Guten Tag, meine Damen und Herren, werte Mitglieder des Vorstandes und des Aufsichtsrates.
Mein Name ist Christine Esch, ich bin Tierärztin und Kampagnenleiterin im Bereich Tierversuche bei PETA Deutschland e.V. Wir sind eine Schwesterorganisation von PETA USA, der mit über drei Millionen Unterstützern weltweit größten Tierrechtsorganisation. Ziel der Organisation ist es, durch Aufdecken von Tierquälerei, Aufklärung der Öffentlichkeit und Veränderung der Lebensweise jedem Tier zu einem besseren Leben zu verhelfen. Ich möchte auch dieses Jahr wieder zum Thema Tierversuche sprechen.
Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle von einer Undercover-Recherche von PETA USA erzählt, bei der in einem US-amerikanischen Auftragslabor namens PLRS massive Tierschutzverstöße dokumentiert werden konnten. Einer der verschiedenen Auftraggeber dieses Labores war Bayer. Video-Material der Recherche (nach wie vor online unter www.peta.de/plrs) zeigt unter anderem, wie Katzen und Hunde mit Hochdruckreinigern abgespritzt werden, die unter anderem Bleichmittel enthalten, Mitarbeiter die Tiere obszön beschimpfen, anschreien, treten und brutal in ihre Käfige schmeißen und zerren.
Das Labor hat mittlerweile geschlossen und im letzten Jahr wurde bekannt, dass einige der Mitarbeiter von PLRS wegen des Straftatbestandes der Tierquälerei angeklagt werden. Das ist ein in den USA ziemlich seltener Vorgang und zeigt, dass wir hier nicht von irgendwelchen Kavaliersdelikten oder unschönen Einzelfällen, sondern wirklich von massiver, handfester Tierquälerei reden.
Vom Bayer-Vorstand haben wir auf der letztjährigen Hauptversammlung dann sinngemäß gehört, der Umgang mit den Tieren bei PLRS sei selbstverständlich nicht im Sinne von Bayer gewesen, man habe das Labor wohl vorher „nicht ausreichend auditiert“ und wolle solche Vorfälle in Zukunft vermeiden.
Wir von PETA haben daraufhin erwartet, dass konkrete Maßnahmen ersichtlich werden, mit denen Bayer in Zukunft verhindern möchte, dass so etwas wie bei PLRS in Zukunft noch einmal in einem Auftragslabor von Bayer passiert. Zwar gibt es bei Bayer Tierschutzbeauftragte, ein globales Komitee für Tierschutz und diverse regionale Institutionen, die die Einhaltung von Tierschutzstandards überwachen sollen. Es drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass all diese Beauftragten und Einrichtungen dem Unternehmen vor allem nach außen einen tierfreundlichen Anstrich verpassen sollen. Denn konkret gelten – abgesehen von rechtlichen Standards, deren Einhaltung eine Selbstverständlichkeit sein sollte – lediglich die sogenannten „Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ als Maßstab für die Labore. Und diese Bayer-Grundsätze klingen zwar zunächst sehr schön, es ist viel die Rede vom respektvollen Umgang mit den Tieren und möglichst schonenden Verfahren, sie entbehren aber jeder konkreten Anweisung.
Ich frage Sie deshalb:
Was genau sind „fachgemäße Bedingungen“, unter denen die Tiere in einem „artgerecht gestalteten Umfeld“ gehalten werden? Meinen Sie damit z.B. die Einhaltung der EU-Richtlinie, nach der Sie bis zu 10 Mäuse dauerhaft in einen Käfig sperren dürfen, dessen Grundfläche der eines DinA4-Blattes entspricht? Bezeichnen Sie so eine respektvolle Haltung und Behandlung von Tieren, wie Sie in Ihren Grundsätzen vorgeschrieben ist?
Was genau bedeutet eine „möglichst niedrige Belastung der Versuchstiere“? Welches sind „tierschutzgerechte Abbruchkriterien“, bei denen die Tiere aus dem Versuch genommen werden müssen?
