Behörde macht BAYER-Werbung
Die Landwirtschaftskammer empfiehlt
Integrierter oder biologischer Pflanzenschutz sind für die Landwirtschaftskammer NRW Fremdworte. Sie empfiehlt in ihren Veröffentlichungen bevorzugt chemische Keulen – und besonders bevorzugt solche aus dem Hause BAYER. Auf kritische Nachfragen antwortet die Behörde ausweichend.
Von Sylvia Schmidt
„Der Pflanzenschutzdienst berät heute in allen Fragen des Pflanzenschutzes und der Pflanzenschutztechnik. Schwerpunkte sind der integrierte und der biologische Pflanzenschutz. Hierdurch leisten wir einen aktiven Beitrag zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt. Auf Grund des hohen Qualitätsstandards unserer Arbeit wurden uns die Zertifikate „Gute Laborpraxis„ und „Gute Experimentelle Praxis“ zuerkannt.“ – so die eigene Aussage dieses Dienstes.
Die Landwirtschaftskammer NRW stellt auf ihrer Website Informationen bereit, wie etwa die „Pflanzenschutz-Themen der letzten Monate“ im Bereich Gemüsebau. Eine Stichprobe für März/April 2012 ergab einen eindeutigen Schwerpunkt der chemischen Bekämpfung von Schadinsekten und Pilzerkrankungen, obwohl der integrierte Anbau eine Brücke von konventionellen zu biologischen Methoden ist. Berücksichtigt werden muss hierbei, dass die Landwirtschaftskammern grundsätzlich Hinweise zur fachgerechten Anwendung chemischer Mittel geben müssen. Ihre Informationen suggerieren jedoch in den hier genannten Fällen, dass es gar keinen biologischen Weg gibt. Dieser ist für alle im Folgenden erwähnten Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten dokumentiert, andernfalls hätte der Ökolandbau schon längst einpacken müssen; zu seinen Methoden zählen etwa der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit als Basis für gesunde, widerstandsfähige Pflanzen oder das Anlegen von Mischkulturen von Pflanzen, die sich erfahrungsgemäß gegenseitig schützen.
Die LWK NRW nennt in den „Pflanzenschutz-Themen“ vom April 2012 u. a. das Präparat FLORAMITE 240 SC gegen Spinnmilben, ein Mittel von der Firma SPIESS-URANIA CHEMICALS GmbH in Hamburg, Gesellschafter ist MITSUI & Co. Deutschland. Nur wenige Absätze weiter steht im Informationspapier, laut Mitteilung der Firma BASF sei das Insektizid PERFEKTION in Kohlrabi und Schnittlauch genehmigt (gegen die Kleine Kohlfliege, Lauchminier- und Zwiebelfliege). Es geht im Text weiter mit KARATE ZEON gegen beißende und saugende Insekten an diversen Gemüsesorten und Kräutern. Die Suche nach dem Mittel führt direkt zur Website von SYNGENTA. In der Ausgabe vom März 2012 werden kurz Bedingungen angesprochen, die Pilzerkrankungen wie Grauschimmel fördern, dann folgen Produktnamen, hier ohne Hinweis auf die Herstellerfirma, wie ROVRAL WG (BASF), SIGNUM (BASF) oder TELDOR (BAYER). Gegen weitere Erkrankungen empfiehlt die Publikation dann SCORE (SYNGENTA) oder BASAGRAN (BASF).
