Presseinformation vom 28. April 2000
Impfstoff Bayovac lässt 2.000 Rinder verenden
Bauern-Proteste gegen Bayer
7.000 holländische Landwirte sind in Rage: Durch einen verunreinigten Bayer-Impfstoff starben 2.000 ihrer Rinder. Zudem verursachte das Mittel bei Hunderten von Tieren Euter-Entzündungen, Durchfälle und Fruchtbarkeitsstörungen. Der Chemie-Multi weigert sich, für das Rindersterben die Verantwortung zu übernehmen und Schadensersatz zu zahlen. Deshalb wurden die Bauern aktiv. Sie gründeten die Initiative Krank durch Bayer und versuchen seither, ihr Recht durch immer neue Protest-Aktionen zu erzwingen.
Ich bin 60. Neu anfangen kann ich nicht mehr, sagt der Landwirt H. Haversteeg aus Zevenhuisen. 34 Tiere hat er durch den verunreinigten Bayovac-Impfstoff verloren. Wenn Bayer nicht schnell Schadensersatz leistet, ist die Existenz seines Hofes gefährdet. Deshalb fand er sich Mitte Januar gemeinsam mit 400 weiteren Betroffenen aus ganz Holland zu einer Protest-Aktion vor der Mijdrechter Bayer-Niederlassung ein. Die Bauern verriegelten alle fünf Zugänge und erklärten das gesamte Firmen-Gelände zur Gefahrenzone, da hier der todbringende Impfstoff produziert wurde. Verseuchtes Gebiet – Kein Zugang steht auf ihren Plakaten. Die zur Arbeit eintreffenden Belegschaftsangehörigen musste die Geschäftsleitung kurzfristig in einem nahe gelegenen Veranstaltungszentrum unterbringen. Viele Höfe gehen durch den entstandenen Schaden kaputt., erklärt Aaltje Dijkstra von der Initiative Krank durch Bayer. Und ihr Kollege Jan Adams erklärt: Das Aktionskomitee verlangt lediglich, dass Bayer den Schaden begleicht, der den Bauern durch den Impfstoff von Bayer entstanden ist. Nicht mehr und nicht weniger.
1998 lieferte Bayer/Mijdrecht 3,4 Millionen Impf-Einheiten Bayovac IBR-Marker Vivum aus. In einer der Chargen befand sich der äußerst aggressive Typ II des Durchfall-Erregers Bovine Virus Diarrhea (BVD), in sieben Chargen der weniger gefährliche BVD-Typ I-Bazillus. Insgesamt war ein Drittel der Impfstoff-Menge verseucht. So wurde, was eigentlich der Rindergrippe vorbeugen sollte, selbst zum Auslöser einer – oft tödlichen – Krankheit. Als die Landwirte die ersten Todesfälle meldeten, entzog die zuständige Behörde Bayovac sofort die Zulassung. Bayer zeigte sich zunächst schuldbewusst und zahlte 11 Betrieben eine Entschädigung. Dann aber nahm das Rindersterben immer größere Ausmaße an, und der Leverkusener Chemie-Multi sah Forderungen in Höhe von mehreren Millionen Gulden auf sich zukommen. Darum änderte er seine Strategie. Jan Van Diest, Leiter des holländischen Tiergesundheitsbereichs von Bayer, erklärte plötzlich, dass es keine kausale Verbindung zwischen den toten Tieren und dem Bayer-Impfstoff gäbe. Die entsprechende Entlastungsuntersuchung zauberte er auch gleich aus dem Hut. Trotzdem signalisierte man weiterhin Gesprächsbereitschaft. Aber die Bauern, die keine Zeit zu verlieren haben, gingen auf das Hinhalte-Spiel nicht ein. Ein Treffen mit Van Diest brachen sie nach einer halben Stunde ab, da er keine definitive Zusage über Schadensersatz-Zahlungen machte. Statt hinter verschlossenen Türen zu verhandeln, beschloss die Initiative Krank durch Bayer, mittels Protest-Aktionen den öffentlichen Druck auf das Chemie-Unternehmen zu erhöhen.
Am 2. Februar platzten 150 holländische Landwirte in die Antwerpener Jubelfeiern zu 100 Jahre Bayer in Belgien hinein. Beim Gala-Konzert sorgten sie durch das Verteilen von gar nicht festlichen Flugblättern für gehörige Misstöne. Auf der Vorderseite war die Abbildung einer toten Kuh und darunter das Foto eines leblosen Kälber-Fötus zu sehen. Zwischen den beiden Bildern nur eine einzige kurze Text-Zeile: Tod durch Bayer Anfang März bauten die Bauern entlang der Autobahn Amsterdam-Den Haag große Stelltafeln auf, die verendete Tiere zeigten. Dem Satz Tod durch Bayer folgte noch ein zweiter: Es hätte auch ihr Kind treffen können. Diese düstere Prophezeiung wäre nämlich eingetreten, wenn ein für den Einsatz in der Human-Medizin bestimmter Impfstoff verseucht gewesen wäre.