Warum werden keine konkreteren Regelungen oder Maßnahmen veröffentlicht? Weil es möglicherweise keine gibt?
Und wann und wo werden detaillierte Jahresberichte der Tierschutzbeauftragen und Komitees veröffentlicht?
Ich möchte noch einmal auf die Zusammenarbeit mit externen Laboren zurückkommen. Die „Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ besagen, dass man nur mit solchen Laboren zusammenarbeite, deren Arbeit mit diesen Grundsätzen in Einklang stehe. Dies lasse man sich vertraglich bestätigen und es werde regelmäßig anhand von Fragenkatalogen kontrolliert. Auch hierzu habe ich einige Fragen:
Gab es auch beim PLRS-Labor eine solche vertragliche Vereinbarung zum Tierschutz? Da diese ja offenkundig nicht eingehalten wurde, wie hoch war die Konventionalstrafe, die von diesem Labor wegen Nicht-Einhaltung des Vertrages eingefordert wurde?
Fanden auch im PLRS-Labor Kontrollen durch kompetente Bayer-Mitarbeiter statt? Was wurde bei diesen Kontrollen vorgefunden?
Da die Kontrollmechanismen ja im Fall des PLRS-Labores offensichtlich versagt haben: In welcher Weise wurden die Kontrollmodalitäten seit dem abgeändert? Wurden die Fragebögen verschärft und die Häufigkeit der Kontrollen erhöht? Werden Labore auch vor Beginn einer Zusammenarbeit besucht und kontrolliert?
Ich hoffe, Sie merken anhand meiner Fragen und der vielen Fragen, die sich noch aufdrängen und die leider aufgrund der Kürze der Zeit nicht gestellt werden können, dass Ihre „Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen“ bei weitem nicht geeignet sind, einen Umgang mit den Tieren in Versuchslaboren zu gewährleisten, der wenigstens den ohnehin schon minimalen gesetzlichen Standards entspricht. Und selbst diese gesetzlichen Standards sind immer noch weit davon entfernt, den Tieren ein Leben zu ermöglichen, das ihren Bedürfnissen auch nur ansatzweise ähnelt. Ich möchte daran erinnern, dass im Jahr 2010 in Deutschland über 2,9 Millionen Tiere in Tierversuchen leiden und sterben mussten. Es handelte sich nicht „nur“ um Mäuse und Ratten, sondern auch um Katzen, Hunde, Affen, Kaninchen und Meerschweinchen. All dieser Tierarten (und noch vieler anderer) bedient sich auch Bayer bei seinen Tierversuchen.
In den traditionellen Tierversuchen, von denen Bayer außerhalb der EU noch immer Gebrauch macht, werden Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen rasiert, fixiert und reizende Chemikalien werden auf ihre nackte Haut aufgetragen.
Bei Bayers oralen Toxizitätstests werden Hunde, Mäuse und Ratten dazu gezwungen, gewaltige Mengen einer Testchemikalie zu schlucken. Die Tiere können akute Bauchschmerzen, Durchfall, Krämpfe, Anfälle, Lähmungen und Blutungen aus Nase, Mund und Genitalien durchleiden, bevor sie letztendlich sterben.
Das enorme Leid dieser Tiere und die systemimmanente wissenschaftliche Unzuverlässigkeit der Versuchsergebnisse sollten Grund genug für einen Konzern wie Bayer sein, letztendlich auf Tierversuche verzichten zu wollen. Längst existieren akkurate und validierte tierfreie Testmethoden, die als vollständiger Ersatz für veraltete, tierbasierte Toxizitätstests, wie die eben beschriebenen Versuche, von Behörden in den USA, der EU, Japan, Kanada und vielen anderen Ländern anerkannt sind.
Warum also ist Bayer aus diesen Tierversuchen immer noch nicht ausgestiegen?
Wann wird es endlich eine globale Selbstverpflichtung von Bayer geben, auf veraltete Tierversuche, die längst durch validierte Alternativmethoden ersetzbar sind, zu verzichten?
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.