Brunsbütteler Zeitung, 17. Februar 2007
Giftmüll: Protest aus Steinburg
Brunsbüttel– „Kein australischer Giftmüll nach Brunsbüttel“ lautet die Überschrift einer gemeinsamen Erklärung, mit der gestern der Steinburger Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen und die „Coordination gegen Bayer-Gefahren e.V.“ an die Öffentlichkeit getreten sind. Beide machen darin ausdrücklich auf die Gefahren aufmerksam, die aus ihrer Sicht bei den geplanten Giftmülltransporten von Australien nach Brunsbüttel entstehen.
„Wir lehnen diese Transporte entschieden ab“, sagt Dr. Jürgen Ruge, Kreisgeschäftsführer der Steinburger Grünen. Während aus den kommunalpolitischen Gremien und der Bevölkerung Brunsbüttels, wo im Elbehafen 22 000 Tonnen des hochgiftigen Hexachlorbenzols (HCB) per Schiff ankommen sollen, so gut wie kein Protest zu vernehmen ist, brodelt es an den anderen drei geplanten Verbrennungsstandorten Herten, Leverkusen und Dormagen erheblich (wir berichteten). Dort soll ein Großteil des mit der weltweit verbotenen Substanz verseuchten Mülls entsorgt werden, ein Drittel bei der SAVA Brunsbüttel.
„Vor der Gefahr, dass Brunsbüttel zum Drehkreuz internationaler Giftmülltransporte wird, hatten wir bereits vor deren Bau Mitte der 90er Jahre gewarnt“, sagt Ruge. Nicht mehr nur die Verbrennung von regionalem Sondermüll stehe seither im Mittelpunkt der SAVA-Aktivitäten, sondern auch die Beseitigung von Giftstoffen, die aus der ganzen Welt nach Brunsbüttel transportiert werden. Es sei aber nicht hinnehmbar, dass dieser Giftmüll aus dem technologisch hoch entwickelten Australien ausgeführt wird und man mit dem Transport unberechenbare Risiken auf See, beim Umladen und Zwischenlagern in Brunsbüttel sowie beim Weitertransport auf Schiene und Straße eingeht, betont der Steinburger Bündnisgrüne. „Der erst vor wenigen Wochen bei Tornesch verunglückte Güterzug hat deutlich gemacht, dass folgenschwere Unfälle aufgrund kleinster Ursachen geschehen können.“
Verursacher des Giftmülls ist die in der Millionenstadt Sydney angesiedelte Firma ORICA, von der laut Ruge australische Umweltschützer seit Jahren fordern, das krebserregende HCB umweltschonend zu beseitigen. In Australien gibt es nach Ansicht von dortigen Umweltschutzverbänden durchaus erprobte Verfahren im eigenen Land.
Philip Mimkes von der „Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.“ (CBG) sieht in dem geplanten Giftmülltransport um den halben Erdball einen Verstoß gegen die Baseler Konvention: „Diese schreibt eine erzeugernahe Entsorgung von Gefahrstoffen vor, die bei einem Transportweg von 16 000 Kilometern in keiner Weise gegeben ist. Vielmehr müssen die kommerziellen Interessen der Verbrennungsanlagen-Betreiber, darunter die SAVA und der Bayer-Konzern, hinter dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung zurückstehen.“ Die gemeinsame Forderung von CBG und Grünen: „Politik und Behörden müssen in dieser brisanten Angelegenheit unbedingt handeln und die Pläne für Transport und Verbrennung stoppen.“
Dass es in Brunsbüttel selbst so gut wie keinen Gegenwind gegen das Vorhaben gibt, mache sich mittlerweile auch der Verursacherkonzern ORICA zunutze, wie die australische Umweltschützerin Dr. Mariann Lloyd-Smith gestern der Vize-Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, mitteilte. Darin heißt es: „Bei einer Anhörung des Staatlichen Umweltamtes Itzehoe am 25. Januar habe es, so argumentiert der Konzern, lediglich zwei Gegenstimmen aus Brunsbüttel zu den Giftmülltransporten gegeben. Der Widerstand am eigentlichen Ort des Geschehens wird in Australien also absolut nicht als ernsthaft betrachtet. ORICA versucht, auf diese Weise auch die Argumente aller anderen Gegner in Frage zu stellen.“ Beim Staatlichen Umweltamt Itzehoe (STUA) waren gestern keine Ansprechpartner zu diesem Thema zu erreichen. Auch in der Vorwoche war von dort auf eine Anfrage der Redaktion nicht geantwortet worden. Im Brunsbütteler Hauptausschuss am Mittwoch hatte Bürgermeister Wilfried Hansen versichert, er sei von der Rechtmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens überzeugt.
