Pestizid-Exportweltmeister BAYER
Die Giftfracht made in Germany
In kaum einem Bereich wirkt sich das Problem doppelter Standards so verheerend aus wie beim Pestizidexport. Hierzulande aufgrund ihrer Gefährlichkeit längst verbotene Agrochemikalien von BAYER & Co. sorgen rund um den Globus für gefüllte Kassen – und für gefüllte Krankenhäuser. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) hat jetzt erstmals genaue Daten über Ackergift-Ausfuhren veröffentlicht.
Die neue Statistik des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit listet den Bestand an zugelassenen Mitteln, Wirkstoffen und Anwendungen, ihre Inlandsabgabe und die Exportmengen nach Anwendungszweck und Einsatzgebieten auf – allerdings anonymisiert, d.h. ohne Angabe der Hersteller.
Mengenangaben werden in der aktuellen Statistik jedoch nur summarisch, d.h. in Mengenklassen (> 1.000 Tonnen, 250-1.000 Tonnen, 100-250 Tonnen, etc) publiziert.
Aber immerhin: Für das Jahr 2004 sind diese Daten erstmalig im Internet abzurufen (www.bvl.bund.de) – ein erster Erfolg von Gruppen wie dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN), der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN oder BROT FÜR DIE WELT. Sie fordern seit langem mehr Transparenz beim Pestizid-Export, damit Maßnahmen gegen die oft verheerenden Auswirkungen von Pestizideinsätzen in Entwicklungsländern gezielter ergriffen werden können.
Weitergehende Forderungen sind:
· Vollständige Veröffentlichung der gemeldeten Daten über den Pestizidexport,
· Erweiterung der Meldepflicht,
· Berichterstattung über Probennahmestellen im Lebensmittelmonitoring mit dem Ziel der Rückstandsminimierung,
· Erfüllen von Auflagen aus internationalen Vereinbarungen.
Beim Handel mit Pestiziden bestehen nämlich große Informationslücken. Besonders in Entwicklungsländern, denen oft ein soziales, ökologisches und arbeitsrechtliches Schutzsystem fehlt, bringt der internationale Handel mit gefährlichen Pestiziden erhebliche Risiken mit sich. Jährlich werden Millionen Menschen in diesen Ländern Opfer von Vergiftungen durch Agrochemikalien.
Die Schätzungen über das globale Ausmaß an Pestizidvergiftungen sind in den letzten 30 Jahren kontinuierlich nach oben korrigiert worden. So ging man 1972 von nur ca. 500.000 Vergiftungsopfern aus (WHO, 1973), während WissenschaftlerInnen die Zahl der weltweiten Vergiftungsopfer 1990 hingegen bereits auf 25 Millionen schätzen. Trotz der immensen Bedeutung ist die Problematik der Pestizidvergiftungen jedoch bisher nur schlecht dokumentiert. Gesichertes Datenmaterial über das globale Ausmaß der Pestizidvergiftungen liegt nicht vor. Zusätzlich können hohe Dunkelziffern vermutet werden. Denn Vergiftungsfälle fließen oftmals nicht in die Statistiken ein, wenn z.B. weniger stark ausgeprägte Symptome auftreten. Langzeitschäden sind kaum erforscht; viele Krankheitsbilder werden also nicht oder zu spät mit Ackergiften in Verbindung gebracht. Dazu kommt die schwach ausgeprägte Infrastruktur bzw. kaum vorhandene Gesundheitsversorgung in vielen Entwicklungsländern. Aufgrund dieser und anderer Faktoren geht die angeführte WHO-Studie (1990) davon aus, dass einem dokumentierten Vergiftungsfall sechs undokumentierte Fälle gegenüberstehen (WHO, 1990).
Der größte Teil der in Deutschland produzierten oder eingeführten Pestizide wird nicht im Land selber eingesetzt, sondern geht in den Export. Deutsche Konzerne sind Spitzenreiter auf dem Weltmarkt der Pestizide. Einer der ersten Adressen: BAYER CROPSCIENCE. Schließlich ist BAYER seit der Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE zweitgrößter Pestizidhersteller weltweit. Durch diese Transaktion stieg der Umsatz der neuen Gesellschaft BAYER CROPSCIENCE im selben Geschäftsjahr (2003) um ca. 23 Prozent. Der traditionelle Marktführer bei den Insektiziden nimmt danach auch eine Top-Position bei Fungiziden, Herbiziden und Zusatzprodukten ein. Trotz „neuer“ umsatzstarker Produkte mit z.T. neuen Wirkstoffkombinationen – sie tragen Phantasienamen wie ADMIRE, ACCORD, JAVELIN oder MERLIN – sind die altbekannten AVENTIS-Produkte wie das Total-Herbizid BASTA oder LIBERTY, aber auch von BAYER hergestellte Wirkstoffe wie Fenamiphos, Parathion, Fenthion und Monocrotophos seit vielen Jahren für Tausende Vergiftungsfälle in aller Welt mitverantwortlich.
Die Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit lassen eines augenfällig werden: Die Exportmengen übersteigen die Inlandsabsätze bei weitem. So wird unter anderem deutlich, dass im Jahr 2004 mehr als 1.000 Tonnen des Herbizids LINURON (Hersteller ist das Unternehmen Méoc) exportiert wurden. Dieses Unkrautvernichtungsmittel ist krebserregend, stark wassergefährdend und greift in das Hormonsystem von Mensch und Tier ein. In Deutschland ist dieser gefährliche Wirkstoff nicht zugelassen. Gleichzeitig boomt das Exportgeschäft.
