügen aus.

7.2 – Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse,
Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird. Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material.

Ebenfalls gegen den Grundsatz der klaren Trennung von Redaktion und Werbung verstieß die Sindelfinger Zeitung Online mit einem Artikel unter der Überschrift ‚Grundstoff für Biodiesel-Produktion‘. Bei der Veröffentlichung handelte es sich um eine vollständige Übernahme eines PR-Textes der Daimler AG, was für den Leser aber nicht ersichtlich war. Im Gegenteil entstand durch eine dem Beitrag vorangestellte Autorenzeile der irreführende Eindruck, als handele es sich um einen von der Redaktion recherchierten und verfassten Artikel. Die in Richtlinie 7.2 geforderte besondere Sorgfalt im Umgang mit PR-Material wurde bei dieser Veröffentlichung grob missachtet.