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Philippinen

Neues Deutschland, 22. Januar 04

Verletzte Bayer Gewerkschaftsrechte?

Arbeitnehmervertreter wenden sich an OECD / Beschwerde richtet sich gegen Tarifvertrags-Bruch

Eine philippinische Gewerkschaft wirft dem Bayer-Konzern vor, Arbeitnehmerrechte zu verletzten. Nun haben sich die Arbeitnehmervertreter an die OECD-Kontaktstelle in Deutschland gewandt, um auf ihren Fall aufmerksam zu machen.

Bei den Betriebswahlen im Sommer 2003 erhielt die Employees Union of Bayer Philippines (EUBF) über 70 Prozent der Stimmen und auch das Arbeitsministerium in Manila betrachtet die EUBF als legitime Vertreterin der Arbeitnehmer. Das erkennt auch die philippinische Bayertochter, Bayer Philippines, an, so Roland Ellmann, Pressesprecher der Bayer AG in Leverkusen.

Doch das war nicht immer so, erklärt Juanito Facundo. Der 55-jährige Gewerkschaftspräsident der EUBF wirft dem Unternehmens-
management vor, die Reformed Employees Union of Bayer Philippines (REUBP), die mit der EUBF konkurriert, einseitig anerkannt zu haben. Die Unternehmensleitung habe über Tarifverträge mit der Gewerkschaft verhandelt, obwohl die Gewerkschaft zum damaligen Zeitpunkt nicht beim philippinischen Arbeitsministerium registriert gewesen sei, so Facundo. Der verweist auf mehrere Gerichtsurteile, auf die auch in der Beschwerde wegen Verletzung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verwiesen wird. Demnach war die REUBP weder ordnungsgemäß registriert beim Arbeitsministerium noch ausreichend legitimiert. Sie verfügte, so Facundo, gerade über 26,8 Prozent der Stimmen der Arbeitnehmer. Trotzdem habe das Unternehmen die REUBP anerkannt und mit ihr Tarifverhandlungen geführt, obwohl der von 1997 bis 2001 laufende Tarifvertrag mit der EUBP vereinbart wurde. Für Facundo ein klarer Bruch des geltenden Vertrages und der Arbeitsgesetzgebung.

Das sieht Bayer-Pressesprecher Roland Ellmann ganz anders. Für ihn ist der Fall ein Streit zwischen zwei Gewerkschaften auf Kosten des Unternehmens. „Wir halten uns an die philippinischen Regeln und werden nicht in den Streit eingreifen“, so Ellmann. Auch im Streit um die Auszahlung der Gewerkschaftsbeiträge sei seine Position klar: Bayer habe die Beiträge an die damals offiziell gewählte und anerkannte REUBP gezahlt. Diese Darstellung widerspricht allerdings den in der OECD-Beschwerde aufgeführten Urteilen der philippinischen Gerichte. So hat das Arbeitsgericht am 28. April 2003 eine Vollstreckungs-
verfügung erlassen, wonach Bayer Philippines die von August 1998 bis März 2003 ausstehenden Beiträge zu zahlen habe. Dagegen hat das Unternehmen Widerspruch eingelegt, so geht es aus der OECD- Beschwerde hervor.

Zahlreiche weitere Verstöße gegen den Tarifvertrag sind in der Beschwerde erwähnt. So habe das Unternehmen die Übereinkommen zur Rentenzahlung und medizinischen Versorgung der Arbeitnehmer nicht wie vereinbart umgesetzt, Gespräche mit der EUBP verweigert und sich in Angelegenheiten der Arbeitnehmer eingemischt. So wurde am 3. August 1998 ein Seminar über kommunistische Einflüsse in der Gewerkschaftsbewegung gesponsert, das, so die Gewerkschaft, das Ziel gehabt habe, ihre Mitglieder zu entmutigen. „Der Gewerkschafts-
beitritt bringt den Mitgliedern nichts Gutes, da Lohnanhebungen und sonstige Vergünstigungen vom Unternehmen und nicht von der Arbeitnehmervertretung kommen“, wird die Unternehmensleitung in der Beschwerde zitiert.

Auch seine Entlassung am 4. Mai 2000 könnte mit der Auseinandersetzung zwischen Unternehmensleitung und Gewerkschaft zu tun haben, so Juanito Facundo. Nach fast 30 Jahren im Dienst der Firma wurde der Elektroingenieur auf Grund einer betrieblichem Umstrukturierung entlassen, so die offizielle Version. Laut Facundo erhielt er seine Papiere von einem Tag auf den anderen und wurde gemeinsam mit der EUBP-Schatzmeisterin Virginia Capada vom Fabrikgelände eskortiert, so berichtete der Philippine Daily Inquirer damals. Diese Darstellung bestreitet Firmensprecher Ellmann ebenfalls.

Wer von den beiden nun Recht hat, damit muss sich die OECD- Kontaktstelle im Bundesministerium nun beschäftigen. Facundo hofft über die OECD-Beschwerde in Deutschland den Arbeitskonflikt zwischen der Bayer-Tochter und seiner Gewerkschaft endlich beilegen zu können. Eine optimistische Position, denn die OECD-Kontaktstelle kann nur vermitteln. „Echte Sanktionsmittel stehen ihr genauso wenig zur Verfügung wie Personal für eigene Untersuchungen vor Ort“, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren. Die Bayer- kritische Organisation hat gemeinsam mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund die OECD-Beschwerde gegen den Chemiemulti unterstützt. Ziel ist es, auf den Fall aufmerksam zu machen und eine Lösung im Sinne der Gewerkschaft zu ermöglichen.

Von Knut Henkel