Kölner Stadt-Anzeiger, 24. Februar 2007
Giftmüll-Import auf der Kippe
Australische Firmen bestreiten Notwendigkeit der Ausfuhr nach Deutschland.
Möglicherweise kann ein umstrittener Giftmüll-Import von Australien nach Nordrhein-Westfalen noch in letzter Minute verhindert werden. Dies sagte am Freitag Sabine Raddatz, Sprecherin des Landesumweltministeriums. Wie berichtet, will die australische Firma Orica insgesamt 22 000 Tonnen hochgefährlichen Hexachlorbenzol-Mülls (HCB) in Deutschland verbrennen lassen, davon 11 000 Tonnen an den NRW-Standorten Herten, Leverkusen und Dormagen.
Öffentlich hatte sich Umweltminister Eckhart Uhlenberg (CDU) stets gegen den Import von Sonderabfällen aus Australien ausgesprochen. Da jedoch die Genehmigungsvoraussetzungen vorlägen, bestehe keine rechtliche Möglichkeit, den Import zu verhindern, sagte der Minister noch am 17. Januar im Umweltausschuss des Landtags. Voraussetzung für die Genehmigung sei, dass die Kapazitäten für inländischen Müll durch den Import nicht eingeschränkt würden, dass nicht gegen nationales Recht verstoßen werde und dass der Müll möglichst nah am Entstehungsort nicht entsorgt werden könne, erklärte die Sprecherin.
Mit der Auskunft an den Ausschuss war Uhlenberg womöglich etwas voreilig. Denn tatsächlich lagen zu diesem Zeitpunkt nicht alle Genehmigungs-Voraussetzungen vor. Unklar sei nämlich bisher, ob die Firma Orica tatsächlich nicht in der Lage sei, den Sondermüll nah am Entstehungsort in Australien zu entsorgen, bestätigte Sabine Raddatz. Unternehmen in Australien reklamierten sogar öffentlich, sie seien in der Lage, den Giftmüll selbst zu entsorgen. „Wir warten auf eine Bestätigung der australischen Behörden“, sagte die Ministeriums-Sprecherin. Deshalb ruhe zurzeit noch das Verfahren bei den zuständigen Bezirksregierungen.
Der parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der Grünen im Landtag, Johannes Remmel, warf der Landesregierung vor, sie spiele mit verdeckten Karten. Während der zuständige Minister darauf poche, dass sich seine Behörde bei ihrer Prüfung an die EGAbfallverbringungsverordnung halten müsse und deshalb verpflichtet sei, den Giftmüll aus Australien anzunehmen, sei die EU-Kommission anderer Meinung. Danach könne die zuständige NRW-Behörde den Giftmüll-Import sogar verweigern.
Dieser Widerspruch zeige, dass die Landesregierung zwar schöne Worte präsentiere, dass denen aber keine Taten folgten, kritisierte Remmel. „Deshalb fordern wir Minister Uhlenberg im Rahmen einer Aktuellen Viertelstunde im Umweltausschuss dazu auf, seine Position zu erklären und offen zu sagen, warum der Giftmüll freien Weg nach NRW haben soll.“
Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ kritisierten im Zusammenhang mit dem Streit um den australischen Müll, wegen der in den 90er Jahren aufgebauten Verbrennungs-Überkapazitäten sei NRW bei einer jährlichen Menge von über 600 000 Tonnen Import-Sondermülls schon jetzt das „Müll-Klo der halben Welt“. VON HEINZ TUTT