Die CBG zu den Nazi-Verbrechen des BAYER-Konzerns
Der Stiftungsgründung muss eine Entschuldigung folgen!
Am Mittwoch, 19. April 2023, hat der BAYER-Konzern eine Wende im Umgang mit seiner Nazi-Vergangenheit angekündigt. Er rief die „Hans und Berthold Finkelstein Stiftung“ ins Leben und betraute sie mit der Aufgabe, sich der zur BAYER-Vergangenheit gehörenden I.G. FARBEN zu widmen. „Mit der Gründung der Stiftung und der Würdigung der Familie Finkelstein erinnern wir an das Geschehene und reflektieren das Handeln der I.G. FARBEN während der NS-Zeit“, erklärte der Leverkusener Multi.
Nach Ansicht der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ist dieser Schritt fast 80 Jahre nach dem Ende des Faschismus mehr als überfällig. „BAYER-Chef Carl Duisburg hat 1925 mit der I.G. FARBEN einen der größten Verbrecher-Konzerne der Welt aus der Taufe gehoben, der u. a. maßgeblich dafür verantwortlich war, den Hitler-Faschismus an die Macht zu bringen und den Ersten und Zweiten Weltkrieg zu ermöglichen. Darüber hinaus verbindet sich das Wirken der I.G. und des in die I.G. integrierten BAYER-Konzerns mit Chemischen Waffen, Holocaust, Sklaverei, Ausplünderung Europas und der Sowjetunion, Ausarbeitung von Kriegsplanungen, Menschenversuchen undundund. Entsprechend bleibt abzuwarten, ob BAYER es tatsächlich ernst meint mit der Aufarbeitung seiner verbrecherischen Vergangenheit oder ob es eine weitere Nazi-Washing-Aktion zur Vertuschung der Verbrechen wird. Um die Ehrlichkeit des BAYER-Vorhabens unter Beweis zu stellen, muss der Konzern sich zu allererst öffentlich bei allen Opfern der I.G.-FARBEN-Verbrechen bzw. deren Hinterbliebenen entschuldigen und die gerechte Entschädigung der betroffenen Familien sicherstellen. Bisher hat BAYER das stets abgelehnt. Die Hauptversammlung am 28. April wäre der richtig Ort, wo genau das stattfinden könnte“, so CBG-Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura.
1995 wäre es in den USA fast schon einmal zu einer Entschuldigung wenigstens gegenüber von der I.G. FARBEN ausgebeuteten und ermordeten SklavenarbeiterInnen (beschönigend „ZwangsarbeiterInnen genannt) gekommen. Der Schriftsteller und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel sagte eine Lesung auf einer von BAYER gesponserten Veranstaltung ab, weil der Konzern sich einer Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte verweigerte. Daraufhin griff der damalige US-Chef des Chemie-Giganten aus Leverkusen, Helge Wehmeier, persönlich zum Telefon und bot Wiesel an, öffentlich eine Entschuldigung für die damaligen Verbrechen auszusprechen. Elie Wiesel willigte ein, und Wehmeyer hielt Wort. Vor einem Publikum von rund 1.800 Menschen erklärte der „Chief Executive Officer“, dass er „Elie Wiesel und alle anderen Betroffenen für die Taten der I.G. FARBEN und des deutschen Volkes um Entschuldigung bitte“. „Trauer, Bedauern und Scham“ brachte der Manager zum Ausdruck. Die Konzernzentrale in Leverkusen zog allerdings nicht mit. Sie dementierte aus- und nachdrücklich, dass BAYER sich entschuldigt hätte. Es wäre lediglich eine private und persönliche Meinung von „Herrn Wehmeier“ gewesen.
Dabei steht neben der Aufarbeitung der Verbrechen in der Zeit des Hitler-Faschismus für BAYER noch eine andere im Raum: Die Aufarbeitung des Verhaltens von BAYER nach 1945. Viele der alten IG-FARBEN-Verbrecher wurden – teilweise sogar nach Verurteilung durch das Internationale Kriegsverbrecher-Tribunal in Nürnberg – nach kurzen Auszeiten vom Leverkusener Multi ohne jeden Skrupel wieder in Dienst genommen. Darunter sogar der ehemalige I.G. FARBEN-Chef Fritz ter Meer, der nach einer skandalös kurzen Haft infolge der Verurteilung als Kriegsverbrecher im Jahr 1956 als Aufsichtsratsvorsitzender berufen wurde und bis 1964 auch blieb. An seinem Grab stellte BAYER bis weit in die 2000er Jahre hinein regelmäßig einen Ehrenkranz auf. Das wurde erst nach Protesten der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) abgestellt.
Auch verweigerte der Konzern jahrelang vehement jede Entschädigungszahlung an die vom Konzern versklavten ZwangsarbeiterInnen und ihre Familien. Dabei betrieb die I.G. in Auschwitz ein eigenes KZ. „Es gibt keine Verbindung zwischen BAYER und Auschwitz. BAYER wurde 1951 gegründet“, lautete die Abfuhr aus der Presse-Abteilung. Überlebende ZwangsarbeiterInnen des konzerneigenen KZs wurden immer und immer wieder nicht nur arrogant, sondern auch aggressiv und rüde abgekanzelt. So etwa auch der ehemalige I.G. FARBEN-KZ-Sklave Hans Frankenthal, der mit Unterstützung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) bis zu seinem Tod als Kritischer BAYER-Aktionär auf den Hauptversammlungen des Konzerns von seinen grausamen Erfahrungen berichtete und Wiedergutmachung forderte.
Und auch die 1988 von BAYER veröffentliche Firmenchronik „Meilensteine“ widmet dem Treiben der I.G. FARBEN unter Hitler gerade einmal sieben ihrer 624 Seiten. Obendrein in geradezu unsäglicher Art und Weise. Ob Kriegswirtschaft, Rüstungsproduktion oder ZwangsarbeiterInnen-Ausbeutung – nie erscheint die Gesellschaft als Akteur, immer nur als Befehlsempfänger der Nazis: „Die Mobilisierung der Wirtschaft folgte den Plänen der Regierung.“ Diese Publikation wurde von BAYER bis heute nicht korrigiert.
Um dieses Nazi-Washing der Verbrechen des Konzerns in seiner I.G. FARBEN-Zeit aufrechtzuerhalten, hat BAYER unabhängigen ForscherInnen immer wieder den Zugang zu den Firmen-Archiven verwehrt. Das in der DDR angesiedelte und nach dem Mauerfall zu BAYER nach Leverkusen übergebene I.G. FARBEN-Archiv ist bis heute noch Verschlussache bei BAYER.
„Von dem allen muss BAYER sich distanzieren. Andernfalls bleibt die Gründung der „Hans und Berthold Finkelstein Stiftung“ eine reine PR-Aktion“, fordert Marius Stelzmann, Geschäftsführer der CBG, abschließend.
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