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Turbofressen

taz, 15. April 2006

Keine Eier zu Ostern

Alka Seltzer wünscht guten Hunger: Bayer unterstützte Wettessen in den USA. Nach Protest ist nun Schluss

Sonya Thomas aus Virginia ist ein Star. 65 hart gekochte Eier verdrückt sie in 6 Minuten und 40 Sekunden, für fünfeinhalb Kilo Käsekuchen braucht sie schlappe neun Minuten. Das ist Weltrekord.

In den USA ist Wettessen Sport. Es gibt sogar einen Weltverband, die International Federation of Competitive Eating (IFOCE). Bis vor Kurzem konnte der Verband auf prominente Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen zählen: Der Leverkusener Bayer-Konzern öffnete für die Turniere der IFOCE seine Werbekasse. Bei den letztjährigen US Open diente das Schmerzmittel Alka Seltzer als Titelsponsor. „Alka-Seltzer ist ein ständiger Begleiter für die Wettesser, wenn sie im Weltzirkus unterwegs sind. Für die Athleten wird ein Traum wahr, wenn sie an einem Alka-Seltzer gesponserten Event teilnehmen können“, dichtete dafür der Weltverband auf seiner Homepage.

Weniger gut als in den USA kam das Sponsoring in Deutschland an. Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (CBG), die dem Konzern seit Jahren einen ungleichen Kampf liefert, machte die Aktion publik. „Bayer hat in seiner Firmengeschichte sicher größere Sünden begangen, aber das Sponsoring von Wettessen ist einfach bescheuert“, sagt Aktivist Philipp Mimke. Gerade für einen Gesundheitskonzern sei es seltsam, wenn er ungesunde Völlereien unterstütze – die CBG nennt als mögliche Nebenwirkungen unter anderem Sodbrennen, Übelkeit, Durchfall und Blähungen.

Dass die Werbung in den USA wohl eher kontraproduktiv ist, dämmert nun offenbar auch den Bayer-Strategen. „Eine einmalige Aktion“ seien die Alka-Seltzer Open gewesen, sagte Unternehmenssprecher Michael Diehl gestern auf taz-Anfrage. „Wir stellen die Zusammenarbeit ein.“ Die Bedenken gegen die Fress-Events kann er verstehen: „Auf Deutsche wirken Wettessen sicherlich komisch. So etwas kann man wohl nur verstehen, wenn man Amerikaner ist.“

Wohl auch nur Amerikanern erschließt sich die Art und Weise, in der Bayer erst vor wenigen Wochen das 75-jährige Jubiläum von Alka-Seltzer beging. Im Hilton Hotel von Las Vegas wurde das größte Buffet aller Zeiten aufgetischt, hunderte Gäste sollten sich für einen Eintrag im Guiness Buch der Rekorde den Bauch vollschlagen. Die Erlöse des großen Fressens gingen nach Konzernangaben übrigens an eine amerikanische Hungerhilfsorganisation. KLAUS JANSEN

Hinweis der Coordination gegen BAYER-Gefahren:
Eine Woche nach dieser Ankündigung wurde auf der homepage der IFOCE Alka Seltzer als Sponsor gestrichen