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Landesgartenschau

Neues Deutschland, 03.05.05

Auf Giftmüll-Boden blüht die Landesgartenschau in Leverkusen

Es grünt so grün das Gift….

Jahrzehntelang benutzten Bayer-Konzern und die Stadt Leverkusen die Dhünnaue als Problem-Deponie. Jetzt ist das Gelände eine „grüne Insel“ – Umweltschützer monieren unzureichende Schutzmaßnahmen.

Auf weitläufigen Wiesen tummeln sich Kinder, Familien haben die Picknickdecke ausgebreitet, Liebespaare kuscheln auf Parkbänken, und Senioren schlendern durchs Blütenmeer – doch die Idylle auf der Mitte April eröffneten nordrhein-westfälischen Landesgartenschau trügt. Unter dem Gelände verbirgt sich einer der größten Giftmüllskandale Westdeutschlands, der für die Verantwortlichen zwar Schnee von gestern ist, bei Umweltverbänden aber bis heute als höchst brisant gilt. Jahrzehntelang hatten der Chemiekonzern Bayer und die Stadt Leverkusen die Auen des Flüsschens Dhünn, auf denen nun die Landesgartenschau angelegt ist, als Deponie genutzt.

Bis in zwölf Meter Tiefe lagern hier etwa drei Millionen Tonnen Chemierückstände, Bauschutt und Hausmüll. Während der Leverkusener Bürgermeister in dem sanierten und durch die Landesgartenschau rekultivierten Gelände einen „glücklichen umweltpolitischen und städtebaulichen Schlusspunkt“ sieht, kritisiert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) die Sanierung wie auch die historische Aufarbeitung als unzureichend. „Von einer nachhaltigen Sicherung der Deponie kann nicht gesprochen werden“, sagt Philipp Mimkes, Geschäftsführer der CBG. Das verseuchte Erdreich sei weder abgetragen noch vollständig umschlossen worden. Lediglich oberirdisch und seitlich sei es abgedeckt worden, nach unten sei es offen. Frank Stupp, Pressesprecher der Landesgartenschau hält dem entgegen, dass die im Untergrund lagernden Gesteine eine natürliche Barriere bilden würden, muss jedoch zugeben, dass diese Schichten nicht komplett wasserundurchlässig sind. CGB und Umweltverbände fordern deshalb eine nachhaltige Sicherung. „Es gab Pläne, Teile der Abfälle vor Ort durch eine thermische Behandlung zu entsorgen und den Rest vollständig zu umkoffern“, sagt Mimkes. Aus Geldgründen sei dies unterblieben, mutmaßt er.

Die Geschichte der Dhünnaue liest sich wie ein Öko-Krimi. Trotz der Gifte im Boden errichtet Leverkusen in den 1950er Jahren auf der Deponie Wohnhäuser, eine Schule, einen Kindergarten und ein Altenheim. Eher zufällig wird Mitte der 1980er Jahre eine Umweltprüfung durchgeführt. Das Ergebnis: die Aue ist mit hochgiftigen Schadstoffen belastet. Die Stadt empfiehlt den Bewohnern, die Gartennutzung einzuschränken und die Auen-Wiesen nicht mehr zu betreten. Leverkusener Ärzte fordern dagegen eine Umsiedlung der Bewohner. Erst Anfang der 1990er entschließt man sich, die Wohnbebauung aufzugeben und das Gelände zu sanieren.

„Wir wollen und können nichts von der Geschichte der Dhünnaue verheimlichen“, sagt Stupp. Eine Ausstellung auf dem Gelände präsentiere ja offen die historischen Abläufe. Den Opfern der Giftmülldeponie einen Gedenkstein zu setzen, wie es CBG verlangt, geht Stupp aber zu weit: „Es gibt keine konkreten Hinweise auf Opfer. Wer weiß schon, ob eine Krebserkrankung mit dem Müll zu tun hat.“ Recherchen des „Spiegel“ von 1992 belegen indes, dass es bei den Bewohnern zu einer statistischen Häufung von tödlichen Krebserkrankungen kam. „Das wird einfach unter den Teppich gekehrt“, empört sich Mimkes. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Nordrhein-Westfalen schließt sich dem an. „Ich halte es für bedenklich, dass eine Altlast von Bayer zur Kaschierung des Skandals in ein Vorzeigeprojekt veredelt wird – und das mit öffentlichen Mitteln“, sagt Geschäftsführer Dirk Jansen.

Die meisten Besucher der Landesgartenschau freuen sich indes über den schönen Park. Viele wissen von der problematischen Geschichte, finden es aber „ganz toll“, was man aus der ehemaligen Deponie gemacht hat. „Besser als vorher“, sagt ein Besucher. Vor dem Gift im Boden hat er keine Angst. Es gibt aber auch kritische Stimmen. Christiane Berger ist Gartenbau-Spezialistin und resümiert: „Ich finde das Gesamtkonzept eintönig. Es fehlen Bäume auf den viel zu großen Rasenflächen. Man merkt, dass hier keine tief wurzelnden Pflanzen gepflanzt werden durften, weil das die Abdeckung der Deponie schädigen könnte.“ Für sie sieht das Ganze auch bildlich wie ein großer grasgrüner Deckmantel aus.
Von Christiane Martin, Leverkusen