Rede Philipp Mimkes, Bayer HV 2011 (z.T. Stichpunkte)
Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,
mein Name ist Philipp Mimkes, ich bin von Beruf Physiker, und ich spreche zu den Gegenanträgen der Coordination gegen BAYER-Gefahren;
Ich beginne mit einem Thema, das viele von uns bewegt:
Atomkraft
Ich möchte daran erinnern: der BAYER-Konzern war schon in 50er Jahren eine der treibenden Kräften bei der Einführung der Kernenergie in Deutschland.
U.a. war BAYER im Präsidium des Deutschen Atomforums vertreten. Plan des Atomforums: bis zu 500 Reaktoren in Deutschland => dies blieb uns zum Glück erspart
· Dieser Tradition blieb Werner Wenning treu: im August unterzeichnete Wenning den Aufruf an Bundesregierung für längere Laufzeiten.
· Vor allem aufgrund des Drucks der Industrie wurden die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke drastisch verlängert.
Wir alle wissen: Laufzeitverlängerung war Fehler
BAYER trägt hierfür Mitverantwortung => auch deswegen lehnen wir die Entlastung des Vorstands ab
Liebe Aktionäre,
Fukushima zeigt: das Undenkbare ist (leider) möglich
Wir haben es häufig an dieser Stelle betont: auch hierzulande kann es Katastrophen geben: Erdbeben, Flugzeugabstürze oder Anschläge.
ð Daher fordern wir: Bayer muss aus der Phosgen-Chemie aussteigen.
ð Das Risiko, jährlich hunderttausende Tonnen eines Giftgases zu produzieren, ist schlichtweg zu hoch.
ð zur Erinnerung: Phosgen war im 1. Weltkrieg Kampfgas;
ð Insbesondere darf BAYER bei der geplanten Erweiterung der Produktion von MDI und TDI in Dormagen bzw. Brunsbüttel nicht auf Phosgen-Technik setzen
Zu jedem Zeitpunkt der Produktion befinden sich Dutzende Tonnen Phosgen in der Anlage
In der Kunststoff-Produktion bei Bayer gab es mehrfach schwere Explosionen, zuletzt 2x in Baytown/Texas
Der TÜV Rheinland kam in einem worst case Szenario zu dem Ergebnis: Falls derartige Explosion zu Austritt des gesamten Phosgens in einer Anlage führt => das Leben Tausender Anwohner und Mitarbeiter in Gefahr
Herr Dekkers: Sie sind Chemiker. Sie wissen: Kunststoffe lassen sich ohne Phosgen produzieren.
Konkurrent SABIC macht es vor: Polycarbonate werden mit phosgenfreien Verfahren hergestellt.
Das kann und muss Bayer auch hinkriegen!
Fukushima zeigt: wir müssen Risiken minimieren, wo es möglich ist
ð Polycarbonat ó phosgenfreie Herstellung schon jetzt möglich
ð Dies gilt natürlich auch für die Kohlenmonoxid-Pipeline (diese ist überflüssig – Steam Reformer lässt sich auch in Krefeld bauen)
ð Gilt auch für Polyurethan: Umstellung schwieriger, aber im Labormaßstab bereits möglich
Anfang März hat BAYER angekündigt, in Dormagen ein Polyurethan-Forschungslabor zu bauen.
Wir fordern Sie auf, alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, eine phosgenfreie Produktion von Kunststoffen zur Serienreife zu bringen.
Vorher sollten keine neuen Anlagen gebaut werden
Produktion Institute / West Virginia
Institute ist das einzige Werk in USA, in dem neben Phosgen auch große Mengen des Bhopal-Gas MIC gelagert werden
ð worst case Szenario der Behörden: im Falle eines GAUs in einem Umkreis von mehreren Kilometern tödliche Vergiftungen
unsere langjährige Forderung: in Institute auf Phosgen- und MIC-freie Verfahren umstellen.
Herr Dekkers,
Ihr Vorgänger, Herr Wenning, hat mir an dieser Stelle mehrfach entgegnet: die Produktion in Institute ist vollkommen sicher; die Verwendung von MIC und Phosgen problemlos.
Vor zwei Jahren: schwerer Störfall im Werk mit Todesopfern.
US-Aufsichtsbehörde Chemical Safety Board (CSB) hat im Januar den Untersuchungsbericht veröffentlicht:
ð demnach führten gravierende Sicherheitsmängel zu der Explosion.
