Film hier in voller Länge anschauen
Presse Information vom 24. Februar 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Zum morgigen Film-Start von „Plastic Planet“:
„Umwelt und Gesundheit vor gefährlichen Kunststoffen schützen!“
Anlässlich des morgigen Kinostarts des Dokumentarfilms Plastic Planet fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) eine Offenlegungspflicht aller Inhaltsstoffe und sämtlicher toxikologischer Daten von Kunststoff-Produkten. Nur so ließen sich die Konsumenten vor giftigen Chemikalien schützen. Die CBG verlangt zudem ein Verbot gefährlicher Stoffe wie Bisphenol A und Weichmacher in Lebensmittel-Verpackungen, Spielzeug und Kleidung.
In Plastic Planet dokumentiert der österreichische Regisseur Werner Boote die von Kunststoffen ausgehende Bedrohung für Umwelt und Gesundheit. Boote zeigt, wie Plastik-Produzenten die Zusammensetzung und das Gefahrenpotential ihrer Produkte verheimlichen, welches Ausmaß die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll angenommen hat, wie hoch die Belastung von Lebensmitteln ist und welche Risiken von Kunststoff-Fabriken ausgehen.
Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Viele Kunststoffe stellen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Auch wenn der Widerstand gegen eine Industrie, die jährlich 800 Milliarden Euro umsetzt, schwer ist: Es ist nicht hinnehmbar, dass die Veröffentlichung von Inhaltsstoffen und toxikologischen Erkenntnissen mit dem stereotypen Hinweis auf Betriebsgeheimnisse verweigert wird.“ Die CBG fordert eine Umkehr der Beweispflicht: nicht Verbraucher oder Behörden müssen die Gefährlichkeit eines Stoffes beweisen, sondern die Produzenten dessen Ungefährlichkeit.
Plastikprodukte können das Hormonsystem schädigen, Allergien auslösen und Krebs erzeugen. Die meisten Kunststoffe sind auf natürlichem Weg kaum abbaubar und gefährden die Umwelt über Jahrhunderte hinweg. Ein weiteres Problem stellt die Produktion dar, bei der riesige Mengen Rohöl und Strom aufgewendet werden müssen und bei der zudem extrem giftige Vorprodukte wie Phosgen und Kohlenmonoxid zum Einsatz kommen. Deutschland ist mit einem Verbrauch von über elf Millionen Tonnen jährlich der größte Markt in Europa.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit den Gefahren, die von Produkten und Fabriken des Unternehmens Bayer ausgehen. Der Leverkusener Konzern produziert Polyurethan und Polycarbonat und gehört zu den größten Kunststoff-Herstellern der Welt. Viele der in Plastic Planet dokumentierten Probleme hängen auch mit Bayer zusammen. So enthält Polycarbonat die hormonschädigende Chemikalie Bisphenol A. Polycarbonate werden u.a. in Lebensmittelverpackungen und Getränkeflaschen eingesetzt; Bisphenol A lässt sich daher in Nahrungsmitteln und im menschlichen Blut nachweisen. Seit Jahren gibt es im Rheinland großen Protest gegen eine 67 km lange Leitung für Kohlenmonoxid, das bei der Produktion von Polycarbonat Verwendung findet. Die Inbetriebnahme der Pipeline zwischen den Bayer-Werken Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde wegen Sicherheitsbedenken bislang gerichtlich gestoppt.
Immer wieder kommt es auch zu Störfällen in der Kunststoff-Produktion von Bayer. Besonders problematisch ist die Herstellung von Polyurethan, bei der jährlich Zehntausende Tonnen Phosgen eingesetzt werden. Phosgen wurde von Bayer erstmals im ersten Weltkrieg produziert – als Giftgas. Aktuell will das Unternehmen die Produktion von Polyurethan ausweiten. Zwar existieren phosgen-freie Verfahren, diese wurden von Bayer jedoch nicht zur Serienreife entwickelt. Neue Anlagen auf Phosgen-Basis würden diese risikoreiche Produktionsweise über Jahrzehnte hinweg zementieren.
weitere Informationen
· homepage von Plastic Planet: http://www.plastic-planet.de
· Risikoreiche Anwendungen von Bisphenol A verbieten!
· Einsatz von Phosgen in der Kunststoff-Produktion
· Protest gegen CO-Pipeline
25. Februar 2010, Hamburger Abendblatt
Kino-Premiere: Die Schattenseiten der Kunststoffe
Mehr Plastik als Plankton in den Meeren
Auf jeden Quadratkilometer Ozean kommen 18 000 Teile Kunststoffmüll, schätzen Uno-Experten. Eine Gefahr für die Umwelt.
Hamburg. Jeden Morgen dasselbe Ritual. Schlaftrunken in die Plüschlatschen steigen, den Polyester-Bademantel überwerfen, ein leichter Druck auf die Plastik-Zahnpastatube und mit der Bürste ran ans Gebiss – schon in den ersten Minuten des Tages ist Kunststoff aus dem Alltag nicht weg zudenken. Wir leben in einer Plastikwelt, behauptet der österreichische Filmautor Werner Boote und führt sie in seinem Film „Plastic Planet“ erbarmungslos vor. Der Film über unseren synthetischen Alltagsbegleiter und deren Spuren in der Umwelt kommt heute in die Kinos.
