Rheinische Post, 15.10.2007
Duisburg: Gottesdienst contra Pipeline
VON JULIAN WEIMER
Die CO-Leitung-Gegner haben noch eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, um das im Stadtsüden stark diskutierte und hoch-umstrittene Projekt aufzuhalten.
Gestern feierte die „Bürgerinitiative COntra Pipeline“ gemeinsam mit der katholischen und der evangelischen Gemeinde in Ungelsheim einen ökumenischen Gottesdienst und setzte damit einen weiteren Akzent im Kampf gegen das aus ihrer Sicht unvertretbare, weil lebensbedrohliche Projekt.
Weit mehr als 300 Menschen hat der ökumenische Gottesdienst am Sonntag auf den Karl-Harzig-Platz mitten in Ungelsheim gezogen. Dass aber nur noch der Glaube gegen das Bayer-Projekt helfe, davon wollte hier keiner sprechen. Bayer habe zwar eine gültige Baugenehmigung, an der man erst in Jahren erfolgreich rütteln könne, aber „die Inbetriebnahme muss noch einmal gesondert genehmigt werden“, sagte Sascha Röser von der Bürgerinitiative.
„Wir haben noch eine ganze Menge von Ansatzpunkten gegen die Pipeline“, versicherte Röser, „und im Moment sind die mangelhaften Baumaßnahmen der Hauptansatzpunkt.“ Neben der laufenden Unterschriftenaktion setzen die Pipelinegegner nun auch auf die Aufdeckung von Baumängeln. Dutzende Mitglieder der Bürgerinitiative seien ständig damit beschäftigt, den Bau der Pipeline zu überwachen. Akribisch schrieben sie auf, was ihnen auffällt. „Es sind vor allem die Schweißer, die Alarm schlagen“, so Röser. Die Auflistung von Baumängeln soll der Bezirksregierung klar machen, dass die Pipeline nicht sicher ist.
Trotz solcher Hoffnungen sind die Menschen im Duisburger Süden zunehmend verzweifelt, stellte Pastor Bernfried Ludwig fest. „Manche sagen mir, dass sie die ganze Nacht nicht schlafen können“, sagte er. „Eine Frau fing sogar an zu weinen.“ In seiner Funktion als Seelsorger kümmert er sich um viele betroffene Ungelsheimer. „Wenn die Leute mir sagen, da sei doch nichts mehr zu machen, antworte ich ihnen, dass sie nicht aufgeben sollen. Die Menschen von Bayer, die soll man bis zum Schluss nicht zufrieden lassen.“
Einige Spezialisten in der Bürgerinitiative bringen immer neue Aspekte in die Diskussion ein. „Seit 25 Jahren beschäftige ich mich mit Duisburgs Luftkriegsgeschichte“, erzählte Harald Molder. Er hat Dokumente im Stadtarchiv ausgewertet und eigene Berechnungen angestellt. „Selbst wenn ich nur von einem Bereich von 50 Metern um die Pipelinetrasse ausgehe, liegen da noch 335 Sprengbomben“, ist er überzeugt. „Die würden gar nicht auffallen, wenn man nicht wirklich danach suchen würde.“ Erich Hennen, der in der Bürgerinitiative die technische Überwachung des Pipelinebaus überwacht, geht nicht davon aus, dass nach diesen Blindgänger ausreichend gesucht wird. „Da wurde ja jetzt in Rahm ‚ne Bombe direkt an der Trasse gefunden, nachdem die die Pipeline schon drüber gebaut hatten“, stellte der Diplom-Ingenieur fest. Die ganze Bauaufsicht sei „miserabel“, urteilt er.
Als Gefahrstoffexperte, so Hennen, könne er über die Pipeline nur den Kopf schütteln. „Ich wohne in Ungelsheim“, sagte er, „aber selbst wenn ich in Buxtehude gewohnt hätte und die Leute hätten mich gerufen, da wär‘ ich auch gekommen.“