Dass Produktnamen immer wieder zu denselben Konzernen führen, hängt natürlich mit Marktstrukturen zusammen. Das nächste Beispiel zeigt aber, dass Ausgewogenheit an Informationen bewusst versäumt wird. Ein Artikel desselben Pflanzenschutzdienstes, „Schädlinge an Kübelpflanzen“, bezieht sich zwar speziell auf Zierpflanzen, zählt aber Schadinsekten-Arten auf, die man im Gemüse- und Kräuteranbau genauso kennt. Die Landwirtschaftskammer informiert hier nicht näher über die Schadinsekten, auch nicht über Bedingungen, die sie fördern, Jahreszeiten, in denen mit ihnen zu rechnen ist, oder Pflanzenteile, die sie bevorzugt „angreifen“. Der Pflanzenschutzdienst empfiehlt KübelpflanzenbesitzerInnen beim Auftreten bestimmter Schadinsekten (diverse Lausarten, Spinnmilben, Weiße Fliege) einfach Agrochemie. Gleich 6 mal rät der Dienst zu BAYER-Produkten, unter anderem mit von der Partie das Zierpflanzen-Spray LIZETAN, die Combistäbchen LIZETAN NEU, das BAYER GARTEN SPINNMILBENSPRAY PLUS und Bayer Garten Bio-Schädlingsfrei Neem. Zudem preist die LWK Mittel der Firmen SCOTTS, COMPO und CHEMINOVA an. Andere Unternehmen, die biologische Pflanzenschutzmittel (auch auf Neem-Basis!) herstellen, wurden gar nicht genannt, obwohl es sie gibt.
Mails mit kritischem Hinweis auf diese Häufung des Namens BAYER, geschrieben an die LWK selbst sowie an den „Verbraucherlotsen“ (des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn), zeigten folgende Wirkung: „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat bezüglich der geschilderten Vorgänge keinerlei Zuständigkeiten oder Befugnisse“, teilte der „Verbraucherlotse“ mit. Dabei hält das das Landwirtschaftskammergesetz in §23 (Fn 14) 1 zur Aufsicht über die LWK NRW eindeutig fest: „Die Landwirtschaftskammer unterliegt der Aufsicht des Ministeriums (Aufsichtsbehörde).“
Die Antwortmail aus Düsseldorf (Referat II A 5 „Pflanzenproduktion, Gartenbau“ im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) wies darauf unterdessen hin, es seien in dem Artikel nicht nur Präparate der Firma BAYER genannt worden, sondern „BAYER, CELAFLOR, CHEMINOVA und COMPO“. Dazu ist jedoch anzumerken, dass SCOTT’S CELAFLOR MONSANTOs ROUNDUP für den Hobbygarten vertreibt, CHEMINOVA Vereinbarungen mit BAYER CROPSCIENCE geschlossen, bzw. Produkte übernommen hat wie auch von SYNGENTA, und seit 2000 gibt es laut Unternehmens-Historie zudem ein Joint Venture mit DOW AGROSCIENCE. Und COMPO? Kooperiert „seit 2005 intensiv mit SYNGENTA“.
Der Referatsleiter wies den Vorwurf der Werbung für BAYER zurück und erklärte unter anderem, die „vermissten biologischen Maßnahmen“ würden „nach Erfahrung des Pflanzenschutzdienstes“ nicht ausreichen, das „zweimal erwähnte Produkt BAYER GARTEN BIO-SCHÄDLINGSFREI NEEM“ gehöre zu den biologischen Präparaten. Die Mail befasste sich dann mit den in der kritischen Rückfrage erwähnten Kräuterjauchen, diese seien kein Pflanzenschutzmittel im rechtlichen Sinne, ihr Wirkungsgrad sei häufig viel zu gering, Wirkung auf Nützlinge sei nicht bekannt, und „phytotoxische Eigenschaften“ könnten nicht ausgeschlossen werden. „Als Pflanzenschutzmittel zugelassene Präparate sind dagegen umfassend geprüft worden.“
Die Antwort aus dem Ministerium in Düsseldorf legt damit nahe, eine aus nicht zulassungspflichtigen Bestandteilen Wasser und Kräutern (z. B. Brennesseln) durch simples Stehenlassen hergestellte Jauche könne ernste Schäden hervorrufen und sei nicht hinreichend geprüft (s. dazu Fachliteratur zum biologischen Anbau). Es folgt in der Mail ein juristischer Vermerk, im Haus- und Kleingarten dürften nur zugelassene und gekennzeichnete Pflanzenschutzmittel angewendet werden, die eigene Herstellung sei nicht gestattet. Dass hier versucht wird, Unsicherheit zu bewirken und auch mittels leiser Drohung die Anwendung biologischer Mittel als illegal hinzustellen, sah das Ministerium nicht so. Eine „leise Drohung“ könne man in der Wiedergabe der Rechtslage nicht erkennen, teilte es dazu schriftlich per Post mit.