„Der Pflanzenschutzdienst berät heute in allen Fragen des Pflanzenschutzes und der Pflanzenschutztechnik. Schwerpunkte sind der integrierte und der biologische Pflanzenschutz. Hierdurch leisten wir einen aktiven Beitrag zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt. Auf Grund des hohen Qualitätsstandards unserer Arbeit wurden uns die Zertifikate „Gute Laborpraxis„ und „Gute Experimentelle Praxis“ zuerkannt“ – so die eigene Aussage dieses Dienstes.
Die LWK NRW stellt auf der Website landwirtschaftskammer.de Informationen bereit, wie etwa die „Pflanzenschutzthemen der letzten Monate“ im Bereich Gemüsebau. Eine Stichprobe für März / April 2012 ergab einen eindeutigen Schwerpunkt der chemischen Bekämpfung von Schädlingen und Pilzerkrankungen, obwohl der integrierte Anbau eine Brücke von konventionell zu bio ist. Berücksichtigt werden muss hierbei, dass die Landwirtschaftskammern grundsätzlich Hinweise zur fachgerechten Anwendung chemischer Mittel geben müssen. Ihre Informationen suggerieren jedoch in den hier genannten Fällen, dass es gar keinen biologischen Weg gibt. Dieser ist für alle im Folgenden erwähnten Schädlinge und Krankheiten dokumentiert, andernfalls hätte der Ökolandbau schon längst einpacken müssen; zu seinen Methoden zählen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit als Basis für gesunde, widerstandsfähige Pflanzen, oder Mischkultur von Pflanzen, die sich erfahrungsgemäß gegenseitig schützen.
Die Landwirtschaftskammer NRW nennt u. a. in den Pflanzenschutzthemen April 2012 das Präparat Floramite 240 SC gegen Spinnmilben, ein Mittel von der Firma Spiess-Urania Chemicals GmbH in Hamburg, Gesellschafter ist Mitsui & Co. Deutschland. Nur wenige Absätze weiter steht im Informationspapier, laut Mitteilung der Firma BASF sei das Insektizid „Perfektion“ in Kohlrabi und Schnittlauch genehmigt (gegen die Kleine Kohlfliege, Lauchminier- und Zwiebelfliege). Es geht im Text weiter mit „Karate Zeon“ gegen beißende und saugende Insekten an diversen Gemüsesorten und Kräutern. Die Suche nach „Karate Zeon“ führt direkt zur Website von Syngenta. Im März-Papier von 2012 werden kurz Bedingungen angesprochen, die Pilzerkrankungen wie Grauschimmel fördern, dann folgen Produktnamen, hier ohne Hinweis auf die Herstellerfirma, wie Rovral WG (BASF), Signum (BASF), Teldor (BAYER), sowie gegen weitere Erkrankungen Score (Syngenta) oder Basagran (BASF).
Dass Produktnamen immer wieder zu denselben Konzernen führen, hängt natürlich mit Marktstrukturen zusammen. Das nächste Beispiel zeigt aber, dass Ausgewogenheit an Informationen bewusst versäumt wird. Ein Artikel desselben Pflanzenschutzdienstes, „Schädlinge an Kübelpflanzen“, bezieht sich zwar speziell auf Zierpflanzen, zählt aber Schädlingsarten auf, die man im Gemüse- und Kräuteranbau ebenfalls kennt. Die LWK informiert hier nicht näher über die Schädlinge, auch nicht über Bedingungen, die sie fördern, Jahreszeiten, in denen mit ihnen zu rechnen ist, Pflanzenteile, an denen sie „angreifen“. Der Pflanzenschutzdienst empfiehlt Kübelpflanzen-BesitzerInnen beim Auftreten bestimmter Schädlinge (diverse Lausarten, Spinnmilben, Weiße Fliege) ausschließlich die Verwendung von Agrochemie. Genannt werden im Artikel folgende Firmen: Bayer 6x, davon 2x mit demselben Produkt, Compo 3x, Celaflor 2x und schließlich ein Produkt von Cheminova. Bayer Garten Zierpflanzenspray Lizetan, Bayer Garten Bio-Schädlingsfrei Neem, Bayer Garten Combistäbchen Lizetan Neu, Bayer Garten Spinnmilbenspray Plus… Andere Firmen, die biologische Pflanzenschutzmittel (auch auf Neem-Basis!) herstellen, wurden gar nicht genannt, obwohl es sie gibt.
