700 niederländische Frauen verlangen Entschädigung
Sammelklage gegen BAYER wg. Verhütungsmittel ESSURE
Anfang April hatten 700 niederländische Frauen eine Sammelklage gegen den BAYER-Konzern wegen der Risiken und Nebenwirkungen des Langzeit-Verhütungspräparats ESSURE eingereicht. Heute nun müssen im Rahmen einer Anhörung erstmals VertreterInnen des Leverkusener Multis vor dem Utrechter Midden-Nederland-Court Stellung zu dem Fall beziehen.
Die Geschädigten hatten zuvor zwei Jahre lang erfolglos versucht, mit dem Unternehmen zu einer außergerichtlichen Lösung zu kommen. Sie machen die Spirale ESSURE, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich der Eileiter verschließt, für zahlreiche Gesundheitsschädigungen verantwortlich. So bleibt das Medizin-Produkt allzu oft nicht an seinem Bestimmungsort; stattdessen wandert es im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. 94 Todesfälle registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Auch äußere Blutungen, Unterleibs-, Becken- oder Kopfschmerzen, Depressionen, Angstzustände, Krämpfe, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den unerwünschten Arznei-Effekten des Mittels.
In den Niederlanden haben sich deshalb rund 4.000 Frauen einem chirugischen Eingriff unterzogen, um sich die Spirale wieder entfernen zu lassen. Manchmal mussten die MedizinerInnen dabei auch die Gebärmutter herausoperieren. Da dies alles hohe Kosten verursacht hat, schlossen sich 16 Krankenkassen der Klage an. „Die Frauen wollen Gerechtigkeit, ihnen geht es nicht um das Geld“, sagt Anwalt Martijn van Dam über die Absichten seiner MandantInnen. Deren Forderungen an BAYER bewegen sich in einer Spanne von 10.000 bis 40.000 Euro pro Kopf je nach Ausmaß der Gesundheitsprobleme.
Erst Mitte April waren mehr als tausend australische ESSURE-Geschädigte gegen BAYER vor Gericht gezogen. In Irland, England und Brasilien sieht sich der Pharma-Riese ebenfalls mit Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert. Ein entsprechendes Verfahren in den USA, das 39.000 Betroffene angestrengt hatten, kam bereits 2020 zum Abschluss. Es endete mit einem Vergleich, der den Leverkusener Multi 1,6 Milliarden Dollar kostete.
Nach Verboten und Gebrauchseinschränkungen in einigen Staaten leitete der Pillen-Riese im Jahr 2017 den Markt-Rückzug des Produktes ein, von dem er bis dahin weltweit 750.000 Stück abgesetzt hatte. Als Gründe für die Einstellung des Verkaufs führte der Konzern jedoch nicht das Gefährdungspotenzial von ESSURE, sondern lediglich die „inadäquate und irreführende Berichterstattung über das Mittel“ sowie das abnehmende Interesse für Langzeit-Kontrazeptiva an. Im Vorfeld des Prozesses in den Niederlanden bezeichnete er die Spirale als so sicher wie effektiv und kündigte an, sich gegen die Vorwürfe „entschieden“ zur Wehr zu setzen.
„Der BAYER-Konzern weigert sich stets bis zum bitteren Ende, Gesundheitsschädigungen durch seine Medikamente einzugestehen. Gerade die Sparte „Frauengesundheit“ hat hier traurige Berühmtheit erlangt, nicht nur in Sachen „ESSURE“, sondern auch die Verhütungspräparate MIRENA und YASMIN betreffend. Das Leid der Frauen ignorierte die Aktien-Gesellschaft dabei immer konsequent. Ihr ging es nur um den Profit“, hält Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend fest.