Rede von Christine Esch, PETA, zu Tierversuchen
Guten Tag, meine Damen und Herren, werte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates.
Mein Name ist Christine Esch, ich bin Tierärztin und Kampagnenleiterin im Bereich Tierversuche bei PETA Deutschland e.V. PETA Deutschland ist eine Schwesterorganisation von PETA USA, der mit über zwei Millionen Unterstützern weltweit größten Tierrechtsorganisation. Ich möchte zum Thema Tierversuche sprechen. Herr Dekkers hat ja heute Mittag schon Stellung zu unseren Gegenanträgen genommen, darauf werde ich ebenfalls kurz eingehen.
PETA USA hat im letzten Jahr eine Undercover-Recherche in einem Auftragslabor für Tierversuche in den USA durchgeführt. Während des Zeitraumes der Ermittlung wurde in dem Labor unter anderem eine dreimonatige Studie an Hunden durchgeführt, deren Auftraggeber BAYER war. Der Zeitraum, in dem diese Studie stattfand, war November 2009 – Januar 2010. Die PETA-Recherche war im Sommer 2010 beendet, im September 2010 wurden die Ergebnisse veröffentlicht, also über ein halbes Jahr, nachdem die BAYER-Studie abgeschlossen war. Es ist deshalb sehr nett, dass Herr Dekkers sagt, man habe sofort nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe die Zusammenarbeit mit dem Labor abgebrochen, entspricht aber nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen, denn zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war die von BAYER beauftragte Studie bereits beendet.
Die Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen besagen explizit, dass Tiere, die von dem Unternehmen für Experimente verwendet werden, unter Einhaltung von „allen nationalen, zwischenstaatlichen und lokalen Gesetzen und Bestimmungen“ „unter fachgemäßen Bedingungen“ gehalten und „respektvoll“ behandelt werden. Die Grundsätze bestätigen weiterhin: „Es wird nur ausgebildetes und qualifiziertes Personal zur Pflege und Behandlung der
Versuchstiere eingesetzt.“ In dem Absatz zu externen Laboren legen die Bayer-
Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen fest: „Mit Tierversuchen, die wir
nicht selbst durchführen, beauftragen wir nur solche externen Vertragslabors, deren Arbeit mit unseren Grundsätzen in Einklang steht.“
Dennoch zeigt das Dokumentations- und Videomaterial von der PETA-Recherche in dem betreffenden amerikanischen Labor eindeutige Verstöße gegen die Grundsätze von Bayer, ich kann jedem nur empfehlen, sich auf www.peta.de/plrs selbst ein Bild von der Situation der Tiere in diesem Labor zu machen. Es konnte unter anderem dokumentiert werden, dass:
– kranken und verletzten Tieren regelmäßig tierärztliche Versorgung
verweigert wurde
– einem unzureichend anästhetisierten Hund von einem ungelernten Mitarbeiter mit einer Zange ein Zahn gezogen wurde, woraufhin der Hund heftig strampelte
– Katzen regelmäßig brutal in Käfige geworfen und geschleudert wurden
– Katzen und Hunde mit Hochdruckreinigern abgespritzt wurden, die unter anderem Bleichmittel enthielten
– Mitarbeiter die Tiere obszön beschimpften und anschrien
– Mitarbeiter die Tiere umherzerrten, schmissen und traten
– ein Angestellter mehrmals versuchte, die Krallen einer Katze herauszureißen, indem er die Katze gegen einen Gitterzaun drückte, so dass die Katze sich an die Abzäunung krallte, und er die Katze dann von der Abzäunung riss
– die Räume, in denen die Tiere untergebracht waren, verdreckt und ohrenbetäubend laut waren.
Ein erster Ermittlungsbericht, der vom US-Landwirtschaftsministerium erstellt wurde – das ist die zuständige Behörde für die Einhaltung von Mindesttierschutzstandards in den USA – bestätigt ernsthafte Gesundheitsprobleme bei den Tieren und unterdurchschnittlich schlechte Haltungsbedingungen in dem betreffenden Labor; eine umfassende Untersuchung läuft zur Zeit noch, das Labor hat mittlerweile geschlossen.