ð Dr. Moure-Eraso, Vorsitzender der CSB: „Ein Austritt signifikanter Mengen MIC hätte tödliche Folgen haben können. Diese Sorge wurde von den Anwohnern legitimer Weise seit Jahrzehnten geäußert.“ Und weiter: „Der Tod der Arbeiter ist umso tragischer, als er hätte vermieden werden können.“
so falsch kann unsere Forderung also nicht gewesen sein, wenn sich nun auch US Kongress und das Chemical Safety Board unserer Bewertung anschließen.
vor einem Monat hat BAYER eine Kehrtwende bekannt gegeben: die Produktion von MIC und Phosgen in Institute wird beendet.
ð Herr Dekkers: ich beglückwünsche Sie zu dieser richtigen Entscheidung
ð Zugleich fordere ich Sie auf, den rund 200 betroffenen Mitarbeitern Ersatz-Arbeitsplätze anzubieten
Bayer ist hochprofitabel => die Arbeiter dürfen nicht die Fehler des Managements ausbaden!
Werk Krefeld
In Krefeld halten Sie an Ihren Plänen fest, ein gigantisches Kohlekraftwerk zu bauen.
Ethik-Kommission „Sichere Energieversorgung“ hingegen kommt zu dem Ergebnis: Gas ist der einzige fossile Energieträger, der als Übergangstechnologie in das regenerative Zeitalter taugt: Verhältnismäßig geringer CO2-Ausstoß + weniger Schadstoffe als andere fossile Energieträger
Hingegen: das in Krefeld geplante Kohlekraftwerk ist ein wahrer Klimakiller: 4,4 Mio Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr; hohe Emission von Schadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxiden, Schwermetallen und Feinstaub.
Gaskraftwerk in Krefeld: Umsetzung wäre vergleichsweise schnell möglich,
Umweltverbände und Bürgerinitiativen würden zustimmen, sofern
ð Kraftwärmekopplung und
ð unter der Bedingung, daß alle alten Kohlekessel (z.T. länger als 50 Jahre in Betrieb) abgestellt werden.
Gaskraftwerk deutlich schneller zu bauen und deutlich günstiger.
Herr Dekkers: Unterstützen Sie eine solche umweltfreundlichere Planung?
Krefeld: Müllverbrennung
Schon jetzt: Bayer-Tochter Currenta verbrennt Müll in bestehenden Kohlekesseln
ð billige Müllentsorgung — Kohlekraftwerke niedrigere Emissions-Standards als MVA
ð nun soll Müll-Anteil verdoppelt werden; bis zu 25% des Brennstoffs Gewerbemüll
Billig-Müllverbrennung führt zu erhöhtem Schadstoffausstoß und ist daher abzulehnen.
Herr Dekkers: wir fordern Sie auf, die Emissionen zu reduzieren und auf weitere Müllverbrennung zu verzichten
Fragen zu Entsorgung von PCB
Skandal um Firma „Envio“ in Dortmund: hunderte Arbeiter mit PCB kontaminiert
ehem. Envio-Mitarbeiter haben uns mitgeteilt: PCB-belastetes Öl wurde bei Bayer verbrannt
Ist dies zutreffend? Welche Mengen?
Wie viele Fremdfirmen haben im vergangenen Jahr welche Mengen Giftmüll an Bayer geliefert?
Welche Mengen Sondermüll wurden bei Bayer insgesamt verbrannt?
Klasse I Pestizide
Herr Dekkers
Ihr VorVorgänger Manfred Schneider, der heute neben Ihnen sitzt, hat 1995 versprochen, die gefährlichsten Pestizide (WHO-Gefahrenklasse I: extrem gefährlich) bis 2000 vom Markt nehmen
Das Versprechen wurde leider gebrochen.
Immerhin hat BAYER Ende 2010 den Verkauf von Endosulfan eingestellt => eine der gefährlichsten Agrochemikalien überhaupt. Besonders in Ländern des Südens beinahe täglich Todesfälle durch Endosulfan
Ebenfalls Ende 2010: BAYER hat Vertrieb der Uralt-Pestizide Nemacur und Mocap eingestellt
Beide: WHO-Gefahrenklasse I; In Deutschland seit langem verboten.
An dieser Stelle möchte ich daran erinnern: Nemacur ist die wahrscheinliche Ursache des sog. „toxischen Öl-Syndroms“ in Spanien, das Anfang 80er Jahre mindestens 300 Menschenleben forderte
Leider: Produktion von Nemacur und Mocap wurde nicht beendet. Die Anlagen wurden an die US-Firma Amvac verkauft.
