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[Pestizide] STICHWORT BAYER 01/2009

CBG Redaktion

Neue EU-Pestizidverordnung

Aus für BAYER-Gifte

Die EU mistet den Giftschrank von BAYER & Co. aus. Nach der neuen Pestizid-Verordnung aus Brüssel müssen – höchstwahrscheinlich – Glufosinat und andere Agrochemie-Wirkstoffe des Leverkusener Multis vom Markt verschwinden, weil sie die menschliche Gesundheit schädigen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte solche Maßnahmen im Sinne des Verbraucherschutzes lange gefordert. Allerdings haben die LobbyistInnen der Unternehmen nicht nur Besseres verhindert, sie drohen auch weiteres Ungemach an. „Wenn es an die Umsetzungsphase geht, wollen wir dabei helfen, sicherzustellen, dass der beschrittene Weg auf Fakten statt auf Angst beruht“, so Friedhelm Schmider von der „European Crop Protection Association“ (ECPA).

Von Jan Pehrke

„Die neue Verordnung spiegelt die große Bedeutung wider, die die Europäische Kommission dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt beimisst“, mit diesen Worten kommentierte die EU-Kommission die Annahme der neue Zulassungsregeln für Pestizide durch das Europäische Parlament. Die abgesegnete Richtlinie schließt künftig alle Agrochemikalien von der Genehmigung aus, die Krebs erregen, die Erbanlagen schädigen und/oder das Fortpflanzungsvermögen beeinträchtigen. Auch bienenschädlich dürfen die Substanzen in Zukunft nicht mehr sein. 23 Wirkstoffe landeten auf der vorläufigen schwarzen Liste, darunter befinden sich sechs Inhaltsstoffe von BAYER-Produkten: Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid. Für die Art und Weise der Anwendung hat die EU ihre Vorschriften ebenfalls verschärft. So erlaubt sie das Versprühen aus der Luft nur noch unter strengen Auflagen und hat um Gewässer Bannmeilen gelegt.

Kehrtwende
Damit hat die Europäische Union eine Kehrtwende in der Pestizidpolitik eingeläutet. Hielt sie sich bisher an die Relativitätstheorie „Die Dosis macht das Gift“, so haben die PolitikerInnen diese jetzt relativiert und die menschliche Gesundheit zum absoluten Maß aller Zulassungsdinge erklärt. Entsprechend lautstark beklagt der „Industrie-Verband Agrar“ (IVA) den „Abschied von Paracelsius“. Und während die BASF von „unverantwortlicher Agrarromantik“ spricht, warnt die ECPA angesichts des drohenden Aus für ganze 23 der 507 in Europa zugelassenen Ackergifte vor einer Gefährdung der Nahrungsmittelsicherheit und empfindlich höheren Preisen. Der „Verband der britischen Fruchterzeuger“ entwirft in seinem worst case scenario sogar schon eine Katastrophe vom Format der irischen Hungersnot von 1845.

Extrem-Lobbyismus
„Mit Händen und Füßen gegen jegliche Änderung bei der EU-Pestizidzulassung“ hat sich die Chemische Industrie nach den Worten der grünen EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer deshalb gesträubt; ihre konservative Kollegin Erna Hennicot-Schoepges spricht von heftigen Auseinandersetzungen und „überaus starkem Lobbyismus“. Mit über 300 Änderungsanträgen – meistens made in Germany – hatte sich das Straßburger Parlament zu befassen – und änderte auch fleißig. So kippte das Gremium das Vorhaben, den Pestizid-Einsatz in der EU bis 2017 um die Hälfte zu senken. Es gewährte zudem längere Auslaufphasen und ließ viele Sonderregelungen zu. Angeblich unverzichtbare Ultragifte können mit einer 5-jährige Schonfrist rechnen, die wohl bis 2016 währen wird, da die Mitgliedsstaaten bis 2011 Zeit haben, die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. Die CBG hat dies in einer Presseerklärung scharf kritisiert. „Pestizide wie Glufosinat, deren Gefährlichkeit für Anwender und Verbraucher erwiesen ist, müssen sofort vom Markt genommen werden. Das Verbot des Wirkstoffs muss zudem Konsequenzen für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen haben. Es darf in der EU keine weiteren Anbau- oder Import-Genehmigungen für glufosinat-resistentes Saatgut geben!“, heißt es darin.

Ungebrochenen Zugang zum Giftschrank erlaubt zudem noch eine weitere Bestimmung. Sollten die Landwirte den Plagegeistern mit erlaubten Mitteln nicht mehr Herr werden, bieten ihnen so genannte Lückenindikationen die Möglichkeit, zu härterem Stoff zu greifen. „Davon werden vor allem der Obst- und Gemüseanbau profitieren“, weiß der IVA. Auch an die neu geschaffenen drei europäischen Großzonen, in denen jeweils andere Zulassungsbedingungen gelten, knüpft er große Erwartungen. Die Grenzländer können die Genehmigungen nämlich einfach übernehmen, weshalb der Lobbyclub sich Hoffnungen auf die Durchsetzungskraft der niedrigsten Standards machen darf. Darüber hinaus eröffnet den Konzernen das Gebot, die inkriminierten Agrochemikalien möglichst schnell zu ersetzen, die Chance, kürzere Zulassungsverfahren zugesprochen zu bekommen.

Feinarbeit folgt
Noch nicht einmal die Schwarze Liste, zu deren Länge BAYER-Stoffe so einiges beigetragen haben, ist für den Leverkusener Multi amtlich. „Es gibt noch keine Liste der Stoffe, die verboten werden sollen. Wir können daher noch gar nicht einschätzen, welche konkreten Folgen die Neuregelung für uns haben wird“, erklärte BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klages. Große konkrete Folgen hätte vor allem der Bann von Glufosinat, denn auf diesem Wirkstoff, der Missbildungen bei Föten, Verhaltensstörungen und Gehirnschädigungen hervorruft, hat der Leverkusener Multi die „Zukunftstechnologie“ seiner Genpflanzen-Baureihe LIBERTY aufgebaut. So hofft BAYER nun auf die Fortsetzung der „politischen Landschaftspflege“, die im Vorfeld der EU-Entscheidung extensiv betrieben wurde, bei der Implementierung der Verordnung. Die Interessensvertretungen bereiten sich schon darauf vor. „Wenn es an die Umsetzungsphase geht, wollen wir dabei helfen, sicherzustellen, dass der beschrittene Weg auf Fakten statt auf Angst beruht“, bietet der Ex-BASFler Friedhelm Schmider von der ECPA an. Sein IVA-Kollege Volker Koch-Achelpöhler setzt ebenfalls auf die „Feinarbeit zur Verordnung“: „Sonst werden Forschung und Entwicklung in der Industrie schwer beeinträchtigt“. Aber ganz egal, wieviel Lobby-Feinarbeit noch folgen mag, der Anfang zu einer auch von der CBG immer wieder eingeforderten Pestizid-Politik, welche die Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt stellt, ist gemacht.