Der Leverkusener Chemie-Multi reagierte harsch auf die Anschuldigungen. Er zog vor Gericht und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen das Aktionskomitee. Die Bauern mussten die Plakat-Wände demontieren. Überdies wurde ihnen per Gerichtsbeschluss untersagt, zu verbreiten, der Bayer-Impfstoff Bayovac sei für das Rindersterben verantwortlich. Nur den Slogan Krank durch Bayer durften die Bauern weiterhin verwenden. Bei einem Verstoß gegen die Anordnung drohten die Richter mit Strafen in Höhe von bis zu 100.000 Gulden. Doch Bauern-Aktivist Jan Adams ließ sich durch die Lex Bayer nicht einschüchtern: Der Bayer-Konzern will uns mundtot machen, indem er uns Kritik an seinem Treiben verbietet. Aber hier geht es um die Freiheit der Meinungsäußerung.
Die holländische Landwirtschafts- und Gartenbau-Organisation LTO, die 110.000 Mitglieder vertritt, will Bayer ihrerseits vor Gericht zerren, um auf diese Weise Kompensationszahlungen zu erstreiten. Sie wird dabei nicht nur die Ansprüche der Bauern vertreten, denn der Impf-GAU hat der gesamten niederländischen Landwirtschaft schweren Schaden zugefügt. Der Molkerei-Wirtschaft wurde der Rohstoff Milch knapp, die Fleisch-Produktion sank, die Behandlung der kranken Tiere kostete Unsummen, und zudem musste das Impf-Programm zur Rindergrippe-Prophylaxe abgebrochen werden. Und noch ein zweites Verfahren steht an. Die nach dem Rindersterben gegründete Bauern-Organisation SIS (Stiftung IBR/BVD Schaden) prozessiert, um Einblick in die Art und Weise zu erlangen, wie Veterinär-Impfstoffe produziert werden. So hofft sie, den Schlampereien nicht länger hilflos ausgeliefert zu sein.
Nächster Schauplatz des Bauernaufstandes gegen Bayer war die Hauptversammlung des Konzerns am 28. April in Köln. Auf Einladung der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. konfrontierten sie Öffentlichkeit und AktionärInnen mit dem Skandal, der sich hinter den wieder einmal glänzenden Zahlen der Sparte Tiergesundheit verbirgt, und stellten Bayer-Chef Manfred Schneider zur Rede. Es wird nicht die letzte Station im Kampf um ihre Rechte gewesen sein.
AUSZÜGE DER REDE VON JAN ADAMS AUF DER BAYER-HAUPTVERSAMMLUNG AM 28.4.00
Am 11.11. und nochmals am 15.12.98 sind alle Kühe auf meinem Hof gegen IBR, also Rindergrippe, geimpft worden. Zwei Wochen später traten die ersten Probleme auf. Als erstes bekam eine Kuh Lungenentzündung. Das Tier reagierte nicht auf die ärztliche Behandlung und verendete. Kurz danach ging es genauso mit einer zweiten Kuh. Anfang 1999 hatten alle Kühe plötzlich Durchfall. Glücklicherweise hörte das nach ein paar Tagen wieder auf. Doch kurz darauf hatte eine Kuh nach der anderen wieder Gesundheitsprobleme. Die eine hatte Euter-Entzündung, andere hatten Klauen-Probleme, Nasenbluten, Blutungen an den Eutern oder brachten tote Kälber zur Welt. Im Laufe des Jahres konnten wir dann Bilanz ziehen: 22 tote Tiere. (…)
In 60 Jahren haben meine Eltern mit unseren Tieren noch nie ein solches Drama erlebt. (…) Mein Tierarzt hat erklärt, dass er felsenfest davon überzeugt ist, dass die Krankheiten auf meinem Hof verursacht worden sind durch das Vakzin, auf dem Bayer stand. Mitte letzten Jahres habe ich Bayer als Hersteller des IBR-Vakzins angeschrieben mit der Bitte, auf meinen Hof zu kommen. (…) Bayer ist auch gekommen. Aber weiter ist nichts geschehen. Nichts und gar nichts. (…) Tausende Viehhalter haben dann praktisch zur gleichen Zeit mehr oder weniger das gleiche Theater erlebt wie ich (…)
Wir bitten Sie daher hier als Bayer-Aktionäre, Ihren ganzen Einfluss zu verwenden, damit Bayer mit den niederländischen Rinderhaltern den angerichteten Schaden regelt.