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junge Welt

junge Welt, 13 Nov 2014

Schleichwerbung

Gekaufter Jubel in Social Media?

Werbung auch für Bayer? Wiener PR-Agentur in Verdacht, in Onlineforen bezahlte Postings plaziert zu haben

Journalisten und Konzernkritiker schlagen Alarm: Die Wiener PR-Agentur Modern Mind Marketing soll in den vergangenen Jahren bezahlte Postings in Onlineforen in großem Umfang produziert und lanciert haben. Wie auch der ORF berichtete, ist die Kundenliste prominent. So sollen unter anderem für ÖBB, UniCredit Bank Austria und die ÖVP Wien positive PR-Postings verfasst worden sein, ohne den Auftraggeber zu nennen, berichtete die Zeitschrift Datum am vergangenen Freitag. Neben österreichischer Unternehmensprominenz zählte demnach auch der dortige Ableger der deutschen Bayer AG zu den Auftraggebern. Genannt wurden auch die Österreichischen Lotterien und die Mobilkom Austria (heute Teil der Telekom Austria).

Modern Mind Marketing bietet seine Dienste den Berichten zufolge unter dem Begriff »Online Reputation Management« an, und das schon seit zehn Jahren. Dabei schickt sie laut Datum und news ORF.at ihre Mitarbeiter, ausgestattet mit zahlreichen gefälschten Identitäten, in diverse Foren des Internets. Eine dem Magazin vorliegende Liste mit falschen Identitäten aus dem Jahr 2012 umfasst etwa knapp zehntausend Namen, jene zu (internationalen) Foren, in denen die Agentur Strohmänner in mindestens sechs Sprachen auftreten ließ, zählt mehr als zweitausend Einträge. Laut einem Bericht von ZIB 2, den aktuellen Tagesnachrichten im ORF, habe jeder Redakteur zwischen 50 und 100 Identitäten benutzt. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, würden auch neutrale Postings produziert.

Laut einer Pressemitteilung der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), warb Modern Mind Marketing u. a. für Flohmittel aus der Produktionspalette des deutschen Konzerns. Ebenso soll auf diese Weise »Piratenmarketing« für die Hormonspirale Mirena des Leverkusener Pharmariesen gemacht worden sein. »Obwohl für Mirena Tausende – teils schwerwiegende – Berichte von Nebenwirkungen vorliegen, veröffentlichte die Agentur Postings im Tonfall hilfsbereiter Freundinnen«, die angeblich mit dem Produkt zufrieden sind, kritisierte die CBG. Sie zitierte eine interne Auswertung der Marketingfirma laut der Süddeutschen Zeitung: »Grundsätzlich ist zu sagen, dass das Internet eine ideale Plattform zur Verbreitung von Informationen zum Thema Verhütung darstellt«. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG forderte in diesem Zusammenhang strafrechtliche Ermittlungen gegen die Konzernverantwortlichen. »Unlautere Medikamentenwerbung hat bei Bayer Tradition. Im vorliegenden Fall sollten offensichtlich die Gesetze umgangen werden. Denn Werbung für verschreibungspflichtige Präparate wie Mirena ist verboten«, so Pehrke in eine Information. Laut CBG gibt der Konzern jährlich zehn Milliarden Euro allein für Reklame aus. Pehrke: »Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller die Risiken von Medikamenten verharmlosen und schamlos die öffentliche Diskussion manipulieren.«

siehe auch Jubel-Postings unter falscher Identität