Innerhalb von nicht einmal 100 Jahren haben die synthetischen (aus Erdöl hergestellten) Kunststoffe die Welt erobert – die Konsumwelt und zunehmend leider auch die Umwelt. Anno 1862 kreierte der Brite Alexander Parkes den ersten halb-synthetischen Kunststoff aus Zellulose und Nitrat. 1922 fand der deutsche Chemiker und spätere Nobelpreisträger Hermann Staudinger heraus, dass Kunststoffe aus Ketten von tausenden miteinander verbundenen Molekülen bestehen, nannte sie Superpolymere. Sein junger US-Kollege Wallace Hume Carothers griff die Entdeckung auf und schuf moderne Kunststoffe, etwa Nylon, Acryl, Neopren, Polyethylen. In den 1930er-Jahren war der Weg zur Massenproduktion frei, da die Kunststoffe nun aus Petroleum produziert werden konnten.
Heute setzt die Kunststoffindustrie jährlich etwa 800 Milliarden Euro um, eine unüberschaubare Vielzahl von Varianten findet sich in allen Lebensabschnitten – vom Babyspielzeug bis zum Grabschmuck. Aber Kunststoff vergeht nicht. Er bleibt der Welt mehrere Hundert Jahre erhalten, weit länger als der Mensch das jeweilige Produkt nutzt. Und so geraten die Alleskönner auf Abwege, verschmutzen Landschaften und Ozeane.
Das gilt vor allem für kurzlebige Leichtgewichte wie Plastikverpackungen. Sie säumen Strände, flattern in Bäumen, zerfleddern selbst abseits der Zivilisation in Dornenbüschen der Sahara. Und sie treiben durch die Meere. Nach Schätzung des UN-Umweltprogramms (Unep) kommen auf jeden Quadratkilometer Ozean 18 000 Teile Plastikmüll. Der Müll in den Ozeanen befindet sich meist unter der Oberfläche. Er verschwindet aus dem Blickfeld, nicht aus der Umwelt. 70 Prozent sinkt früher oder später auf den Boden. Ein Großteil zersetzt sich in kleinste Teilchen, die oft über lange Zeit im Wasserkörper schweben. Fische verwechseln sie mit Plankton und schnappen nach den Flocken – sie verhungern mit vollen Mägen. „Auf ein Planktonteilchen kommen inzwischen sechs Plastikteilchen“, berichtet der amerikanische Meeresforscher und Umweltaktivist Charles Moore im Film. Er nahm Werner Boote auf seiner Forschungsyacht „Algalita“ mit zum Zentrum der Verschmutzung in den Nordpazifik südöstlich der Hawaii-Inseln. Dort rotiert ein Riesenwirbel mit kleinen Plastikteilchen, der North Pacific Gyre. Hier kommen 60 Plastikschnipsel auf einen Planktonpartikel.
Größere Teile werden zu Magenfüllern von Seevögeln. „Fernab von Zivilisation und Tourismus, etwa an den Küsten der dänischen Faröer-Inseln, haben Wissenschaftler in mehr als 90 Prozent der tot angespülten Eissturmvögel Plastikteile in den Mägen gefunden“, berichtet die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM). Mehr als eine Million Seevögel und Tausende Schildkröten sterben jährlich am Plastikmüll, so die GSM, selbst Elternvögel stopfen die Schnäbel ihrer Brut mit Kunststoffresten.
Auch in den Menschen hat die Plastikwelt längst Spuren hinterlassen – gewollt in Form von Silikonpolstern in weiblichen Busen und ungewollt in Form von Schadstoffen in Blut, Leber, Hirn, Geschlechtsorganen.
Bisphenol A, Phthalate, Nonylphenol, Acetaldehyd sind einige der Schadstoffe und Schadstoffgruppen, die aus Kunststoffen austreten und dann die Umwelt belasten oder zum Gesundheitsrisiko werden können. etwa das Film-Beispiel Bisphenol A: Die weit verbreitete Industriechemikalie ist Ausgangsprodukt von Polycarbonat-Kunststoffen, aus denen zum Beispiel Plastikgeschirr und Babyfläschchen hergestellt werden. Bisphenol A ist nicht akut giftig, aber es gehört zu den Substanzen, die hormonähnlich – wie Östrogene – wirken können. Bei Labormäusen verursachte der Stoff Erbgutstörungen.
Um die Menschen vor den Negativfolgen der Plastikwelt zu schützen, gibt es für Bisphenol A, für die Weichmacher Phthalate und andere Grenzwerte für tägliche Aufnahmemengen oder Freisetzungen in die Umwelt. Bestenfalls ist jeder riskante Kunststoff erfasst – was sie jedoch gemeinsam in Mensch und Umwelt anrichten, ist längst noch nicht erforscht.
In Manier des provozierenden Dokumentarfilmers Michael Moore hält Werner Boote den Kinobesuchern das Spiegelbild des Plastik-Planeten vor, ohne es zu verzerren. Er zeigt ihnen eine Kunststoffwelt, die den Alltag bestimmt. Jeden Tag neu, gleich nach dem Aufstehen. Angelika Hillmer