Tausendmal geschmiert und nix passiert
„BAYER gilt in Portugal als untouchable’“
1997 packte der portugiesische BAYER-Beschäftigte Alfredo Pequito aus und informierte die Öffentlichkeit über die Bestechung von ÄrztInnen und gefährliche Arzneitests mit tödlichen Folgen. Als „BAYERGATE“ machte der Fall fortan Schlagzeilen (siehe auch SWB 4/97 u. SWB 4/01). Stichwort BAYER hat mit dem ehemaligen Pharma-Referenten über das immer noch schwebende Verfahren gesprochen.
Herr Pequito, von wann bis wann und in welcher Funktion arbeiteten Sie bei BAYER?
Erlauben Sie mir zunächst, der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ihr Interesse an dem Fall, der als „BAYERGATE“ bekannt geworden ist, zu danken. Dieses Interesse hätten die portugiesischen Gesundheits- und Justizbehörden auch haben sollen.
Ich kam am 2. Dezember 1992 als Pharma-Referent, der für die beiden Regionen Évora und Portalegre verantwortlich ist, zu BAYER. Es war eigentlich meine Aufgabe, auf korrekte Art BAYER-Produkte in diesen Gebieten zu vertreiben, aber das war nicht das, was BAYER vorschwebte. Am 2. Februar 1996 wurde ich nach einem ganz normalen Meeting überraschend aufgefordert, mich in der Personalabteilung zu melden. Dort wartete bereits der Personaldirektor. Er hielt mir vor: „Sie kaufen keine Ärzte, sie akzeptieren diese Strategie nicht – also dienen Sie dem Unternehmen nicht“. BAYER hatte zu dieser Zeit – und hat es immer noch – große Summen für Flugreisen, Informationsmaterial, goldene Füllhalter und andere teure Dinge zur Verfügung. Dabei fungierten die Reisebüros als eine Art Bank. BAYER hinterlegte dort mit den Medizinern ausgehandelte Summen für Flüge zu Ärzte-Kongressen, und die Doktoren konnten dann dorthin reisen oder aber gleich das Geld nehmen. Das ist schlicht Korruption. Zur Beruhigung meines Gewissens kann ich sagen, nie Teil eines solchen Systems gewesen zu sein.
Was hatte es mit den Arznei-Tests auf sich? Würden Sie Portugal als Hinterhof von BAYER und anderen Pharma-Konzernen bezeichnen, in dem die Unternehmen gefährliche klinische Studien durchführen konnten?
Die Regeln, nach denen Arznei-Tests abzulaufen haben, wurden nicht eingehalten. Es gab keine von qualifiziertem Personal vorgenommenen Inspektionen. Ein gutes Beispiel dafür ist die mit Kindern als Versuchspersonen durchgeführte klinische Erprobung des Antibiotikums CIPROXIN (identisch mit CIPROBAY, Anm. SWB). Die Aufsichtsbehörden wurden darüber nicht ordnungsgemäß in Kenntnis gesetzt. Es gab keine Informationen über die genaue Anzahl der Kinder, und bei einem der beteiligten Wissenschaftler handelte es sich um einen Psychiater, der gleichzeitig Direktor von BAYERs medizinischer Abteilung war.
Wie war die Reaktion auf Ihre Enthüllungen? Erhielten Sie Unterstützung von Medizin-Verbänden und der Regierung?
Die ersten Reaktionen waren ermutigend. Ich dachte wie viele andere auch, diese Enthüllungen würden die Regierung dazu veranlassen, wieder etwas Ordnung in diesen Sektor zu bringen, der schon lange im Gerede ist, dessen Gepflogenheiten aber niemals so offen kritisiert worden waren wie von mir. Die Erwartungen trogen jedoch; nicht einmal die Regierung zeigte Interesse. Es gab mehrere Treffen mit dem Gesundheitsminister, und auch die Parteien empfingen mich, es kam jedoch nichts dabei heraus. Nur die Arznei-Verkäufe gingen als Reaktion auf meine Enthüllungen um bis zu 45 Prozent zurück.
Sie haben der Öffentlichkeit auch Dokumente über Tests mit dem Herzmittel ECADOTRIL präsentiert. Nach einem Bericht der Zeitung Expresso starben bei oder unmittelbar nach den Versuchen acht der 279 ProbandInnen. Haben sich die Gerichte mit diesem Fall befasst?
