Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Landesverband NRW
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
8. Oktober 2008
Offener Brief an die Fraktionen im Stadtrat Krefeld zur geplanten Erweiterung der Phosgen-Produktion im BAYER-Werk Uerdingen
Sehr geehrte Damen und Herren,
gegenüber der Fachzeitschrift ICIS Chemical News äußerten Vertreter von Bayer MaterialScience die Absicht, die Produktion von Polycarbonat und Methyldiisocyanat (MDI) im Werk Krefeld-Uerdingen zu erhöhen. In beiden Fällen wird derzeit Phosgen als Zwischenprodukt eingesetzt. Phosgen gehörte im 1. Weltkrieg zur ersten Generation von Giftgasen und zählt heute zu den giftigsten Industrie-Chemikalien überhaupt.
Die jährliche Phosgenproduktion in Uerdingen liegt bei über 100.000 Tonnen. Wir fordern den BAYER-Konzern seit Jahren auf, phosgenfreie Verfahren zur Produktion von Polycarbonaten und Isocyanaten zur Marktreife zu bringen. Nur so ließe sich die Gefährdung der Anwohner, der Belegschaft und der Umwelt verringern.
Schon heute stellen andere Firmen, z.B. die Saudi Basic Industries Corporation (SABIC), Polycarbonat ohne Phosgen her. Die Umweltverträglichkeitsrichtlinie schreibt vor, dass vor Änderungs-Genehmigungen risikoreicher Anlagen ungefährlichere Alternativen geprüft werden müssen. Wir fordern Sie daher auf, einer Erweiterung der Anlagen – wenn überhaupt – nur zuzustimmen, wenn BAYER phosgenfreie Verfahren einsetzt.
Außerdem darf es keine Erweiterung der Produktion ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und Beteiligung der Öffentlichkeit geben. Die Anwohner haben ein Recht auf Informationen, welcher Gefahr sie im Falle eines Störfalles ausgesetzt sind und wie sie sich vor dem Giftgas schützen können. Angesichts der bisher erfolgten, zahlreichen Änderungen und Erweiterungen im Chemiepark ist die Prüfung der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit längst überfällig.
Bereits im Jahr 2002 hat BAYER in Krefeld-Uerdingen die Produktion von Polycarbonat und MDI um 100.000 bzw. 24.000 Tonnen/Jahr erhöht. Hiermit einher ging eine Erhöhung der Phosgenproduktion um rund 60.000 Tonnen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit fand nicht statt. Der BUND und die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatten erfolglos u.a. nach dem Stand der Sicherheitstechnik, möglichen Freisetzungen von Phosgen im Falle eines worst case, Notfallplänen, zwischengelagerten Phosgen-Mengen und den Gefahren bei Flugzeugabstürzen gefragt.
Dass die Risiken für die Anwohner nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt der schwere Störfall im BAYER-Werk Institute (USA) am 28. August: die Explosion war in einem Umkreis von 10 Meilen zu spüren; Tausende Anwohner durften über Stunden hinweg ihre Häuser nicht verlassen. Auch in Institute werden große Mengen Phosgen hergestellt.
Mit freundlichen Grüßen,
Angelika Horster, BUND
Philipp Mimkes, CBG
weitere Informationen:
=> EU-Beschwerde gegen Erweiterung der Phosgenproduktion in Uerdingen
=> Artikel „Phosgen –die tickende Zeitbombe“ von Prof. Jürgen Rochlitz, Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit: http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_2003/SWB_01_2003/Phosgen/phosgen.html
=> WDR: Phosgen-Einsatz bei Bayer Uerdingen wird überprüft