09. Mai 2012 / junge Welt
»Die Einbrecher hinterließen keine Spuren«
Mysteriöse Attacken auf das Büro von Bayer-Kritikern: Steckt der Chemiekonzern dahinter? Ein Gespräch mit Axel Köhler-Schnura
Interview: Gitta Düperthal
Axel Köhler-Schnura ist Gründungsmitglied der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), der Stiftung ethecon, des Dachverbands Kritischer Aktionärinnen und Aktionäre, sowie Genossenschafter der jungen Welt und der taz
In Ihre Büro- und Wohnräume wurde in den vergangenen Monaten mehrfach eingebrochen, es gab Hacker-Attacken auf Ihren Computer. Gibt es Hinweise, daß dies im Zusammenhang mit Aktivitäten der »Coordination gegen Bayer-Gefahren« stehen könnte, etwa Ihrer Kritik bei der Hauptaktionärsversammlung des Konzerns?
Die Attacken, die seit Jahresbeginn anhalten, sind mysteriös. Eingebrochen wurde in das Haus, in dem ich mit meiner Familie wohne, in dem ich mein Büro habe und in dem sich auch die Stiftung ethecon befindet. Es wurden Datenträger und Geräte entwendet, die mit meiner politischen Arbeit zu tun haben: unter anderem mein Notebook, das Handy und eine Kamera. Spuren haben die Einbrecher zwar nicht hinterlassen – aber sie haben immer nur ein oder zwei Gegenstände mitgenommen, die sie aber auch schon vorher hätte stehlen können. So, als wollte man die Warnung hinterlassen: Wir waren da!
Daß wir die Schließlanlage mehrfach ausgewechselt haben, hat nichts geholfen. Weder wir selber, noch die Kriminalpolizei können uns einen Reim darauf machen – letztere geht von Profis aus. Deshalb gibt es Vermutungen, daß all das mit den Konzernen zu tun haben könnte, mit denen ich mich angelegt habe.
Was schadet der Bayer AG aktuell am meisten? Ihre Kritik an tödlichen Menschenversuchen in Indien und der Arbeitsplatzvernichtung in Europa? Oder Ihr Vorwurf, daß Bayer gefährliche Medikamente in Umlauf bringt oder durch Gifte das weltweite Sterben von Bienen verursacht?
Bayer ist der einzige Konzern weltweit, der seit mehr als 30 Jahren keine geordnete Aktionärshauptversammlung mehr durchführen konnte – die Mehrheit der Redner wird nämlich von uns gestellt. Die Presse titelte nach der Hauptversammlung am 27. April »Zwischen Jubel und Tribunal«. Dem Aktienkurs tut das natürlich nicht gut.
Unsere Kritik wird bei den Wertungen der Rating-Agenturen berücksichtigt und spielt auch bei Depotentscheidungen von Regierungen eine Rolle. Bayer wollte z. B. ein Werk für 350 Millionen Dollar in Taiwan bauen – auch das hat nicht geklappt.
Deshalb käme Bayer als Auftraggeber in Frage?
Man könnte fragen: Warum sollte ein Konzern, mit dem ich mich schon seit über 30 Jahren streite, ausgerechnet jetzt so agieren? Möglicherweise hängt es damit zusammen, daß Bayer mit Marijn Dekkers einen neuen Vorstandsvorsitzenden hat . Wer es auch war: Entweder geht es darum, uns auszuspionieren – dann hören die Einbrüche irgendwann auf. Oder wir sollen eingeschüchtert werden, dann geht es weiter!
Gibt es weitere Verdächtige?
Geheimdienste z.B., weil wir uns weltweit mit Konzernen anlegen; mit BP in Großbritannien etwa oder dem taiwanesischen Chemie-Konzern Formosa Plastics Group. Es könnte auch Tepco aus Japan dahinter stecken. Die Stiftung ethecon bereitet sich zur Zeit auf die Übergabe des Internationalen »Black Planet Award« vor. Diesen Schmähpreis werden wir in Tokio an die für die Fukushima-Katastrophe Verantwortlichen des Konzerns übergeben.
Es gibt aber keine konkreten Anhaltspunkte?
Die Kripo ist ratlos. Sicherheitstechnik ist für diese Einbrecher offenbar kein Problem. Sie haben einen Schaden in Höhe von 10000 bis 14000 Euro verursacht – Versicherungsschutz gibt es nicht, weil diese Angriffe als Schleicheinbrüche gewertet werden.
Ist das eine neue Entwicklung, die Sie nur persönlich betrifft?
Nein, solche Aktivitäten von Konzernen nehmen zu. Sie dehnen ihre Macht ständig weiter aus und beteiligen sich an verdeckten Operationen gegen demokratische Bewegungen. In der Schweiz läuft aktuell ein Prozeß gegen Nestlé wegen Infiltration einer ATTAC-Gruppe. Bekannt ist auch der Fall »Manfred Schlieckenrieder«, der im Auftrag von Shell, BP, des BND und des Verfassungsschutzes geheimdienstlich gegen Mitglieder demokratischer Organisationen vorging.
Wie reagieren Sie auf die Übergriffe?
Wir machen weiter wie gehabt, brauchen aber den Schutz der Öffentlichkeit und Rückenstärkung durch Mitglieder und Spenden.