Neue Fragen zur Genehmigung von BAYERs Monsanto-Deal
EU-Wettbewerbsbehörde unter Einfluss
Das Nachrichten-Magazin „Der Spiegel“ berichtet in seiner neuesten Ausgabe von möglichen Interessenskonflikten bei der Genehmigung von BAYERs Monsanto-Übernahme durch die Europäische Union. Nach Informationen des Blattes wechselte nämlich ein mit der Transaktion befasster Kommissionsbeamter kurz nach der Bewilligung des Deals zu eben jenem Beratungsunternehmen, dessen Gutachten eine bedeutende Rolle bei der Entscheidungsfindung gespielt hatte.
„Für uns bleibt unklar, ob der Beamte bei seiner Empfehlung für die Kommission aus Überzeugung oder aus politischem Interesse – dem Anreiz eines lukrativen Jobangebots – gehandelt hat“, so Max Bank von der Initiative LobbyControl, auf deren Recherchen sich der Artikel stützt.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sieht Handlungsbedarf. „Jetzt muss das ganze Verfahren auf Wiedervorlage kommen. Zudem steht die EU-Kommission in der Pflicht, der Öffentlichkeit alle den Fall betreffenden Dokumente zugänglich zu machen“, fordert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.
Konkret handelt es sich um die Firma Compass Lexecon. Im Auftrag von BASF ermittelte sie, unter welchen Voraussetzungen der Mega-Merger nicht zu einer überdimensionalen Marktkonzentration führt. Ergebnis: Der Verkauf eines Teils des Agrar-Sortiments von BAYER/Monsanto an die BASF kann für einen Ausgleich sorgen und den monopolistischen Tendenzen entgegenwirken. Und genau das setzte die EU um. Sie erteilte dem Leverkusener Multi unter der Bedingung die Erlaubnis, Monsanto zu schlucken, die Genpflanzen der LIBERTY-Baureihe mitsamt des dazugehörigen Pestizids, das Gemüse-Saatgut und die Plattform für digitale Landwirtschaft an die Ludwigshafener zu veräußern. „BAYER-Monsanto-Fusionsauflagen machen BASF zum Gewinner“, resümierte das „Handelsblatt“. Der BAYER-Konzern indes verschmerzte die Abgänge leicht und stieg mit dem Segen der EU zum Branchen-Primus auf mit weitem Abstand zu Syngenta, Corteva und BASF.
Zu allem Übel beschränkten sich die Aktivitäten von Compass Lexecon nicht auf die Europäische Union. Auf seiner Webpage rühmt sich das Unternehmen, seinen Kunden in Sachen „BAYER/Monsanto“ rund um den Globus mit Rat und Tat zur Seite gestanden zu haben, damit sie „effizient auf Fragen der verschiedenen Wettbewerbsbehörden antworten können“. Es verweist dabei auf entsprechende Dienstleistungen in Kanada, China, Russland und der Türkei. Auch für BAYER arbeitete Compass schon: Die Firma betrieb für den Agro-Riesen beim Genreis-Skandal Schadensbegrenzung.
„Es ist erschreckend, in welchem Ausmaß die Europäische Union privaten Akteuren bei Kartell-Angelegenheiten das Feld überlässt und in welchem Ausmaß Seitenwechsel stattfinden. Die wenigen „Neins“ zu Übernahmen und Fusionen wundern da auf einmal gar nicht mehr“, konstatiert Stelzmann.
Laut „Spiegel“ betreiben in Brüssel RBB Economics, Charles River Associates und Oxera ähnliche Geschäfte wie Compass. Sie rekrutieren ihr Personal ebenfalls oft bei der EU, wie diese umgekehrt auch immer wieder gerne auf den Pool zurückgreift, den die Beratungsfirmen bieten. Nach Angaben von LobbyControl hatten Anfang 2023 nicht weniger als 13 der 29 Beamt*innen der Wettbewerbsbehörde einen solchen Background.
Die Bürgerbeauftragte der Europäischen Union sieht durch solche Transfers die „Integrität der EU-Verwaltung“ bedroht. Überdies wächst die Kritik an den Kartellwächter*innen. „Die europäische Fusionskontrolle war in den vergangenen Jahren möglicherweise zu lasch“, sagte Tomaso Duso vom „Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung“ dem „Spiegel“. Und den sozialdemokratischen EU-Parlamentarier René Repasi zitiert das Magazin mit den Worten: „Viele ökonomische Analysen über die Fusionswirkungen haben sich als unzuverlässig und fehlerhaft erwiesen. Künftig sollten Kriterien wie Marktmacht und Größe wieder mehr Gewicht erhalten.“