Mails mit kritischem Hinweis auf diese Häufung des Namens BAYER, geschrieben an die LWK selbst sowie an den Verbraucherlotsen (des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn), zeigten folgende Wirkung: „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat bezüglich der geschilderten Vorgänge keinerlei Zuständigkeiten oder Befugnisse.“ (Antwort aus Bonn vom Verbraucherlotsen im Bundesministerium). Zur Aufsicht über die LWK NRW sagt das Landwirtschaftskammergesetz §23 (Fn 14) 1: „Die Landwirtschaftskammer unterliegt der Aufsicht des Ministeriums (Aufsichtsbehörde).“ Es wurde in der Antwortmail keine Zuständigkeit genannt – und ein Bundesministerium für Landwirtschaft steht schließlich über dem Landesministerium für Landwirtschaft, könnte also als Vorgesetzter durchaus aktiv werden.
Eine Antwortmail aus Düsseldorf (Referat II A 5 „Pflanzenproduktion, Gartenbau“ im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) wies darauf hin, es seien in dem Artikel nicht nur Präparate der Firma BAYER genannt worden, sondern „Bayer, Celaflor, Cheminova und Compo“. Dazu ist jedoch anzumerken, dass Scott’s Celaflor Monsanto’s Roundup für den Hobbygarten vertreibt, Cheminova Vereinbarungen mit Bayer CropScience geschlossen bzw. Produkte übernommen hat, ebenso von Syngenta, und seit 2000 gibt es laut Unternehmens-Historie ein Joint Venture mit Dow AgroScience. Und Compo? Kooperiert „seit 2005 intensiv mit Syngenta“.
Der Referatsleiter wies den Vorwurf der Werbung für BAYER zurück und erklärte unter anderem, die „vermissten biologischen Maßnahmen“ würden „nach Erfahrung des Pflanzenschutzdienstes“ nicht ausreichen, das „zweimal erwähnte Produkt Bayer Garten Bio-Schädlingsfrei Neem“ gehöre zu den biologischen Präparaten. Die Mail befasste sich dann mit den in der kritischen Rückfrage erwähnten Kräuterjauchen, diese seien kein Pflanzenschutzmittel im rechtlichen Sinne, ihr Wirkungsgrad sei häufig viel zu gering, Wirkung auf Nützlinge sei nicht bekannt, und „phytotoxische Eigenschaften“ könnten nicht ausgeschlossen werden. „Als Pflanzenschutzmittel zugelassene Präparate sind dagegen umfassend geprüft worden.“
Die Antwort aus dem Ministerium in Düsseldorf legt damit nahe, eine aus nicht zulassungspflichtigen Bestandteilen Wasser und Kräutern (z. B. Brennnesseln) durch simples Stehenlassen hergestellte Jauche könne ernste Schäden hervorrufen, und sei nicht hinreichend geprüft (s. dazu Fachliteratur zum biologischen Anbau). Es folgt in der Mail ein juristischer Vermerk, im Haus- und Kleingarten dürften nur zugelassene und gekennzeichnete Pflanzenschutzmittel angewendet werden, die eigene Herstellung sei nicht gestattet.
Dass hier versucht wird, Unsicherheit zu bewirken und auch mittels leiser Drohung die Anwendung biologischer Mittel als illegal hinzustellen, sah das Ministerium nicht so. Eine „leise Drohung“ könne man in der Wiedergabe der Rechtslage nicht erkennen, teilte es dazu schriftlich per Post mit.
Was die LWK NRW so nachdrücklich an chemischen Hilfsmitteln empfiehlt, ist im Ökolandbau verboten. Was nun? Die „Richtlinien des ECOVIN Bundesverbandes“ (d. h. Weinbau), initiiert „im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau“ legen die Jauchen unter der Kategorie Pflanzenpräparate ab. Die Mitarbeiter der LWK mögen sich an Spitzfindigkeiten – Schutzmittel oder Stärkungsmittel – festgehalten haben. In der Fachliteratur zum biologischen Anbau finden sich stets Hinweise zu Jauchen, Auszügen, Tees und Brühen, verwendet als Dünger, Pflanzenstärkungsmittel, Spritzmittel (auch gegen Blattläuse) und sie helfen, wie z. B. (Acker-) Schachtelhalm gegen Pilzerkrankungen. Das Pflanzenschutzamt Berlin gibt übrigens ein Merkblatt zu solchen alternativen Pflanzenschutzmethoden für HobbygärtnerInnen heraus. Der NABU informiert ebenfalls.
Nach eigenen Angaben soll die LWK NRW laut Gesetz beraten, aufklären und schulen.
30. September 2013, von Sylvia Schmidt