Rede Rainer Kau, ver.di
Sehr geehrte Damen und Herren,
250 Millionen Euro der Dividende, die hier und
heute trotz des Lipobay-Desasters zur Verteilung
anstehen, stammen als Rückzahlung von Körper-
schaftssteuern des Landes NRW direkt aus
öffentlichen Kassen.
Sie werden als Folge der Steuerreform der rot-
grünen Bundesregierung aus den Steuergro-
schen der ArbeitnehmerInnen unseres Landes
und den von kleinen und mittleren Unternehmen,
die übrigens im Gegensatz zu Bayer Arbeits-
plätze schaffen und nicht abbauen, direkt in Ihre
Taschen umverteilt.
Dies ist ein sozialpolitischer Skandal erster Güte
und auch der Grund, warum ich als Gewerk-
schaftssekretär von ver.di im Rheinland und als
PDS-Bundestagskandidat hier die Proteste der
Kritischen Aktionäre unterstütze.
Die politische Verantwortung dafür, dass große Unternehmen immer weniger Ertragssteuern zahlen, liegt unmittelbar bei der Bundesregierung, und es ist ihr Recht, die politisch geschaffenen Steuerschlupflöcher weitestgehend auszunutzen. Zwischen dieser unsozialen Steuerpolitik und der Bayer AG gibt es jedoch eine enge Verbindung in der Person des Finanzstaatssekretärs Zitzelsberger, der vor seinem Eintritt in die Politik die Steuerabteilung von Bayer leitete. Vorstandsvorsitzender Schneider hat selbst Herrn Zitzelsberger als Bayers Beitrag zur Steuerpolitik bezeichnet, und es mag sein, dass sie meine erste Frage an den Vorstandsvorsitzenden als rhetorisch abtun werden.
Herr Schneider, ich möchte sie fragen, ob sie diesen Beitrag zur Steuerpolitik ernsthaft für vereinbar mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialpflichtigkeit des Eigentums halten.
150 Millionen Ertragssteuern bei einem Gewinn von über einer Milliarde Euro hat Bayer im vergangenen Jahr noch gezahlt, fast eine Milliarde Mark weniger als im Vorjahr. Und von einer
effektiven Steuerbelastung von 15 Prozent können die
Beschäftigten, die ich tagtäglich vertretenur träumen, denn
das Lohnsteueraufkommen ist stetig gestiegen, während
die Konzerne von rot-grün restlos aus der sozialen Verant-
wortung entlassen wurden.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Steuer-
entlastungen in den Unternehmen für die Schaffung neuer
Arbeitsplätze verwandt werden. Auch im Namen der
Bundestagsabgeordneten Ulla Lötzer, die sehr bedauert,
ihnen wegen der Sitzungswoche des Bundestages diese
Frage nicht selbst stellen zu können, möchte ich sie fragen, Herr Schneider, ob sie dieses wirtschaftspolitische Kalkül
der Bundesregierung für zutreffend halten, und woran es
aus ihrer Sicht liegt, dass es nicht aufgeht, wie der Anstieg
der Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr zeigt. Weiter
möchte ich konkret wissen, wie viele neue Arbeitsplätze die Bayer AG mit den im Geschäftsjahr 2001 gesparten Steuern geschaffen hat,
beziehungsweise wie viele Arbeitsplätze im Konzern abgebaut wurden.
Weitere 45 Millionen Euro ihrer Dividende stammen ganz konkret aus Gewerbesteuerminderein-
nahmen im Haushalt der Stadt Leverkusen. 45 Millionen Euro, nicht einmal 5 % des Konzerngewinns, sind aus Sicht der Bayer AG vielleicht eher Peanuts, für die verschuldete Kommune ganz bestimmt nicht. Die Leverkusener Stadtkasse ist so leer, dass die Stadt, deren Infrastruktur und Dienstleistungs-
angebot nicht zuletzt auch der Bayer AG zu Gute kommt, nicht einmal mehr die für die Teilnahme an Landesprogrammen zur Verbesserung der bekannt desolaten Situation an den Schulen erforderlichen Eigenbeträge aufbringen kann.
Langfristig werden diese heute gesparten 45 Millionen jedoch auch die Bayer AG teuer zu stehen kommen, denn auch Bayer braucht gut qualifizierte Beschäftigte aus der Region. Solche Steuer-
vermeidungspolitik kommt kurzfristig ihren Bankkonten zu Gute, mittelfristig sägen sie, meine Damen und Herren, damit aber an dem Ast auf dem nicht nur sie selber sitzen. Denn ohne eine Kommune, die in Ausbildung und leistungsfähige Infrastruktur investieren kann, hat auch ihr Unternehmen keine Zukunft. Deshalb möchte ich sie abschliessend fragen, auf welche Weise sie künftig zum Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur und des Bildungsangebotes beitragen wollen.