CO-Pipeline: BAYER allein gegen alle
Der politische Flächenbrand
Der Widerstand gegen die BAYER-Pipeline wächst. Bürgerinitiativen, Kommunen und Parteien protestieren mit Demonstrationen, Mahnwachen, Klagen und Plakataktionen gegen die zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Leitung. Aber der Leverkusener Multi hält unberirrt an dem Projekt fest.
Von Jan Pehrke
„Die Empörung in der Ratinger Bürgerschaft – und auch in den anderen betroffenen kreisangehörigen Kommunen – hat eine Dimension angenommen, die einem politischen Flächenbrand gleichkommt“, heißt es in einer Resolution des Ratinger Stadtrates, die den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers auffordert, BAYERs Pipeline-Projekt zu stoppen. Und tatsächlich lodert es an allen Ecken und Enden des Bundeslandes, womit sich ein heißer Herbst ankündigt. Neben Ratingen, Hilden, Monheim, Erkrath und Mettmann haben sich jüngst auch Hubbelrath und Düsseldorf gegen die Röhrenleitung ausgesprochen. Selbst in dem einst in Treue fest zum Bauvorhaben stehenden Duisburg kippt mittlerweile die Stimmung.
Dabei sucht sich der Protest, an dem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sich nach Kräften beteiligt, vielfältige Ausdrucksformen. In Duisburg, Erkrath und Hilden fanden Demonstrationen statt. Mehrere Kommunen, Privatpersonen und eine Bürgerinitiative haben Klagen eingereicht. Innenminister Wolfgang Schäuble und BAYER-Chef Werner Wenning erhielten Offene Briefe. Anti-Pipeline-Gruppen und die Bürgermeister von Monheim, Erkrath, Langenfeld und Hilden organisierten gemeinsam eine Plakat-Aktion. Zudem gab es Mahnwachen und Unterschriftensammlungen. Einige hat die Angst vor dem geruchslosen Gift aus der Leitung sogar so weit getrieben, auf den Baustellen Gerät zu beschädigen.
Quer durch die politischen Lager geht die Gegnerschaft, was manchmal zu seltsamen Allianzen und Mesalliancen führt. Die Gräben verlaufen weniger zwischen rechts und links als vielmehr zwischen oben und unten auf der Hierarchie-Leiter sowie BAYER-Nähe bzw. -Ferne. So gab in Duisburg ein grüner Stadtdirektor das Ja-Wort zur Pipeline, während der Monheimer CDU-Bürgermeister Thomas Dünchheim zu den engagiertesten KritikerInnen zählt. Er opponiert sogar gegen die von seiner eigenen Partei geführte schwarz-gelbe Koalition und versagte dem FDP-Minister Andreas Pinkwart einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt, „solange sich der stellvertretene Ministerpräsident mit der gesamten Landesregierung weigert, einen Baustopp anzuordnen“. Die Ratsfraktion der SPD befürwortet dagegen das Projekt – kein Wunder, denn das Amt des Fraktionsgeschäftführers bekleidet der Gewerkschaftsfunktionär Werner Bischoff, der früher einmal im BAYER-Aufsichtsrat saß. Der war verständlicherweise not amused, als der DGB-Regionsvorsitzende Hans Peters die GenossInnen mit harschen Worten zu einer Veränderung ihrer Position aufforderte. „Ich wage mir nicht auszudenken, was passieren würde, wenn der DGB aus sozialpolitischen oder arbeitsmarktlichen Erwägungen Enteignungen von BAYER-Unternehmensbereichen zum Wohle der Allgemeinheit nach unserer Verfassung fordern würde. Diesen Aufschrei möchte ich erleben“, polterte Peters. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE reagierte umgehend, stellte die Aussage des Regionsvorsitzenden als „Einzelmeinung“ dar und sorgte dafür, dass sich der nordrhein-westfälische Landesverband des DGB für die Pipeline aussprach. Die Landes-SPD hingegen lehnt diese inzwischen ab, während NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg wie schon zu Beginn der umstrittenen Giftmüll-Transporte abtaucht und die Arbeit verweigert. „Sie müssen Verständnis haben, dass wir da nicht eingreifen können“, so der CDU-Politiker in gewohnt kleinlauter Manier.
