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WDR

Das TV-Magazin Markt (WDR) greift die Kritik der Coordination gegen BAYER-Gefahren an der CO-Pipeline zwischen Dormagen und Leverkusen auf

Gefahr für NRW

Rohrleitungen: Mangelhafter Zustand

Uralte, verrostete Pipelines, durch die Kohlenmonoxid und andere lebensgefährliche Stoffe fließen – kaum zu glauben, aber das ist Realität in NRW. Die Betreiber, große Chemiefirmen wie Bayer, weigern sich häufig, Abhilfe zu schaffen. Und die Behörden beschwichtigen: Alles sei sicher. Wirklich?

Unfallserie bei Shell
Alles sei sicher: Das behauptete auch Shell. Vielen schien das glaubhaft – bis vor 2 Jahren, als ein Rohr, fast 80 Jahre alt, undicht wurde. Eine Million Liter Flugbenzin traten aus, schwammen als eine Art Giftblase auf dem Grundwasser. Eine der Ursachen: unzureichende Kontrollen und Warnsysteme. Nach einer Kette von weiteren Unfällen im gleichen Jahr nannte NRW-Umweltminister Johannes Remmel damals einen weiteren Grund: „Anlagen, die teilweise 40, 50 Jahre und älter sind, sind in einem technischen Zustand, die dem heutigen Stand der Technik nicht entsprechen, gleichwohl rechtlich zumindest unter den Bestandsschutz fallen.“

Bestandsschutz blockiert Modernisierung der Technik
Bestandsschutz gilt auch beispielsweise für Rohrleitungen, die von Bayer 1967 in Betrieb genommen wurden, also 45 Jahre alt sind. Bis 2002 transportierte sie Ungiftiges wie Kohlendioxid. Dann genehmigten die Behörden, auch giftiges Kohlenmonoxid durchzuleiten. Solch ein Bestandsschutz gilt für viele alte Fernrohrleitungen. So kann niemand die Firmen zwingen, moderne Technik einzubauen – auch dann nicht, wenn sie durch bewohntes Gebiet führen.
Immer wieder kommt es zu Lecks in alten Rohren, so auch in Marl im März 2005: Aus einer Verbindungsleitung treten 35 Tonnen hochbrennbares Ethylen aus, gut 65 Jahre ist sie schon alt. Die Anwohner schrammen knapp an einer Katastrophe vorbei.

Gefahr durch Kohlenmonoxidleitung von Bayer?
Was wäre, wenn Ähnliches bei Bayer passieren würde? Im allerschlimmsten Fall, so errechnet der TÜV für eine vergleichbare Leitung, könnte sich das Gas bis zu 600 Meter in Windrichtung verteilen. Das wäre tödlich für Hunderte Anwohner. Aber laut Bayer droht keine Gefahr. Was Gottfried Schweitzer bezweifelt: Seit 30 Jahren engagiert sich der ehemalige Sozialarbeiter in der „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ und sorgt sich wegen der Fernrohrleitung, zum Teil unter dem Rhein verlegt, durch die Bayer hoch giftiges Kohlenmonoxid von Dormagen nach Leverkusen leitet. „Wenn ein größeres Leck entsteht, etwa durch einen Sprung oder durch eine durchrostende Stelle, dann können innerhalb von 15 Minuten 1000 Kubikmeter austreten – und ein Zehntel Liter reicht schon aus, um einem Menschen den Tod zu bringen.“
Der Konzern weiß, wie gefährlich Kohlenmonoxid ist. Trotzdem sieht er keinen Grund zur Sorge. Schriftlich erklärt Bayer: „Die Leitung wird sicher betrieben, ständig überwacht und regelmäßig kontrolliert.“ Anwohner Gottfried Schweitzer sieht das anders. Bei der Bezirksregierung Köln schaut er in die Genehmigungs- und Prüfdokumente und entdeckt: „Bayer und die Bezirksregierung wussten ganz genau, wie sehr das Rohr rostet, wie sehr der Korrosionsschutz versagt, wie wackelig der Düker, die Rheinunterquerung hier ist. Und trotzdem haben sie nichts weiter unternommen.“

Bayer verzichtet auf Rostschutz
Versagender Korrosionsschutz ist also der Grund dafür, dass Gift durch verrostete Rohre fließt. Dabei ist dieser Rostschutz wichtig, so Bayer, denn er „ist ein nach den Regeln der Technik bewährtes und wirksames Mittel zur Verhinderung bzw. deutlichen Reduktion von Korrosion“. Doch der Rostschutz funktionierte so schlecht, dass der Konzern nach eigenen Angaben gegenüber markt seit Anfang 2013 trotzdem ganz darauf verzichtet.
Hat Bayer die Aufsichtsbehörde darüber informiert? Ja, erklärt die Bezirksregierung gegenüber markt, vom mangelhaften Rostschutz wisse sie schon seit 1973 – und hat trotzdem genehmigt, dass ab 2002 das hoch gefährliche Kohlenmonoxid durch alte Leitungen gepumpt wird. Begründung: Bestandsschutz. Ingenieur Bernhard Wening, seit 22 Jahren Sachverständiger für den Betrieb und die Sicherheit von Gasleitungen, rät jedoch zur Vorsicht: „Es ist zu Recht die Forderung zu stellen, dass hier noch mal sehr, sehr sorgfältig geprüft wird, ob dieses Risiko zuträglich ist, wirklich alle technischen und vor allem betrieblichen Maßnahmen ergriffen worden sind, die notwendig sind, um diesem Risiko gerecht zu werden.“

Aufhebung des Bestandsschutzes?
Der Umweltminister will solche Risiken künftig verhindern und den Bestandsschutz endlich abschaffen. Doch bei der Bundesregierung blieb dieser Vorschlag laut Johannes Remmel bisher liegen: „Eine Nachrüstpflicht, dass Rohrfernleitungen, die im Boden sind, auch neueren Anforderungen angepasst werden, das ist nach wie vor unsere Forderung, auch an die Bundesregierung, dass das umgesetzt wird.“
Darauf will Gottfried Schweitzer nicht warten. Solange die alte Leitung in Betrieb ist, sieht er sich und andere Anwohner in Gefahr. Die Bezirksregierung hat uns während unserer Recherchen mitgeteilt, dass sie eine Sonderprüfung der Leitungen angesetzt hat. Schon in den nächsten Wochen soll es soweit sein. markt bleibt dran.
Autoren: H – C Schultze / Gregor Witt

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