Einzig verantwortliche Lösung => BAYER hätte die Produktion bedingungslos einstellen müssen, statt diese Ultragifte jetzt noch profitabel zu verkaufen.
Frage: welche Klasse I-Wirkstoffe sind bei Bayer weltweit noch im Sortiment?
Wann wird der Vertrieb endgültig eingestellt (bitte einzeln für jeden Wirkstoff)?
Forderung: Stellen Sie die Produktion aller Klasse I Pestide ein!
Anlagen schließen, nicht verkaufen!
Marketing-Kosten
Der BAYER-Geschäftsbericht ist an manchen Stellen sehr ausführlich, woanders erstaunlich knapp
Bsp. Seite 187, wo wir ganze acht Zeilen für den Posten „Vertriebskosten“ finden.
Immerhin handelt es sich um Kosten in Höhe von fast neun Milliarden Euro!
U.a. 2 Mrd Euro für Werbung und Kundenberatung, 4 Milliarden Euro für Innen- und Außendienst, eine Milliarde für Distribution.
25% Ihrer gesamten Kosten: auf acht Zeilen abgehandelt; nirgendwo im Geschäftsbericht werden diese Summen weiter aufgeschlüsselt!
in solch schwammigen Posten versteckt sich der gesamte Graubereich des Marketings, insb. im Pharmabereich:
· Kosten für Pharmareferenten;
· Anwendungs-Studien (deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden);
· Zuwendungen an medizinische Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen.
· Medikamentenproben,
· Finanzierung von Ärzte-Kongressen, usw.
Ich möchte Sie daher – wie im Vorjahr – um eine detaillierte Aufstellung des Postens „Vertriebskosten“ bitten.
Alle Einzel-Posten oberhalb von 10 Millionen Euro offen legen; insbesondere
o Kosten von TV-Werbung,
o Werbung in Printmedien,
o Höhe der Spenden an Fachgesellschaften,
o Die eben genannten Posten: Medikamentenproben, Fortbildungen, Anwendungs-Studien, etc.
In diesem Zusammenhang: Nennen Sie uns alle Lobbyorganisationen, in denen Bayer weltweit Mitglied ist
Da es sich um umfangreiche Infos handelt, können diese auch nachgereicht werden
Herr Wenning hat die Angaben zu Marketingkosten im Vorjahr verweigert – wegen angeblicher Geschäftsgeheimnisse!
Herr Dekkers: Appell – Tun Sie es Ihrem Vorgänger nicht nach!
Andernfalls: Beschlüsse der HV anfechten lassen
Liebe Aktionärinnen und Aktionäre
Wegen der Vielzahl von Missständen (nur einen kleinen Ausschnitt habe ich angesprochen), fordere ich Sie auf, gegen Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu stimmen
Falls Sie die HV vorzeitig verlassen:
Sie finden uns vorne links im Saal, wenn Sie Stimmrechte übergeben möchten
Gerne stehen wir für Rückfragen zu Verfügung
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Antworten von Dr. Dekkers
Die wenigsten Fragen wurden beantwortet. Da insbesondere eine detaillierte Aufstellung der Marketing-Kosten verweigert wurde, hat Philipp Mimkes nach der Versammlung Widerspruch zu Protokoll gegeben, um die Beschlüsse der Hauptversammlung ggfs. anfechten zu lassen.
Einige weitere Antworten:
Phosgen sei notwendig für die Produktion von Isocyanaten, die Produktion ist sicher, Phosgen wird vor Ort verbraucht und nicht gelagert.
Zum Kraftwerk: Bayer ist nicht der Betreiber (das stimmt nicht!! Betrieben werden soll das Kraftwerk von der Bayer-Tochter Currenta!). wir sollen uns mit den Fragen an den Investor Trianel wenden.
Dekkers bestätigt, dass Bayer/Currenta Giftmüll von rund 200 Kunden „entsorgt“, im vergangenen Jahr rund 35-40.000 Tonnen Sondermüll. Darunter hätte sich „in geringem Umfang“ Giftmüll von Envio befunden.
Die Frage nach den Lobbygruppen in aller Welt (dies wären wahrscheinlich mehrere Tausend) wird nicht beantwortet. Genannt wird nur eine Handvoll: VCI, BDI, VFA