28. April 2011, Leverkusener Anzeiger
Gegenwind für Marijn Dekkers
Bayer-Kritiker gehen vor der Hauptversammlung der Bayer AG am Freitag in Stellung. Sie haben Argumente gesammelt, warum Vorstand und Aufsichtsrat von den Aktionären nicht entlastet werden sollten.
Leverkusen – Es wird Protestaktionen geben und Gegenanträge: Die Hauptversammlung der Bayer AG am Freitag in der Kölner Messe kommt nicht ohne die gewohnte Begleitmusik aus. Für Marijn Dekkers aber ist das eine Premiere. Im vorigen April stand noch Werner Wenning im Fokus, auch wenn Dekkers schon den Vorstand ergänzte und sich im Riesenreich unter dem Bayerkreuz umsah.
Die Kritiker des Konzerns haben Argumente gesammelt, warum Vorstand und Aufsichtsrat von den Aktionären nicht entlastet werden sollten. Der Berliner Rechtsanwalt Jörg Heynemann verlangt im eigenen und im Namen zweier Aktionäre von Bayer Angaben über Nebenwirkungen des Schwangerschaftstests Duogynon, ein Produkt aus der Schering-Palette. Das verweigere das Unternehmen mit Hinweis auf Verjährung; Anwalt Heynemann findet das „widersprüchlich“, weil Bayer bereits öffentlich erklärt habe, dass der Schwangerschaftstest entgegen vereinzelter Erkenntnisse aus den 1960er Jahren nicht fruchtschädigend wirke. Der Anwalt fragt: „Was hat Bayer zu verheimlichen?“
Nicht alle Alternativen ausgeschöpft?
Der schwäbische Tierschützer Harald Ullmann klagt den Konzern an, seine eigenen Grundsätze bei Tierversuchen in einem Fall nicht eingehalten zu haben. Von November 2009 bis Februar 2010 habe Bayer in den USA eine Hundestudie machen lassen. Das beauftragte Labor habe sich aber nicht an die Vorgaben gehalten; die Tiere seien gequält worden. Dies sei durch eine verdeckte Recherche nachgewiesen, das Labor inzwischen geschlossen. Dem Aufsichtsrat wirft Ullmann vor, nicht alle Alternativen zu Tierversuchen auszuschöpfen.
Die „Cooperation gegen Bayer-Gefahren“ hat wieder einen ganzen Packen Gegenanträge gestellt. Der Vorstand sei „für massive ökologische und soziale Probleme verantwortlich“. Da geht es etwa um Bayers Rolle in Sachen Atomkraft: Nach Wahrnehmung der organisierten Gegner gehörte das Unternehmen „zu den treibenden Kräften in Deutschland bei der Einführung der Kernenergie. Schon Ende der 50er Jahre, als das Atomprogramm konzipiert wurde, war Bayer im Präsidium des Deutschen Atomforums vertreten. Dieser Tradition blieb Werner Wenning treu, als er im vergangenen August den Aufruf an die Bundesregierung für längere Laufzeiten unterzeichnete“, lautet die Kritik.
Kritikpunkt Gen-Reis
Weiter geht es mit dem Vorwurf, Bayer dränge die Gewerkschaften aus seinen US-amerikanischen Werken. Nur ein Siebtel der Belegschaft besitze „überhaupt einen Tarifvertrag“. Das weltweite Sparpaket von Marijn Dekkers, so die „Coordination“, belaste die verbleibenden Mitarbeiter über Gebühr; „selbst sicherheitsrelevante Bereiche werden von den ständigen Stellenstreichungen nicht ausgespart“, behauptet sie.
Weitere Kritikpunkte: das Festhalten am Gen-Reis, obwohl man amerikanische Landwirte mit 386 Millionen Dollar entschädigen musste, weil deren Saatgut durch genetisch verändertes Bayer-Material verunreinigt worden war. Außerdem irreführende Werbung für Vitaminpräparate und die Mitschuld am Bluterskandal der später 1980er Jahre: Noch Anfang des Jahres hätten Bayer und drei weitere Firmen millionenschwere Entschädigungen gezahlt.
„Bayer rechnet sich gezielt arm“
Axel Köhler-Schnura aus dem Vorstand der „Coordination“ und seine Ehefrau Christiane gehen die Bayer-Führung zusätzlich an. Köhler-Schnura klagt: „Die Bayer AG rechnet sich vor dem Fiskus gezielt arm.“ Trotz steigender Umsätze und Gewinne seien die Abgaben „auf Talfahrt: Lagen die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch bei umgerechnet rund einer Milliarde Euro jährlich, so fielen sie 2009 auf 511 Millionen Euro und für 2011 nun auf 411 Millionen Euro.“ In der Bilanz für 2010 mache Bayer „Sonderabschreibungen von 1,7 Milliarden Euro geltend, um seinen Gewinn runter zu rechnen. Neben der Abschreibung auf Grund der Tilgung des Markennamens Schering müssen übrigens auch Prozesskosten für die Abwehr von Entschädigungen von Medikamenten-Opfern für Steuersenkungen herhalten.“ Köhler-Schnura empfindet das als „Steuertrick“.
Christiane Schnura empört sich über die „rücksichtslose Vermarktung“ der Antibaby-Pillen aus der Yaz-Familie, die wegen Nebenwirkungen im Fokus stehen. Auch auf dem Zettel der Bayer-Gegner: zwei Pestizide aus dem Konzern, die wohl gefährlich für Bienen sind. Zum Beweis zitiert Schnura einen Bericht der Umweltbehörde der Vereinten Nationen. Von Thomas Käding,