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[SZ] Explosion Institute

Auszug des in der Süddeutschen Zeitung am 28. August 2009 auf Seite 3 erschienenen Artikels zu den Risiken der BAYER-Fabrik in Institute/US. Vollständigen Text anfordern unter: info@cbgnetwork.org
Alle Infos zur Kampagne: http://www.cbgnetwork.de/3052.html

Eine verheerende Reaktion

Vor genau einem Jahr explodierte ein Kessel in einem Bayer-Werk in West-Virginia, zwei Menschen starben, und viele glauben, nur knapp einer Gift-Katastrophe wie im indischen Bhopal entgangen zu sein. Das Verhalten des Konzerns hat nicht nur das Vertrauen von Bewohnern zerstört, sondern auch Wirbel in Washington ausgelöst

Institute – Die Faulkner Street ist eine Sackgasse, und am Ende, kurz bevor die Böschung abfällt in die trüben Fluten des Kanawha River, wohnt Tom Fisher mit seiner Frau Kathy. Fisher liebt seinen Garten hinterm Haus – die Ruhe, den Rasen, die Hollywoodschaukel. Es ist ein Idyll, jedenfalls solange die Blätter den Blick aufs andere Ufer verhängen. „Nur im Winter musst du die Wirklichkeit ertragen“, sagt er und grinst. Der beleibte Mann wuchtet einen Ast zur Seite, da erscheint eine andere Welt: dicker Beton, ein Abwasserkanal und ein silbergraues Rohrgewirr. „Das ist sie, unsere Chemiefabrik“, sagt Fisher und grinst, „die Atombombe, mit der wir leben.“

Fisher übertreibt gern ein wenig. Der 61-jährige Schuldirektor weiß, dass sein Nachbar, der deutsche Bayer-Konzern, nichts Nukleares ausheckt. Fisher kann sogar einige der Chemikalien aufzählen, die Bayer Crop Science hier anrührt zur Produktion seiner Pestizide. Allen voran drei Buchstaben nennt Fisher: „MIC, das lagern die da tonnenweise“, sagt er. MIC steht für Methylisocyanat, eine ätzende, farblose, schon in kleinen Mengen tödliche Flüssigkeit, die 1984 weltberüchtigt wurde. Tausende Menschen starben im indischen Bhopal, nachdem der Stoff aus einem Tank des US-Konzerns Union Carbide ausgetreten war. Es ist bis heute die schlimmste Industrie-Katastrophe. Fisher schaut ratlos über den Fluss, ehe er kleinlaut hinzufügt: „Wir alle wissen, dass das da drüben das Schwesterwerk von Bhopal ist.“ Einst gehörte es Union Carbide, seit 2002 dem deutschen Pharma-und Chemieriesen Bayer.

Um Menschen wie Tom und Kathy Fisher zu erschüttern, muss schon etwas passieren, und es geschieht vor einem Jahr, am 28. August 2008 abends kurz vor halb elf. Tom schläft schon, Nancy kriecht gerade ins Bett, als draußen ein Feuerball aufsteigt. Eine Druckwelle schleudert sie auf den Boden. Steine brechen aus der Fassade, Bilder fallen von der Wand.

(……)

Viele kleine Gegner der großen Risiken in Institute wurden von Staat und Firmen jahrelang ignoriert. In den Holzhäusern dicht am Werk wohnen nur die ganz kleinen Leute, das lokale Proletariat, noch dazu mit nicht-weißer Hautfarbe. Auch das nahe College, dem Institute seinen Namen verdankt, war ursprünglich eine Lehranstalt nur für Schwarze: „Um die hat sich nie jemand geschert“, beklagt Maya Nye, die Sprecherin der lokalen Bürgerinitiative.„Und in den Werken sind sie immer davon ausgegangen, dass die Anwohner sich nicht wehren.“

Bei der Hauptversammlung der Bayer-Aktionäre am 25. April 2008 in Köln meldete sich immerhin die kleine deutsche Bürgerinitiative „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ zu Wort, die den Konzern seit 30 Jahren bei jeder Gelegenheit angreift: Die Kritiker machten Vorstandschef Werner Wenning für die riskante Lagerung von MIC in Institute verantwortlich. Wenning entgegnete, die Anlagen in den USA entsprächen modernsten Sicherheitsstandards.

Die Explosion vier Monate später aber hat nun auch die Weißen und Honoratioren im Chemie-Tal provoziert. Offenbar
sind seitdem auch die Aufsichtsbehörden aufgewacht, und nun muss der Konzern an vielen Fronten kämpfen. Die vernichtende Kritik des Chemical Safety Board an den Sicherheitsstandards nennt Bayer „nicht nachvollziehbar“. Den Bußgeldbescheid über 143 000 Dollar wegen Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften hat der Konzern angefochten.

Gefährlicher für Bayer ist die Grundsatzdebatte: Vorstandschef Wenning beklagt bei der Hauptversammlung 2009, der tragische Unfall werde zum Anlass genommen, um die Aufmerksamkeit auf MIC zu lenken, dabei findet er jeden Vergleich zwischen „unserer modernen Anlage mit der von Bhopal vor 30 Jahren völlig abwegig“.

(….)

Am Mittwoch hat Bayer angekündigt, das Werk für 25 Millionen Dollar umzubauen. Die gelagerte MIC-Menge soll um 80 Prozent sinken, der oberirdische Tank wird verschwinden.

Von Nicolas Richter und Christian Wernicke