Brüssel will das Gentechnik-Recht lockern
EU-Kommission kapituliert vor den Konzernen
Die Europäische Union plant eine Aufweichung der Gesetze für gentechnisch veränderte Organismen und gibt damit dem Drängen von BAYER & Co. nach. Nach dem am heutigen Mittwoch von der EU-Kommission präsentierten Vorschlag fallen die neuen Verfahren wie etwa CRISPR/Cas nicht mehr unter Gentechnik, sofern die mit diesen Methoden produzierten Pflanzen natürlichen oder konventionell gezüchteten Exemplaren gleichen. Nur wenn die Agro-Riesen die Genscheren zum Einbau fremden Erbguts in die Gewächse nutzen – etwa, um diese resistent gegen bestimmte Pestizide zu machen – will Brüssel noch das alte Recht angewendet wissen.
„Damit kapituliert die Kommission vor den Konzernen. Obwohl BAYER & Co. noch nicht einmal die Risiken und Nebenwirkungen der alten Prozeduren im Griff haben und mit der Gentechnik 2.0 weitere dazukommen, beabsichtigt die EU, die Bestimmungen zu lockern. Das verletzt das Vorsorge-Prinzip“, kritisiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).
Der Leverkusener Multi verkauft CRISPR/Cas & Co. hingegen wie zuvor schon die Gentechnik 1.0 und die durch Pestizide ins Werk gesetzte „Grüne Revolution“ als Schlüssel für die Möglichkeit, endlich alle Menschen auf der Erde satt zu machen. Und aus gegebenem Anlass auch noch als Mittel dafür, dem Klimawandel zu trotzen. „Wir müssen den Turbo anschalten, wenn wir mit dem galoppierenden Klimawandel mithalten wollen“, meint BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter, der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger, und fragt: Wer übernimmt die Verantwortung für die Krisen der Ernährungssicherheit, wenn wir das Potenzial dieser neuen Technologien ungenutzt lassen?“
Dabei haben gegen das Herbizid Dicamba immunisierte Genpflanzen des Agro-Riesen in den USA schon für massive Ernte-Schäden gesorgt, weil die Chemikalie nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle blieb. Sie trieb stattdessen zu Ackerfrüchten hin, die nicht per Gentechnik gegen den Stoff gewappnet waren und deshalb eingingen. Und ob die von den Genscheren eingeleiteten Veränderungen wirklich so „präzise kontrolliert werden“ können, wie BAYER behauptet, steht auch dahin. Allzu oft kommt es nämlich an den beabsichtigten Stellen zu unbeabsichtigten Mutationen und an unbeabsichtigten Stellen zu den beabsichtigten Mutationen. Nicht zuletzt deshalb hält das Bundesamt für Naturschutz (BfN) die mittels der Neuen Gentechniken (NGT) hervorgebrachten Gewächse nicht für harmloser als die durch Gen-Übertragungen geschaffenen. „Nach Ansicht des BfN trifft die Aussage, dass NGT-basierte Pflanzen generell weniger Risiken bergen, nicht zu“, bekundet die Behörde. Zudem hält sie fest: „Auch die Art und der Umfang der Veränderung sind nicht geeignete Kategorien, um per se von einem geringen Risiko auszugehen.“
BAYER aber lockt der Profit. Mit einem Umsatz-Plus im Landwirtschaftsbereich von zehn Prozent durch die EU-Deregulierungen rechnet Berninger. Dafür muss allerdings eine Bedingung erfüllt sein. „Wie bei anderen Technologien ist auch bei den neuen Genom-Techniken der Schutz des geistigen Eigentums von entscheidender Bedeutung“, hält er fest.
„Wenn es darum geht, den Labor-Konstrukten strenge Zulassungsverfahren zu ersparen, behaupten BAYER & Co., sie wären von natürlichen oder konventionell gezüchteten Pflanzen gar nicht zu unterscheiden, wenn es jedoch darum geht, Geld mit ihnen zu machen, mutieren sie plötzlich zu Eigenkreationen made in Leverkusen, aus denen sich Patent-Ansprüche ableiten. Diese Argumentation ist abstrus“, konstatiert Stelzmann.
119 Patentanträge in Sachen „Neue Gentechniken“ hat der Leverkusener Multi nach Recherchen von Global 2000 und anderen Initiativen bereits gestellt. Nur CORTEVA übertrifft ihn dabei mit 1.420. Der „Deutsche Bauernverband“, der den Genscheren-Verfahren grundsätzlich positiv gegenübersteht, betrachtet diese Entwicklung mit Sorge, denn er fürchtet Konflikte zwischen mittelständischen ZüchterInnnen und Big Agro um etwaige Patent-Verletzungen. „Es darf nicht zu Patenten auf Pflanzen kommen“, mahnt Präsident Joachim Rukwied deshalb.
„Jetzt ist erst einmal das EU-Parlament gefragt. Es hat die Pflicht, den Bedenken gegen die Risiko-Technologie Rechnung zu tragen und den Vorschlag der Kommission nicht einfach durchzuwinken“, so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann abschließend.
Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11
presse@cbgnetwork.org