1.000 australische Verhütungsmittel-Geschädigte klagen an
BAYER vor Gericht
Der Melbourner „Victorian Supreme Court“ befasst sich seit Dienstag mit einer Sammelklage von mehr als Tausend Australierinnen gegen BAYER und andere Anbieter des Langzeit-Verhütungsmittels ESSURE. Die Frauen machen die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich der Eileiter verschließt, für zahlreiche Gesundheitsschädigungen verantwortlich. So bleibt das Medizin-Produkt allzu oft nicht an seinem Bestimmungsort; stattdessen wandert es im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. 94 Todesfälle registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Auch äußere Blutungen, Unterleibs-, Becken- oder Kopfschmerzen, Depressionen, Angstzustände, Krämpfe, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den Nebenwirkungen des Mittels.
„Du fühlst dich, als würdest du sterben, als würdest du von innen heraus sterben“, mit diesen Worten beschreibt die Klägerin Simmone Burford ihre Erfahrungen mit ESSURE. Die Mutter dreier Kinder erlitt eine Gesichtslähmung, bekam Ausschlag an den Extremitäten und Magen-Probleme. Gleich büschelweise fielen ihr die Haare aus. Lee-Anne Daffy berichtet über „ständige Gebärmutterschmerzen und Blutungen“, und Debra Liberali erinnert sich so an ihr ESSURE-Martyrium: „Es war wie ein scharfer, stechender Schmerz, wie ein Messer im Magen.“
Sie und ihre Leidensgenossinnen erhalten Unterstützung von der US-amerikanischen VerbraucherInnenschutz-Aktivistin Erin Brockovich, die durch den Hollywood-Film über ihr Engagement zu großer Popularität gelangte. „Ich finde es wirklich bestürzend, wie viel Beharrlichkeit es erfordert, durchzusetzen, dass das Richtige für unsere Gesundheit und unser Wohlergehen geschieht. Also macht weiter!“, sprach sie den Frauen bei der Einreichung der Klage im letzten November Mut zu.
Brockovich hatte bereits den US-amerikanischen ESSURE-Geschädigten den Rücken gestärkt, die BAYER im Jahr 2020 einen Vergleich abtrotzten. 1,6 Milliarden Dollar musste der Pharma-Riese den rund 39.000 KlägerInnen damals zahlen. Geschlossen ist die Akte „ESSURE“ damit in dem Land allerdings noch nicht. Und in Irland, den Niederlanden, England und Brasilien sieht sich der Leverkusener Multi ebenfalls noch mit Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert.
Trotz alledem hält der Global Player noch immer unverbrüchlich zu der Spirale: „Wir sind zuversichtlich, dass die Beweise in diesem Fall zeigen werden, dass das Unternehmen nicht für die angeblichen Schäden verantwortlich ist.“ Beckenschmerzen und Gebärmutter-Blutungen etwa tut die Verteidigungsschrift als ganz normale Alltagsbeschwerden vieler Frauen in gebärfähigen Alter ab. „Es ist unvermeidlich, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Frauen in jedem Fall unter einem oder beiden dieser Symptome gelitten hätte“, meinen die BAYER-JuristInnen.
750.000 Stück setzte der Arznei-Hersteller weltweit von dem Medizin-Produkt ab, bis er nach Verboten und Gebrauchseinschränkungen in einigen Staaten 2017 den Markt-Rückzug einleitete. Als Gründe für die Einstellung des Verkaufs führte die Aktien-Gesellschaft jedoch nicht etwa die Risiken und Nebenwirkungen, sondern lediglich die „inadäquate und irreführende Berichterstattung über das Mittel“ sowie das abnehmende Interesse für Langzeit-Kontrazeptiva an.
„Der BAYER-Konzern weigert sich stets bis zum bitteren Ende, Gesundheitsschädigungen durch seine Medikamente einzugestehen. Gerade die Sparte „Frauengesundheit“ hat hier traurige Berühmtheit erlangt, nicht nur in Sachen „ESSURE“, sondern auch die Verhütungspräparate MIRENA und YASMIN betreffend. Das Leid der Frauen ignorierte der Multi dabei immer konsequent. Ihm ging es nur um den Profit“, hält Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend fest..
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