Von den aufgeführten BAYER-Pestiziden ist vor allem der Export der in der Bundesrepublik nicht zugelassenen Insektengifte Endosulfan, Azinphos-methyl und Fenamiphos problematisch. Als Nervengifte stellen sie gerade unter Armutsbedingungen eine große Gefahr für LandarbeiterInnen und ihre Familien dar. Und dies, obwohl der BAYER-Konzern in seinem Geschäftsbericht vom April 1995 versprach, innerhalb von fünf Jahren alle Pestizide der WHO-Wirkstoffklasse 1A („extrem gefährlich“) und 1B („hoch gefährlich“) vom Markt zu nehmen. Die BAYER-Handelsprodukte NEMACUR 500 (Wirkstoff Fenamiphos, Klasse 1A) und GUSATHION 20 LE (Wirkstoff Azinphos-methyl, Klasse 1B) gehören zu dieser Gruppe.
Fenamiphos – BAYER-Handelsname NEMACUR – ist ein Nematizid, wird also gegen Bodenwürmer eingesetzt bei Früchten wie Bananen, Apfelsinen und Grapefruits, Ananas, Kartoffeln, Reis, Zuckerrohr und verschiedenen Gemüsesorten. Fenamiphos wird nach BVL-Statistik von BAYER und den anderen Herstellern immer noch weltweit in einer Größenordnung von 25-100 Tonnen vertrieben, obwohl es für das Inland keine Zulassung mehr gibt. In über 50 Ländern wie z. B Korea, Australien, Südafrika oder USA findet das Mittel Abnehmer.
Azinphos-methyl – BAYER-Handelsname GUSATHION oder GUTHION – ist ein Nervengift (Acetylcholinesterase-Inhibitor) und wird vorwiegend auf Früchten, u.a. Nüsse, Kernobst wie Äpfel und Birnen sowie bestimmte Steinobstsorten verspritzt. Exportiert wird Azinphos (nach BVL-Statistik 25-100 Tonnen im Jahr 2004) nach Argentinien, Kanada, Chile, Iran, Mexiko, in die Türkei, nach Südafrika und in die USA. Der Leverkusener Multi dürfte einen gehörigen Anteil an den Ausfuhr-Quoten haben.
Ein weiteres BAYER-Nervengift, Endosulfan, gehört zu den meist-exportierten Wirkstoffen, obwohl es für das Inland selber seit 1991 keine Zulassung mehr besitzt. Endosulfan wird in mehr als 60 Ländern vertrieben, u.a. Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Indien, Italien, Japan, Pakistan, Spanien, in Westafrika und den USA. Häufig wird Endosulfan (BAYER-Handelsnamen: MALIX, PHASER, THIODAN) gegen Insekten im Baumwollanbau eingesetzt. In den Jahren 2001 bis Mitte 2003 führte es allein im kleinen westafrikanischen Land Benin zu 348 Vergiftungen und 50 Todesfällen. Die deutschen Exporte dieses unter anderem von BAYER produzierten Problem-Pestizids steigen und überschritten 2004 die Mengengrenze von über 1.000 Tonnen.
Weitere auch in BAYER-Pestiziden enthaltene Wirkstoffe mit besten Erträgen im Exportgeschäft: Betacyfluthrin (Ausfuhr 2004: 25-100 Tonnen) und Fenthion (Ausfuhr 2004: 250-1.000 Tonnen). Berühmt-berüchtigt wurde Betacyfluthrin Anfang der 90er Jahre in Griechenland durch den Einsatz gegen die Olivenfliege, was zahlreiche Vergiftungen bei Olivenbauern und -bäuerinnen sowie AnwohnerInnen zur Folge hatte. Auch das Insektizid Imidacloprid, das in BAYER-Produkten mit den fantasievollen Handelsnamen GAUCHO, ADMIRE, CONFIDOR, LEVERAGE, PROVADO und TRIMAX wirkt, ist ganz vorne mit dabei. Imidacloprid liegt beim Inlandsabsatz im Bereich von 25-100 Tonnen, beim Export jedoch im Bereich von über 1.000 Tonnen. Aufschlussreich sind neben den gemeldeten Wirkstoff-Informationen natürlich auch die nicht veröffentlichten zu Wirkstoffen aus dem Sortiment von BAYER CROPSCIENCE. Darunter befinden sich altbekannte Gefahrenquellen wie Aldicarb, Methamidophos (ein Phosphorsäuereester alter Provenienz) und Disulfoton, das im BAYER-Produkt BAYSISTON im brasilianischen Kaffeeanbau Vergiftungen, Nervenlähmungen und Todesfälle hervorrief, nachdem BAYER do Brasil durch irreführende Werbung den Eindruck bei Kaffeebauern – und bäuerinnen hervorrief, es handele sich um Kunstdünger in Granulatform (Stichwort BAYER berichtete).
Fazit: Aufgrund der Gefährlichkeit vieler Stoffe fordern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, PAN und andere Umweltgruppen eine erweiterte Meldepflicht, u.a. die Meldung und Veröffentlichung der Zielländer der Pestizidexporte. Dies muss auch Eingang in das gerade zur Novellierung anstehende bundesdeutsche Pflanzenschutzgesetz finden. Denn die derzeit veröffentlichten Exportdaten reichen nicht aus. Die deutsche Pestizidindustrie zählt weltweit zu den Spitzenexporteuren. BAYER & Co. tragen somit eine Hauptverantwortung für die oft weit reichenden Umwelt- und Gesundheitsschäden bei der Anwendung von Pestiziden; vor allem, wenn dies unter den Armutsbedingungen in den Entwicklungsländern geschieht. (Von Uwe Friedrich)