Leverkusener Anzeiger, 28. Mai 2015
Hauptversammlung des Leverkusener Chemiekonzerns
Der Steuerzahler Bayer unter der Lupe
Das Leverkusener Haushaltsloch war Thema auf der Hauptversammlung des Chemiekonzerns Bayer. Kritische Fragen gab es zur Gewerbesteuer: Marijn Dekkers’ Antwort fiel nicht so detailliert aus wie gewünscht. Von Thomas Käding
Pille, Pipeline, Plastik – und Bienen: Die Proteste gegen Bayer drehten sich am Mittwochmorgen weitgehend um bekannte Themen. Mit Ausnahme der Anklage wegen der Kunststoff-Produktion: Im Meer zu Mikroplastik zermahlen, gelange der Stoff in die Nahrungskette, klagen Umweltschützer. Zur Illustration hatten sie auf dem Rasen vor den Nordhallen der Kölner Messe ein Sammelsurium aus Plastikmüll ausgelegt. In der Mitte prangte ein Bayerkreuz. Mit ihren Anliegen fanden alle Protestler indes nur wenig Resonanz bei den Besuchern der Hauptversammlung. Auch das hat Tradition.
Zum Auftakt des Aktionärstreffens widmete sich Werner Wenning einem alten Weggefährten: Der heutige Vorsitzende des Aufsichtsrats verabschiedete seinen bisherigen Stellvertreter Thomas de Win. Der war als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats vor einem Vierteljahr zurückgetreten, aus gesundheitlichen Gründen. Damit verbunden ist natürlich auch der Rückzug aus dem Aufsichtsrat. Wenning würdigte de Win als Mann, der „immer sehr wirksam die Interessen der Belegschaft vertreten“ habe. Als Bayers oberster Arbeitnehmervertreter habe er „dem Unternehmen einiges abgerungen“.
De Wins Aufgabe im Aufsichtsrat übernimmt Oliver Zühlke, der ihm schon als Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats nachgefolgt ist. Für die Arbeitnehmerseite bekommt außerdem Heinz-Georg Webers einen Sitz in Bayers Kontrollgremium. Der Vorsitzende des Betriebsrats in Bergkamen hat eine Schering-Biographie. Die Berliner Pharmafirma ist nach wie vor der größte einzelne Zukauf in der Bayer-Geschichte. Rechnet man aber die 2014er Einkaufstour von Bayer-Chef Marijn Dekkers zusammen, hat er seinen Vorgänger Wenning in den Schatten gestellt.
Ob er zu viel gezahlt hat, war eine der wenigen kritischen Fragen der bezahlten Aktionärsschützer. Dagegen beanspruchte die Schar der Bayer-Kritiker jede Menge Redezeit auf der Hauptversammlung. Neben dem Bienensterben, als dessen Verursacher auch Agrochemie von Bayer verdächtigt wird, ging es diesmal auch um den Steuerzahler Bayer. Die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ nahm die extrem verschärften Haushaltsprobleme der Stadt Leverkusen zum Anlass, nachzubohren. Die Antwort von Marijn Dekkers fiel nicht so detailliert aus, wie es sich Jan Pehrke von der „Coordination“ gewünscht hatte. Bayers Vorstandschef berichtete von 566 Millionen Euro Ertragssteuern, die Bayer voriges Jahr in Deutschland gezahlt habe. Die Hälfte davon sei Gewerbesteuer. Weltweit habe man sechs Milliarden Euro Steuern bezahlt.
Bleibt der Dauerbrenner Kohlenmonoxid-Pipeline: Aktivist Dieter Donner mutmaßte, dass die von Bayer abgestoßene Kunststoff-Sparte Material Science „diesen Rucksack mitbekommt“.