Ich möchte Sie dazu fragen:
Warum hat BAYER nicht dafür gesorgt, dass keines dieser Tiere unter mangelnder tierärztlicher Versorgung, schlechter Haltung oder sogar ausgesprochener Misshandlung leidet?
Warum hat BAYER die konzerneigenen Richtlinien und Selbstverpflichtungen nicht umgesetzt und eingehalten?
Warum wurde nicht dafür Sorge getragen, dass zumindest die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesttierschutzstandards eingehalten wurden?
Und um auf Ihre Stellungnahme von vorhin einzugehen, Herr Dekkers: Wenn Sie – wie Sie sagen – Ihre Vertragslabore kontrollieren, wie kann es dann sein, dass Sie keine Informationen über die Zustände bei PLRS hatten? Ich möchte Sie erneut ermuntern, sich die Recherchevideos auf www.peta.de/plrs anzuschauen, dass man wirklich kein Experte sein muss, um den Tiermissbrauch und die Missstände im PLRS-Labor zu erkennen.
Und um den Bogen schließlich noch weiter zu spannen:
Wann wird BAYER endlich eine globale Selbstverpflichtung aussprechen, die
Verwendung veralteter Tierversuche zumindest für die Fälle, wo validierte tierfreie Alternativen bereits vorhanden sind, gänzlich auslaufen zu lassen?
Dutzende moderne tierfreie Testmethoden wurden von zuständigen Behörden in den USA, der Europäischen Union, Japan, Kanada und andernorts auf der Welt validiert.
Diese Methoden werden als vollständiger Ersatz für traditionelle, tier-basierte
Toxizitätstests anerkannt. Sie sind im Allgemeinen schneller, sensitiver, sicherer für den Verbraucher und günstiger als die traditionellen Tierversuche. In den EU-Ländern, in denen Bayer tätig ist, sind Unternehmen vom Gesetz her verpflichtet, diese Alternativ-Testmethoden anstelle von Tierversuchen zu
verwenden.
In den traditionellen Tierversuchen, von denen Bayer außerhalb der EU noch immer Gebrauch macht, werden Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen rasiert, fixiert und reizende Chemikalien werden auf ihre nackte Haut aufgetragen.
Bei einem anderen Versuch werden Kaninchen in speziellen Vorrichtungen fixiert und ihnen werden Chemikalien injiziert. Sie können Auswirkungen von Fieber über Atembeschwerden bis zu Kreislauf- und Organversagen – und sogar einen tödlichen Schock – erleiden.
Bei Bayers oralen Toxizitätstests werden Hunde, Mäuse und Ratten dazu gezwungen,
gewaltige Mengen einer Testchemikalie zu schlucken. Die Tiere können akute
Bauchschmerzen, Durchfall, Krämpfe, Anfälle, Lähmungen und Blutungen aus Nase, Mund und Genitalien durchleiden, bevor sie letztendlich sterben.
Akkurate, humane, tierfreie Methoden stehen zur Verfügung, um diese Tests zu
ersetzen. Die globale Einführung von tierfreien Testmethoden, die wissenschaftlich validiert wurden und als für die menschliche Gesundheit relevant erachtet werden, in allen Bayer-Anlagen und Vertragslaboren würde dem Unternehmen dabei helfen, die Verwendung von Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und anderen Tieren in schmerzhaften, veralteten Versuchen zu reduzieren und gleichzeitig die Sicherheit von Bayer-Produkten zu gewährleisten.
Ich frage Sie:
Wann wird BAYER endlich ausreichende Schritte unternehmen, den gewaltigen
Einsatz von Tieren in schmerzvollen und antiquierten Versuchen durch das
Unternehmen zu stoppen? Damit würden auch die Medikamente aus dem Hause BAYER möglicherweise endlich sicher, denn wir kennen ja – und haben heute verschiedene aufrüttelnde Beiträge dazu gehört – leider sehr viele Beispiele von Medikamenten, die aufgrund von Tierversuchen zugelassen wurden, beim Menschen aber schreckliche Nebenwirkungen verursachen.
Meine letzte Frage also an Sie:
Sperren Ihre Kinder ihre Kaninchen und Meerschweinchen eigentlich weg, wenn Sie nach Hause kommen, Herr Dekkers?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!