Die Brunsbütteler Umweltschützerin Hannelore Schwonberg betonte gestern, dass es in der Region durchaus mehr als zwei Gegner des Transports gebe. Für Anfang der Woche kündigte sie im Auftrag der WIR weitere Informationen an.
Von Jörg Lotze
Brunsbütteler Zeitung, 22.2 07
WIR plant Anti-Giftmüll-Resolution
Ratsversammlung soll am 28. Februar über die Verabschiedung beraten
Von Michaela Reh
Brunsbüttel – Die Wählerinitiative für reelle Politik (WIR) hat eine Resolution gegen den Umschlag des australischen Giftmülls in Brunsbüttel vorbereitet. Die Mitglieder hoffen, dass sie am Mittwoch, 28. Februar, mehrheitlich von der Ratsversammlung verabschiedet wird.
„Die Stadt Brunsbüttel spricht sich entschieden gegen den Transport australischen Giftmülls nach Brunsbüttel und die Zwischenlagerung, Verteilung und Verbrennung aus. (…) Alle beteiligten Stellen werden aufgefordert, dieses Projekt zu stoppen. Die Landesregierung wird gebeten, sich für eine gesetzliche Änderung einzusetzen, die solch unnötigen Mülltourismus in Zukunft verhindert“, heißt es in dem Dokument.
Die langen Transporte und Lagerzeiten im Elbehafen würden nicht kalkulierbare Risiken für die Bürger in der Region bergen. „Brunsbüttel darf nicht zum Umschlagplatz für den Giftmüll der Welt werden“, unterstrich Ingrid Möller (WIR) in der Sitzung des Bauausschusses am Dienstagabend. „Australien ist ein hoch industrialisiertes Land, das sich selbst in die Lage versetzen muss, seinen produzierten Giftstoff gefahrlos entsorgen zu können“, so Möller. Das fordert auch die vor 18 Jahren geschlossene Baseler Konvention, in der sich bis heute 170 Staaten verpflichtet haben, ihren Giftmüll möglichst im eigenen Land zu entsorgen.
Eigentlich ist geplant, dass am 1. April das erste von vier großen Frachtschiffen – beladen mit jeweils 300 Containern australischen Giftmülls – in Sydney ablegen und Kurs auf Brunsbüttel nehmen wird. Ein Drittel des Mülls soll in der Sonderabfallverbrennungsanlage (SAVA) vernichtet, der Rest voraussichtlich per Bahn nach Nordrhein-Westfalen gebracht werden.
Wie wir bereits berichteten, wird dieser Termin nicht einzuhalten sein, denn das schleswigholsteinische Landesamt für Natur- und Umweltschutz (LANU) hat den entsprechenden Antrag des Chemie-Multis ORICA nicht genehmigt. Die Firma, die den mit hochgiftigem Hexachlorbenzol (HCB) verseuchten Beton, Schlamm und Schutt in Brunsbüttel, Herten, Dormagen und Leverkusen verbrennen möchte, muss erst nachweisen, dass eine Entsorgung in Australien unmöglich ist. Sonst wird der 16 000 Kilometer lange Transport nicht genehmigt. „Wenn sich Orica nicht rührt, werden wir dem Unternehmen voraussichtlich im April eine neue Frist setzen und, wenn diese wieder verstreicht, das Verfahren endgültig einstellen“, sagt Dezernatsleiter Martin Fiedler vom LANU. Selbst australische Umweltschützer behaupten, der Giftmüll könne sehr wohl in zwei australischen Anlagen in
Brisbane und Melbourne entsorgt werden.
In der Sitzung des Bauausschusses lieferten sich Hans-Jürgen Brütt (WIR) und Klaus-Peter
Lüttge (CDU) einen kurzen aber heftigen Schlagabtausch. Für ein paar Minuten sah es so aus,
als ob der Streit eskalieren würde. Brütt hatte noch einmal kritisiert, dass Bürgermeister
Wilfried Hansen die Öffentlichkeit nicht umfassend und kritisch informiert habe über den
geplanten Transport des Giftmülls. Diesen Vorwurf wies Lüttge aufgebracht zurück: „Der
Bürgermeister hat offiziell darüber berichtet. Dass ihr von der WIR die öffentliche Anhörung
in dem Genehmigungsverfahren zum Giftmüll-Transport verpennt habt, ist eure Sache.“
Brütt hob zum Schluss die Gefahr hervor, das Brunsbüttel dauerhaft zum Umschlagplatz für
Giftmüll werden könnte: „In Deutschland gibt es 66 Anlagen wie die SAVA und die werden
dann weltweit über Brunsbüttel beliefert, wenn wir uns nicht wehren. Die WIR sammelt
zurzeit Unterschriften gegen den Giftmüll-Transport und bereitet eine Demonstration vor.