Trotz der Toten kam es nicht zu Ermittlungen.
Wie sah es ansonsten mit der juristischen Aufarbeitung aus?
Den Prozessen ging eine schlampige Ermittlungsarbeit voraus, und als Zeugen traten nicht nur zu meiner Überraschung einzig BAYER-Beschäftigte auf. So blieb es bei Geldbußen und Verurteilungen zu gemeinnütziger Arbeit. 1999 verkündete der Präsident der Republik dann eine Generalamnestie für die Pharma-Industrie. Der Justizminister, der die Vorlage erarbeitet hatte, gehört zur der Kanzlei Jardim, Sampaio, Caldas und Partner, die BAYER vertrat. Was für ein Zufall! BAYER gilt in Portugal als „untouchable“, weil der Konzern die deutsche Macht repräsentiert: Alles, was schlecht für Deutschland ist, ist auch schlecht für die EU und deshalb schlecht für Portugal. Solch ein Satz wurde auch vor Gericht geäußert und ist aktenkundig.
Gingen die Bestechungen weiter oder fanden die Pharma-Firmen neue Methoden?
Nach der Amnestie betrachteten die Unternehmen – und besonders BAYER – Portugal als „verlorenes Paradies“, in dem sie machen konnten, was sie wollten. Jetzt ist noch mehr Geld involviert, das über die schon erwähnten Kanäle fließt.
BAYER hat Sie wegen Verleumdung verklagt. Was kam dabei heraus?
BAYER hat mich zweimal verklagt. Beim ersten Mal hatte ich Zugang zu Daten von elf klinischen Tests. Das Gericht war daran jedoch nicht interessiert. Es zog meine Beweise in Zweifel und schenkte dem BAYER-Anwalt Glauben. Beim zweiten Prozess gab es eine Richterin. Sie empfahl BAYER, die Klage zurückzuziehen.
Haben Sie nach 1997 Unterstützung von KollegInnen erhalten?
Alle BAYER-Beschäftigten erhielten die klare Order, mich nicht zu kontaktieren. Das galt aber nicht nur für Belegschaftsangehörige, sondern für alle Beschäftigten in der portugiesischen Pharma-Branche. Ich vermute, das lief über die Apifarma, den Verband der Pharmazeutischen Industrie. Ich hatte jedoch das Gück, zwei, drei Kollegen mit Zivilcourage zu haben, die sich nicht daran hielten.
Änderte sich Ihre Situation nach Ihrem Treffen mit dem neuen Generalstaatsanwalt Dr. Pinto Monteiro im Dezember 2007?
Leider ist bis jetzt nichts Substanzielles passiert. Wie dem auch sei, gesetzlich ist der Staatsanwalt zum Handeln verpflichtet. Soviel ich weiß, gab es einen Versuch, alles unter den Teppich zu kehren und zur Verschlusssache zu erklären. Nur dank BAYERs Verleumdungsklage kamen die Fakten wieder ans Tageslicht. Ich präsentierte dem Generalstaatsanwalt Dr. Pinto Monteiro am 3. Dezember einen Report über BAYERs Tests. Ich hoffe, er hält das mir gegenüber gemachte Versprechen, jetzt ohne weitere Verzögerungen mit den Ermittlungen zu beginnen.
Es wurden mehrere Anschläge auf Sie verübt. Hat es da sorgfältige Ermittlungen gegeben und haben diese zu Erkenntnissen über die Drahtzieher geführt?
Nein. Die zuständigen Behörden verharmlosen die Sache – in der Öffentlichkeit jedenfalls. Hinter vorgehaltener Hand klingt das ganz anders. Ich selber habe keinen Zweifel daran, dass diese Menschen extrem gefährlich sind. Seit den Enthüllungen bin ich großer Gefahr ausgesetzt. Momentan habe ich keinerlei Schutz. Der Staat Portugal ist für alles, was mir vielleicht noch zustoßen wird, verantwortlich. Was das betrifft, würde ich mich lieber jeglichen Kommentars enthalten.
Was kann getan werden, um Sie zu unterstützen und das Verhalten der Pharma-Industrie zu verändern?
Großer internationaler Druck würde helfen.