Der Chemie-Multi versuchte derweil, den „politischen Flächenbrand“ mit einer PR-Offensive zu löschen. Der Leverkusener Multi ließ eine Postwurfsendung an 200.000 Haushalte im „Krisengebiet“ verteilen. „Ich möchte Sie mit diesem Schreiben persönlich über den Sachstand zu unserer Kohlenmonoxid-Versorgungsleitung informieren“, setzt der vom Projektleiter Werner Breuer unterzeichnete Brief vertrauenserweckend an, um dann aber alles andere zu tun, als nüchtern und auf individuelle Weise sachdienliche Hinweise zu geben. Vielmehr finden sich in dem Schriftstück nur die altbekannten Textbausteine von der ach so geringen Störungswahrscheinlichkeit bis zum ach so amtlichem „Null Problemo“-Gutachten des TÜV.
Wie wenig die Pipeline wirklich dem neuesten Stand der Sicherheitstechnik entspricht, offenbarte unterdessen ein Bericht des TV-Magazins Monitor mit einem Blick über die Grenze nach Holland. Dort nämlich liegen die Kohlenmonoxid-Leitungen, wenn sie unter Verkehrswegen verlaufen, in 100 Meter breiten Betontunneln unter der Erde, und der Abstand zur Wohnbebauung muss laut Gesetz über 115 Meter betragen. Der einzige Kommentar BAYERs zur Sendung bestand in der Klarstellung, Kohlenmonoxid sei „kein Giftgas, sondern ein giftiges Gas“. Äußerst beruhigend. Weit entfernt davon, niederländische Verhältnisse zu schaffen, erklärte sich das Unternehmen nur zu kleineren Konzessionen bereit. Der Konzern stellte in Aussicht, weniger Druck auf die Leitung zu geben und diese in der Nähe von Wohnsiedlungen mit einem zusätzlichen Betonmantel zu versehen. Zudem wollte der Konzern dem Gas einen Duftstoff zusetzen, damit man es im Falle eines Falles wenigstens riechen kann, die Feuerwehren besser ausstatten und ein zusätzliches Sicherheitsgutachten bestellen. Bei den Pipeline-GegnerInnen verfing dieser mit einem Gesprächsangebot verknüpfte Kompromiss-Vorschlag allerdings nicht. „Wenn wir vernünftig sprechen wollen, kommt nur ein Baustopp in Frage“, so Bürgerinitiativen-Sprecher Dieter Donner.
BAYER hingegen baut schon kräftig, um vollendete Tatsachen zu schaffen, und hat im Juli erste Enteignungen vorgenommen. Deren Berechtigung zweifelt allerdings ein neues Rechtsgutachten des Kölner Jura-Professors Stefan Muckel an. Das Rekurrieren auf eine Sicherung von Arbeitsplätzen reicht seiner Meinung nach nicht aus, ein Handeln im Sinne des Allgemeinwohls in Anspruch zu nehmen und so bewehrt in Eigentumsrechte einzugreifen. Zur Begründung verweist der Rechtswissenschaftler auf das Boxberg-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das dem DAIMLER-Konzern einst die Schaffung einer Teststrecke untersagte. „Das (…)gesetz lässt eine Enteignung mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch die regionale Wirtschaftsstruktur zu verbessern, nicht zu“, heißt es darin nämlich.
Dabei erweist sich die Pipeline schon lange vor der Fertigstellung als Sicherheitsrisiko. Bei dem Versuch, die Leitungen mittels eines Pressverfahrens unter der A3 hindurch zu verlegen, platzte die Fahrbahndecke auf. Bei den anschließenden Reparaturarbeiten ereignete sich dann ein Unfall. Ein LKW-Fahrer raste in die Baustelle und verletzte sich schwer. Auch scheint es schon in der Frühphase zu Materialermüdungen zu kommen. „Die Baugruben sind voll Wasser gelaufen, die Rohre liegen im Wasser und rosten vor sich hin“, beobachtete Pipeline-Gegner Horst Ferber. Wie gefährlich das sein kann, zeigte Ende August die Explosion einer Erdgas-Pipeline bei Weilburg in Hessen. Dort waren Schweißnähte geplatzt, und Gas strömte aus. Die Wucht der Detonation ließ Fensterscheiben in einem Umkreis von 250 Meter zerbersten und verbog Schienengleise auf einem 100 Meter langen Abschnitt !