Junge Welt vom 31. 7. 2002
Die Genraps-Gefahr
Aussaat bei Swisstal gefährdet Naturschutzgebiet / Bayer CropScience neu am Start
Die Gemeinde Swisstal bei Bonn wird in den nächsten Tagen um eine zweifelhafte Attraktion reicher sein: Sie wird Freisetzungsstandort für genetisch manipulierten Raps. Zwar gibt es deutschlandweit über 600 Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen, doch das Vorhaben im Rheinland hat eine besondere Qualität: Die Freisetzungsflächen liegen in unmittelbarer Nähe zu wertvollen Naturschutzgebieten, die zum Teil von der EU als Flora-Fauna-Habitat (FFH) geschützt sind. Umweltverbände befürchten, daß mit dem Versuchsfeld ein Präzedenzfall für die Umgehung des europäischen Naturschutzrechts geschaffen werden soll.
Beantragt wurde der Versuch von der Bayer CropScience GmbH.
Die Firma entstand erst vor wenigen Wochen nach der Übernahme von Aventis CropScience durch die Bayer AG. Der Bayer-Konzern wurde durch die Akquisition zum größten Anbieter gentechnisch veränderter Pflanzen in Europa sowie zum zweitgrößten Pestizidhersteller der Welt und hat nun zahlreiche Pflanzen im Angebot, die gegen hauseigene Herbizide resistent sind. Saatgut und »passendes« Pestizid sollen künftig im Paket vermarktet werden. Da die Pflanzen patentiert sind, dürfen Landwirte das Saatgut künftig nicht selbst herstellen, sondern müssen dieses für jede Aussaat neu kaufen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) forderten gestern das Robert-Koch-Institut auf, Einspruch gegen die Genehmigung einzulegen. Falls das Veto unterbleibt, kann Bayer in Swisstal noch in dieser Woche mit der Aussaat beginnen.
Eckehardt Ehrenberg vom BUND: »Es ist unverantwortbar, ein Versuchsfeld für genveränderten Raps nach einem vereinfachten Verfahren ausgerechnet neben einem FFH-Schutzgebiet zu genehmigen. Die Risiken von Freilandversuchen mit genmanipulierten Pflanzen sind zur Zeit nicht absehbar.« Ehrenberg weist darauf hin, daß sich gentechnisch herbeigeführte Herbizidresistenz auch auf andere Pflanzen übertragen kann, wodurch »Superunkräuter« entstehen könnten, die dann selbst mit einer Vielzahl von Pflanzenvernichtungs-
mitteln nicht mehr bekämpft werden können.
Axel Köhler-Schnura von der CBG: »Gerade vor dem Hintergrund des besonders sensiblen Lebensraumes in der Umgebung dieses Freisetzungsstandortes wäre eine gründliche Untersuchung der Risiken erforderlich gewesen. Stattdessen bedient sich die Firma Bayer einer bloßen Nachmeldung im Rahmen eines vereinfachten Genehmigungs-
verfahrens und scheut jegliche öffentliche Diskussion.«
Raps als in Mitteleuropa heimische Pflanze hat eine Reihe verwandter Arten, wodurch sich die Gefahr der Auskreuzung erhöht. Der gegen das Totalherbizid Basta resistente Winterraps, der in Swisstal zum Einsatz kommen soll, enthält gleich einen ganzen Gencocktail von Bakterien, Pilzen und einer Raps-Verwandten und gefährdet damit eine Vielzahl anderer Organismen. Rapspollen können über mehrere Kilometer verteilt werden, was insbesondere eine Gefahr für benachbarte Biohöfe darstellt.
In Frankreich ist die Freisetzung genmanipulierten Rapses wegen der zahlreichen Risiken gänzlich verboten, Griechenland verhängte ein Importverbot. In Kanada hat der von Umweltschützern befürchtete Gentransfer schon stattgefunden: Forscher entdeckten wilden Raps, der gegenüber dem damals noch von Aventis vertriebenen Herbizid Basta inzwischen resistent ist.