18.06.2007 , Rheinische Post
Hilden: „Wir wollen die Pipeline nicht“
Rund 2000 Menschen beteiligten sich am Samstag an der größten Demo der Stadtgeschichte. Viele zeigten sich erbost, dass kein Vertreter von Bezirksregierung oder Bayer die rund 16 000 Unterschriften entgegen nahm.
Lauter Jubel bricht vor dem Bürgerhaus aus, als Polizei-Wachleiter Wolfgang Busch um kurz nach zwölf Uhr zum Mikro greift: „Bitte rücken Sie weiter durch. Das Ende des Protestzuges ist noch vor unserer Polizeiwache.“ Organisator Horst Ferber kann es selbst nicht glauben. Rund 2000 Menschen aus Hilden und der Umgebung folgten seinem Aufruf und sind in einer gut 500 Meter langen Menschenschlange zum Bürgerhaus gelaufen, um die Übergabe der 16 000 Unterschriften an Vertreter von Bayer, Landesregierung, Landtag und Bezirksregierung zu erleben. Weil niemand der Eingeladenen gekommen ist, haben die Demonstranten eine Pappfigur aufgestellt, auf der die Köpfe der Angesprochenen kleben.
Viel Applaus für Landrat Hendele
Laute Buhrufe ertönen, als Ferber sein Bedauern über die Absagen verkündet. „Ignoranten“ rufen einige. Laut werden die Demonstranten auch, als Ferber sagt, dass Bürgermeister Günter Scheib in Urlaub weilt und seine Stellvertreter geschickt hat. Dafür haben an diesem Morgen wenige Verständnis. „Der Urlaub war schon seit Monaten geplant. Herr Scheib hat schon mehrfach angerufen und wollte wissen, wie die Demo läuft“, sagt der erste Beigeordnete Horst Thiele.
Viel Applaus bekommt dafür Landrat Thomas Hendele für seine energische Rede. „Wir, die Menschen im Kreis Mettmann, sind nicht industriefeindlich. Aber Bayer geht hier über jedes Maß hinaus.“ Erneut fordert er Respekt von Bayer vor den Gerichten, die aktuell über die Klagen von Privatleuten und Kommunen entscheiden müssten. „Die Städte und der Kreis werden ihre Flächen nicht zur Verfügung stellen. Ich appelliere an alle Grundstückseigentümer, das ebenfalls nicht zu tun. Überall, wo jetzt schon gebaut wird, haben Privatleute Bayer die Erlaubnis dazu erteilt.“ Diese Bürger sollten die Erlaubnis zurückziehen, fordert er.Zuvor hatte Marlis Elsen in ihrer Rede energisch den Vorwurf zurückgewiesen, die Initiative gegen die Pipeline würde Panik auslösen. „Wir lassen uns das Recht nicht nehmen, um das Wertvollste zu kämpfen, was wir haben, unser Leben.“ Kaum ist der offizielle Teil der Ansprachen vorbei, stürmen noch einmal viele Leute vor das Bürgerhaus, um sich in die zahlreichen Unterschriftenlisten einzutragen.
Hunderte Bürger am Lindenplatz
Am Startpunkt der Demo hatten sich um 10.30 Uhr hunderte Bürger versammelt. Die Polizei ist mit zahlreichen Mitarbeitern vor Ort, um den Zug zu begleiten. Viele Protestler haben Schilder gebastelt, einige haben schwarze Rohre mit der Aufschrift „Nein zur Pipeline“ gebastelt. Auf Schildern stehen Aussagen wie „Wir sind COntra“ oder „Keine Enteignung aus Profitgier“. Als der Zug den Lindenplatz erreicht, warten hunderte schon, um sich einzureihen. VON SEBASTIAN BRINKMANN
Gefährliche Taktik von Bayer
Kommentar von SEBASTIAN BRINKMANN
(RP) Bei jeder Gelegenheit versichert Bayer: „Wir nehmen die Sorgen der Bürger Ernst.“ Aber tut der Konzern das wirklich? Warum hat er dann nicht von Anfang an offensiv die Öffentlichkeit über Vor- und Nachteile der Kohlenmonoxid-Pipeline informiert? Warum gibt es auf der Webseite www.pipeline.bayer.de bis heute nur sehr grobe Karten des Streckenverlaufs? Warum kommen Bayer-Vertreter nicht persönlich zu einer Demonstration, um mit den 2000 Menschen zu reden? „Wir stellen uns einer sachlichen Diskussion, das war es am Samstag aber nicht“, sagte ein Bayer-Sprecher dazu gestern auf RP-Anfrage und verwies auf eine neue Tüv-Studie, die die Sicherheit der Pipeline bestätigt. Mehr nicht. Statt offensiv mit den Menschen zu sprechen, denen die schwarzen Rohre Angst machen, wird der Bau der Leitung fortgesetzt. Die Taktik ist gefährlich: Wenn der Protest die weiter zunimmt, verspielt Bayer das Vertrauen der Bürger. Und Bürger sind auch Kunden.