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[Rechtsgutachten] Presse-Information CBG vom 04.03.21

CBG Redaktion

Versammlungsbehörde hätte nicht „blind“ vertrauen dürfen

Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) reicht Gutachten zur Verfassungsbeschwerde nach

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Im Rahmen des bereits mehr als drei Jahre laufenden Prozesses um die Versammlungsrecht-Einschränkung der Proteste im Rahmen der BAYER-Hauptversammlung 2017 hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) am heutigen Tag dem Bundesverfassungsgericht ein Rechtsgutachten zugehen lassen, das von Professor Dr. Remo Klinger in ihrem Auftrag erstellt wurde. Es geht um die Klärung der Rechtsfrage, ob die Versammlungsbehörde sich beim Ausgleich der Interessen zweier Privatrechtssubjekte ausschließlich auf ein von einem Privaten dargelegtes Sicherheitskonzept verlassen kann oder sie vielmehr im Rahmen ihrer Pflicht zur Amtsermittlung für die Gefahrenprognose eigenständige Ermittlungen vornehmen muss. Das Gutachten überreicht die CBG im Rahmen ihrer Verfassungsbeschwerde, welche sie im vergangenen November beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht hatte.

Bereits unmittelbar nach der BAYER-Hauptversammlung von 2017 hatte die CBG Klage wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht eingereicht, da der Konzern durch die Errichtung eines Zeltes mit Kontroll-Schleusen vor dem Versammlungsort, dem World Conference Center Bonn (WCCB), den Protest vom Ort des Geschehens verbannt hatte. Diese Maßnahme wurde von BAYER mit drohender Terrorismus-Gefahr begründet und von der Sicherheitsbehörde ohne weitere eigene Prüfung übernommen. Nachdem die Klage der CBG in den bisherigen Instanzen abgewiesen wurde, soll nun vor dem BVerfG geklärt werden, ob die Behörden durch die unkritische Übernahme von Sicherheitskonzept und Gefahrenprognose BAYERs ihre Pflichten verletzt und einen Verfahrensfehler begangen haben.

Hierzu stellt das von Professor Dr. Remo Klinger vorgelegte Gutachten fest, dass Entscheidungen über die Art der Ermittlungen, d. h. auch die Beantwortung der Frage, welche Informationsquellen herangezogen werden, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde liegen. Zwar kann die Behörde zur Ermittlung von Sachverhalten auf die Prozess-Beteiligten und sonstige Private zurückgreifen. Dies entbindet die Behörde jedoch nicht jedoch nicht von der Letztverantwortlichkeit der Sachverhaltsermittlung. Die Behörde kommt ihren Pflichten nur dann ausreichend nach, wenn sie die durch andere Quellen gewonnenen Erkenntnisse überprüft, andernfalls stellt deren Nutzung einen Aufklärungsfehler dar.

Die Behörde hat vor allem im Grundrechtsschutz die Pflicht zu einer nachvollziehenden Amtsermittlung. Selbst bei der Nutzung der Informationen von Verfahrensbeteiligten muss sie die Angaben inhaltlich auf ihre Plausibilität überprüfen und mit dem bisherigen Ermittlungsstand und Erfahrungen aus ähnlichen Verfahren abgleichen. Dies ist insbesondere deshalb relevant, da es vor und nach der BAYER-Hauptversammlung eine Reihe von Veranstaltungen ähnlicher Größe im WCCB gab, die ohne Sicherheitszelt auskamen. Zu diesen Veranstaltungen zählen unter anderem die Hauptversammlungen der Deutschen Post AG, welche im Mai 2019 stattfand, sowie die der Lufthansa AG, ebenfalls im Mai 2019. Die Sicherheitsschleusen waren bei der HV der Lufthansa in dem extra dafür vorgesehenen Raum im WCCB aufgebaut. Die Behörde hätte daher prüfen müssen, ob Möglichkeiten für effiziente Sicherheitskontrollen im Innern des Gebäudes in baulicher, technischer und räumlicher Hinsicht vorhanden waren, die es gestattet hätten, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht zu beeinträchtigen. Und auch bei den BAYER-Hauptversammlungen der kommenden Jahre überprüften die Behörden das Sicherheitskonzept nicht neu, sondern übernahmen den alten Sachstand einfach unbesehen.

Das Gutachten legt dar, dass eine Beweiswürdigung eine abgeschlossene, vollständige Sachverhaltsermittlung voraussetzt. Die Beweiswürdigung darf die Behörde nicht an Private delegieren. Es ist erforderlich, dass sie sich ein eigenes Urteil darüber bildet, ob nach den ermittelten Umständen ein Sachverhalt als erwiesen gilt.

Wenn die Behörde gegen die klar definierten Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung verstößt, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der von der Behörde ergangene Bescheid wird damit rechtswidrig. Im Gutachten wird daher das Fazit gezogen: Eine ungeprüfte Übernahme des lediglich mündlich mitgeteilten Sicherheitskonzeptes der BAYER AG reicht nicht aus, um das Versammlungsrecht zu beschneiden. Die Behörde hätte die Hinweise der BAYER AG zwar heranziehen und verwerten dürfen. Eine nachvollziehende Beurteilung des Sicherheitskonzeptes wäre jedoch notwendig gewesen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hätte die Behörde das Sicherheitskonzept inhaltlich auf seine Plausibilität überprüfen müssen, es hätte auf dieses nicht „blind vertrauen“ dürfen.

Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren, kommentiert die Zustellung des Gutachtens mit den Worten: „Wenn Versammlungsbehörden die Prüfung von Gefahrenszenarien komplett Konzernen überlassen, die sich ihrer KritikerInnen entledigen wollen, ohne eigene Kontrollen durchzuführen, wird der Prozess der Gefahrenprüfung faktisch privatisiert. Dies öffnet einem Missbrauch Tür und Tor. Zweifellos verfolgen viele große Player, die Probleme mit öffentlichem Protest gegen ihre Konzernpolitik haben, die von uns betriebene juristische Klärung dieser zentral bedeutsamen versammlungsrechtlichen Fragen mit größter Aufmerksamkeit. Entsprechend führen wir die Prozesse stellvertretend für alle, die ein Interesse daran haben, die politische und juristische Macht großer Unternehmen in die Schranken zu weisen. Welche Rolle die Versammlungsbehörden spielen müssten, um den Einfluss der Multis zurückzudrängen, wird in dem von uns vorgelegten Rechtsgutachten dargelegt.“

Hier finden Sie unser Rechtsgutachten.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

Rechtliche Nachfragen zum Gutachten:
Professor Dr. Remo Klinger (Kanzlei Geulen & Klinger) 030/ 8847280